Es ist schon eine merkwürdige Situation. Herr Knauer hat vehement deutlich zu machen versucht, dass es keinen Lehrermangel gibt. Ich bin froh, dass Sie, Frau Hohlmeier, schon vor zwei Jahren erkannt haben, dass der Lehrermangel ein Problem ist. Insofern sind unsere beiden Positionen näher beieinander als Ihre Position an der von Herrn Knauer. Herr Knauer, Sie sollten endlich einmal aufhören, in Ihren Reden die Taktik einzuschlagen, auf andere Bundesländer zu verweisen, wenn Sie persönlich offensichtlich keine Lösungsvorschläge für ein Problem haben. Noch nicht einmal Herr Hofmann, der ein begeisterter Fan von Ihnen ist, hat da noch geklatscht. Überdenken Sie noch einmal Ihre Taktik, sie ist nicht gerade toll.
Frau Hohlmeier, Sie haben gesagt, dass der Schüleranstieg in dem Ausmaß und auch das Schulwahlverhalten nicht vorauszusehen sind. Da gebe ich Ihnen Recht. Es ist aber mit Sicherheit vorauszusehen, wie viele Lehrer in absehbarer Zeit pensioniert werden. Die sind nämlich alle schon geboren, und es gibt keine Veränderungen mehr. Sie sind an ihren Schulen, und man weiß ganz genau, wann diese in Pension gehen und für wann wir Ersatz schaffen müssen. Sie haben wenigstens in Ansätzen zugegeben, dass es Probleme gibt und ein aufschlussreiches Interview gegeben. Ich möchte einige Punkte herausgreifen, weil damit sehr deutlich wird, dass zu lange nicht gehandelt wurde. Sie haben es einfach, zuzugeben, dass es Mängel gibt. Im Gegensatz dazu hat Herr Knauer unsere Anträge im Ausschuss jahrelang abgelehnt. Das haben Sie nicht gemacht, Frau Hohlmeier. Sie sind in diesem Punkt in einer komfortablen Situation.
Lassen Sie mich zu den einzelnen Punkten kommen und mit den Zwei-Drittel-Stellen, den Teilzeitstellen und den befristeten Verträgen anfangen. Sie sagen jetzt, dass ab dem nächsten Schuljahr diese Regelung teils geändert werden soll. Das ist schlicht und einfach zu spät. Die Lehrerinnen und Lehrer sind weg. Es war immer klar, und wir haben es immer gesagt, dass es nicht attraktiv ist, wenn man nur eine Teilzeitstelle oder eine Zwei-Drittel-Stelle erhält, die auch noch befristet ist, weil man dann eine Familie nicht ernähren kann.
Das war ein Problem, welches abzusehen war, und es ist zu spät, wenn diese Regelung erst zum nächsten Schuljahr geändert werden soll.
Ich möchte noch einmal auf die Realschullehrer zurückkommen. Mit glühenden Worten ist es uns im Ausschuss und auch hier verkauft worden, dass es dort keines einzigen Lehrers mehr bedarf, weil sich die Klassen nicht vermehren. Wir haben damals gesagt, das ist gelogen, weil es natürlich mit der Schulreform notwendig werden wird, Lehrer einzustellen. Heute zeigt es sich, dass es dort einen Mangel gibt. Wenn ich ein System ändere, kann ich doch nicht gleichzeitig die Zahl der Lehrer einschränken.
Das, was Sie zu den Lehrerinnen und Lehrern aus den anderen Bundesländern gesagt haben, war recht interessant. In dem Interview sagten Sie wörtlich, der komplizierte Austausch von Lehrerinnen und Lehrern zwischen den Bundesländern müsse dringend reformiert werden. Schauen Sie doch einmal nach, wie oft wir anhand von Petitionen erbittert über den Lehreraustausch gestritten haben und wie oft wir Ihnen Engstirnigkeit und Überheblichkeit vorgeworfen haben, weil nur die bayerischen Fächerkombinationen, Prüfungen usw. Maßstab sein können. Jetzt werden die Probleme sichtbar. Es lag an Bayern, dass sich nichts verändert hat. Das perverseste Beispiel hat zuvor Herr Irlinger mit dem fehlenden Nachweis für einen Schikurs gebracht.
Ganz spannend finde ich es, wenn Sie jetzt nach Österreich fahren. Sie sagten zwar, Sie würden dort keine Lehrerinnen und Lehrer anwerben. Wir werden sehen, wie sich dieser Besuch auswirken wird. Aber auch dazu noch ein Wort. Wir hatten eine Petition zu behandeln. Wenn wir nicht eingeschritten wären, hätte eine Sonderschullehrerin aus Österreich trotz Mangels an Sonderschullehrern in Bayern ein sonderpädagogisches Studium in Bayern wiederholen müssen, obwohl sie in Österreich ein Studium abgeschlossen hatte und acht Jahre Berufstätigkeit nachweisen konnte. Diese Erkenntnisse haben wir schon längst, und wir haben auch darüber diskutiert.
Besonders schön ist Ihr Vorschlag, die Schaffung attraktiver Fächerverbindungen. In keinem anderen Bundesland werden die Fächerverbindungen wohl engstirniger und restriktiver gehandhabt als in Bayern. Es wäre längst überfällig, kreative und phantasievolle Lösungen zu finden. Mir hat noch niemand erklären können, wieso ein Lehrer, der ein Studium abgeschlossen und damit bewiesen hat, dass er sich sehr schnell Wissen aneignen kann, nicht binnen kürzester Zeit auch in andere Fachbereiche einsteigen kann. Von jedem Arbeiter bei Siemens oder sonst wo verlangen wir, dass er umgeschult und sogar einen ganz anderen Beruf ergreift. Deshalb wäre es auch an der Schule endlich erforderlich, ein Stück mehr Kreativität und Phantasie zu zeigen.
Besonders charmant ist Ihr Vorschlag, aus Unternehmen geeignete Personen für kurze Zeit als Lehrer gewinnen zu wollen. Das halte ich ja wirklich für eine ausgesprochene Sprechblase. Glauben Sie denn, dass Personen, welche anderswo auch noch besser bezahlt werden, bereit sind, in ein System zurückzukehren, in dem sie zunächst keine Stelle bekommen haben und wo sie weder die pädagogische Freiheit noch die Entscheidungskompetenzen haben, die sie von der Arbeit in einem Unternehmen gewohnt sind? Diese Maßnahme hört sich wirklich wahnsinnig gut an. Ich warte nur auf Ihre Erfolgsbilanz und auf die Auskunft, wie viele Menschen bereit sein werden, vorübergehend in unsere Schulen zurückzukommen.
Das Beispiel der Berufsschule müssen Sie jetzt nicht erwähnen. Dort ist die Situation eine andere. Ich warte aber auf den Jungunternehmer oder den Jungmanager, der bereit ist, für zwei Jahre ans Gymnasium zu gehen und dort Mathematik zu unterrichten.
Frau Kollegin Radermacher, können Sie sich nicht mehr daran erinnern, dass wir es gemeinsam begrüßt haben, als das Programm mit den vier mal 500 Stellen verkündet wurde – eine Einstellungspolitik auf Vorrat – mit dem vielen jungen Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit gegeben wurde, im Schulbereich zu verbleiben und nicht abzuwandern, und können Sie sich daran erinnern, dass Bayern das einzige Bundesland war, das zu dieser Vorratsmaßnahme gegriffen hat?
Herr Knauer, über das, was Sie gesagt haben und was die CSU jetzt neuerdings an Anträgen unter dem Stichwort „Eigenverantwortlichkeit der Schulen stärken“ einbringt, kann ich nur lachen. Lesen Sie doch noch einmal die Reden und unsere Anträge von vor zehn Jahren nach. Das, was Sie jetzt vorschlagen, fordern wir bereits seit Jahren. Vielleicht wenden sich die Menschen auch deshalb vom Lehrerberuf ab, weil das, was sich in der Gesellschaft verändert hat, in der Schule nicht berücksichtigt wurde. Natürlich ist es positiv, wenn Sie unsere Forderungen endlich aufgreifen. Dennoch muss ich sagen, es reicht nicht aus, dass in den Anträgen immer nur darum gebeten wird, zu prüfen. Geprüft ist alles schon. Das, was Sie jetzt anregen, ist in anderen Ländern längst Standard. Wir könnten diese Verfahren ohne Weiteres übernehmen und bräuchten nicht noch einmal Prüfungsanträge stellen.
Sie haben gesagt, dass es dieses Antrages der Opposition gar nicht bedarf. Dennoch erwarte ich, dass die CSU diesem Antrag zustimmt. Hätte die CSU einen solchen Antrag eingebracht, und hätte Frau Hohlmeier gesagt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen bereits auf den Weg gebracht worden sind, dann hätte Herr Knauer sicherlich gesagt, die Verabschiedung des Antrags könne trotzdem nicht schaden, er diene ja der Unterstützung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Staatsregierung gemeinsam unterstützen, damit sie
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nur noch ein paar kurze Anmerkungen zum Beitrag von Frau Radermacher. Es gibt keinen allgemeinen Lehrermangel. An den Grundschulen haben wir überhaupt keinen Lehrermangel. Auch in etlichen Lehrämtern an anderen Schularten haben wir keinen Lehrermangel. Einen schon länger prognostizierten Lehrermangel gibt es dagegen bei den Berufsschulen. Natürlich fordern Sie schon lange alles Mögliche. Aber es gab doch Jahre, in denen uns die Wirtschaft die Lehrer nicht abgeworben hat, sondern in denen Studenten mit Diplomabschluss verzweifelt versucht haben, ins Lehramt zu kommen, weil es in der Wirtschaft nicht genügend Anstellungsmöglichkeit gab. Hier hat ein regelrechter Paradigmenwechsel stattgefunden. Natürlich können wir vorausberechnen, ob ein Lehrer in Pension geht. Das war nie ein Problem. Aber wir können nicht genau vorausberechnen, ob er mit 60, mit 58, mit 63 oder mit 65 Jahren in Pension geht. Wir können auch die Altersteilzeit nicht vorhersagen, solange nicht darüber entschieden ist.
Bei einem Lehrkörper von 100000 Lehrkräften weichen Durchschnittszahlen sehr schnell mit einem Unterschied von 100, 200, 500 oder gar 1000 von den tatsächlichen Zahlen ab. Im Hinblick auf den tatsächlichen Bedarf sind diese Abweichungen schon erheblich. Wir können nicht von einem Jahr zum anderen auf eine erheblich höhere Zahl von Absolventen umstellen.
Vor allem aber können wir auch den Bedarf der Wirtschaft an Arbeitskräften nicht voraus berechnen. Vor etlichen Jahren gab es noch genügend Bewerber aus den Fächern Mathematik und Physik, weil sie von der Wirtschaft nicht übernommen wurden. Ich erinnere an die Diskussionen Anfang der neunziger Jahre, als man versucht hat, Physik- und Chemieexperten mit hervorragenden Examina in der Wirtschaft unterzubringen. Heute ist die Situation genau umgekehrt. Die Wirtschaft versucht mit sehr viel Geld, Lehramtsstudenten, welche ein sehr gutes Examen abgelegt haben, von uns abzuwerben.
Wir haben eine völlig veränderte Situation, die man nicht mit der Situation vor sechs, sieben oder acht Jahren vergleichen kann. Wir hätten schon Wahrsager sein müssen, damit wir damals die Situation von heute hätten beschreiben können. Außerdem haben wir das generelle Problem, dass es in den Fächern Mathematik und Physik in allen Ländern immer weniger Lehramtsbewerber gibt.
Für die Fächer Deutsch, Geschichte und Sozialkunde gibt es erheblich mehr Bewerber als für die naturwissen
schaftlichen Fächer, sodass die Warteliste für eine Lehrerstelle in einem der letztgenannten Fächer nie besonders lang war.
Man muss sich die Wartelisten auch einmal genau ansehen. Ich erinnere mich noch an Anfragen von Herrn Irlinger zu den Wartelisten. Auch heute noch stehen nicht wenige auf den Wartelisten für Mathematik und Physik. Doch wie schon früher erklärt sich nur ein bestimmter Teil der Bewerber dazu bereit, in das Lehramt zu gehen. Denn manch andere Verträge sind attraktiver. Viele junge Leute mit abgeschlossenem Lehramtsstudium, das anscheinend doch nicht so schlecht ist, wie mancher behauptet, finden in der Industrie einen hervorragenden Arbeitsplatz.
Frau Münzel, wir müssen insofern schon mit dem Beamtenstatus arbeiten. Denn der lebenslang sichere Arbeitsplatz spielt bei der Bewerbung junger Leute eindeutig eine Rolle. Darum halte ich den Angriff auf den Beamtenstatus im Zusammenhang mit der Lehrerdiskussion für außerordentlich gefährlich.
Der Staat wird sicherlich nicht mit 100.000- oder 200.000-DM-Verträgen aufwarten können, wird nie die Flexibilität und die leistungsgerechte Bezahlung bieten können, wie es in der Privatwirtschaft möglich ist, auch nicht die dort üblichen Abfindungen. Da müssen wir auf andere Attraktionen verweisen.
Mit Ferien darf man nie werben. Denn der Lehrerberuf ist kein Ferienberuf. Aber der Beamtenstatus und die Sicherheit des Arbeitsplatzes über das ganze Berufsleben hinweg, das sind wichtige Faktoren, wenn junge Leute vor der Entscheidung stehen, ob sie den Lehrerberuf ergreifen sollen.
Nun zum Lehreraustauschverfahren. In dem Zusammenhang wurde gesagt, Bayern sei schuld. Da breche ich fast in Tränen aus – vor Vergnügen.
Das rührt jetzt selbst die SPD. – Man kann auch Tränen lachen; man muss sie nicht weinen. In dem Fall lache ich nur noch. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie gehen von Annahmen aus, die schlichtweg falsch sind. Wer einschlägige Petitionen bearbeitet hat, weiß das: Vor einigen Jahren standen auch bei uns sehr viele Bewerber auf Wartelisten. Jedes Land in Deutschland hat damals darauf geachtet, dass die eigenen Absolventen eine Chance erhalten, in dem betreffenden Land eine Planstelle zu erhalten, und nicht von Bewerbern aus anderen Ländern beiseite gedrängt werden. So sah die Realität aus, Frau Radermacher. Diese hat auch in Bayern ihren Niederschlag gefunden.
Jetzt ist die Situation anders. Nun benötigen wir für bestimmte Fachbereiche mehr Lehrkräfte. Außerdem muss in dem Zusammenhang erwähnt werden, dass Bayern attraktiver ist als andere Länder. Insofern kann
ich gut mit einem planstellenneutralen Austauschverfahren leben, das letztlich eine Öffnung vorsieht. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie fordern immer, dass wir unser Land vertreten. Wir vertreten unser Land. Das bedeutet aber, dass ich Frau Dr. Schavan, die derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, stark unterstützen werde, wenn es darum geht, das planstellenneutrale Austauschverfahren zu flexibilisieren.
Dass den angesprochenen einschlägigen Petitionen damals nicht Rechnung getragen werden konnte, liegt daran, dass Bayern nicht die Altersversorgung für die anderen Länder übernehmen kann. Das heißt: Die anderen Länder müssen die Altersversorgung ihrer eigenen Lehrkräfte tragen. Der Freistaat Bayern kann nicht die komplette Altersversorgung für Lehrer übernehmen, die vielleicht 15 oder 20 Jahre in einem anderen Land Dienst getan haben. Das werden wir auch nicht tun. Das ist weder bezahlbar noch von uns zu verlangen.
Übrigens darf ich daran erinnern, dass wir das Land sind, das die meisten Referendare aus anderen Ländern in den Referendardienst übernommen hat, nachdem andere Länder dies nicht mehr getan haben.
Was Herr Kollege Knauer angesprochen hat, führte dazu, dass sich junge Leute für den Referendardienst in Bayern beworben und wir sie ausgebildet haben, während die SPD-regierten Länder ihnen keinen Platz an den Schulen eingeräumt haben.
Ich glaube, damit habe ich ausreichend Auskunft gegeben und dargelegt, dass die Argumente, die Sie angeführt haben, meine Damen und Herren von der Opposition, wohl nicht ganz zugkräftig sind. Sie klingen zwar gut, stimmen aber nicht ganz mit der Realität überein.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wie Sie wissen, es wurde namentliche Abstimmung beantragt. Ich erinnere daran: Es geht jetzt um den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Radermacher, Irlinger und anderer und Fraktion (SPD), betreffend Notstand an bayerischen Schulen, Drucksache 14/5752. Die Ja-Urne ist auf der Seite der Opposition aufgestellt, die Nein-Urne bei der CSU. Die Urne für Stimmenthaltungen steht auf dem Stenografentisch. Für die Abstimmung steht ausreichend Zeit zur Verfügung.
Ich schließe die Stimmabgabe. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Wir fahren in der Abwicklung der Tagesordnung fort. Zwischendurch eine Bitte des Stenografischen Dienstes. Die Niederschriften des zweiten Teils der heutigen Sitzung können nicht mehr bis zum Sitzungsende fertiggestellt werden, weshalb sie den Rednern auch nicht mehr im Plenarsaal zugeleitet werden können. Aus diesem Grunde bittet der Stenografische Dienst die Redner, von den am Rednerpult aufliegenden gelben Formularen Gebrauch zu machen, falls sie die Niederschriften zur Korrektur an eine Adresse außerhalb des Hauses übermittelt haben wollen.
Im Rahmen der Behandlung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge rufe ich nun zur gemeinsamen Beratung die folgenden Initiativen auf:
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Elisabeth Köhler, Schammann und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)