Geben Sie dieses Gutachten an die Öffentlichkeit, und dann werden wir die besten Ideen daraus für Bayern gemeinsam umsetzen können.
Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners zur S-Bahn nur anschließen. Ich fahre damit täglich zweimal oder öfter. Das ist eine Katastrophe. Seit September gab es keinen Tag, an dem es nicht zu Störungen und Verzögerungen kam, obwohl wir noch nicht Winter haben, kein Glatteis, keinen Schnee, keine Stürme. Ist das Ausdruck des Hightech-Landes Bayern? Täglich diskutiere ich mit verärgerten Fahrgästen in der S-Bahn, und jeder und jede schüttelt den Kopf über diese Politik einer CSUStaatsregierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): 520-Millionen-Programm, ist Ihnen das geläufig?)
Mir ist geläufig, dass Sie das beschlossen haben, aber ich merke nichts davon, dass das irgendwo ankäme. Es müssen doch tatsächliche Verbesserungen geschaffen werden!
Seit über einem Jahr diskutieren wir Verbesserungen im S-Bahn-System von München, und seit über einem Jahr hat sich nichts verbessert. Stattdessen propagiert das Wirtschaftsministerium den 10-Minuten-Takt. Wir wären schon froh, wenn wir Pünktlichkeit beim 40-Minuten-Takt oder die durchgängige Einführung des 20-Minuten-Taktes hätten.
Wir Grüne fordern für Bayern eine klare Umsetzung der ökologischen Modernisierung. Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber, moderne Technologiepolitik muss sich an Qualitätskriterien ausrichten: sparsamer Umgang mit Energie und Ressourcen, Fehlertoleranz, demokratische Teilhabe. Diese Kriterien vermissen wir in Ihrer Technologieeuphorie. Es ist zu prüfen, ob diese Technologie ein Angebot oder Zwang ist, ob diese Technologie zu mehr Lebensqualität führt, ob sie den Klimaschutz gewährleistet. Diese Fragen müssen wir stellen. Die Politik hat die Verantwortung, hier den öffentlichen Dialog zu organisieren. Da ist aber Fehlanzeige bei der bayerischen Staatsregierung und der CSU. Wir Grüne führen diesen Dialog mit den Wirtschaftsverbänden, mit Wissenschaft, mit jungen und alten Menschen. Wir fordern diese kritische Auseinandersetzung in der Gesellschaft ein. Wenn Qualitätskriterien erfüllt sind, dann setzen wir uns für eine konsequente Umsetzung dieser Politik in Wirtschaft, Forschung und Bildung ein.
Bereits jetzt findet moderne Ökologiepolitik ihren Ausdruck in boomenden Börsenkursen und Entwicklungsplänen führender Unternehmen. Schule und Bildung brauchen diese Freiheit, um sich auf diese Entwicklungen einstellen zu können. Sie brauchen Freiheit, um ihre Konzeption von Bildung und Ausbildung mit eigenem Profil entwickeln zu können. Es ist nicht hilfreich, wenn sie nur eine gewisse Freiheit vom Kultusministerium erhalten, die sofort wieder zurückgenommen wird.
Hilfreich sind auch nicht Qualifikationskriterien, die auf die Hundertstelnote festgelegt sind. Hilfreich ist auch nicht die Gängelung von Lehrerinnen und Lehrern; denn Schulen wissen, wie moderne Bildung zu vermitteln ist, wenn sie denn endlich den nötigen Rahmen dafür hätten.
Herr Glück, ich teile die Ansicht, dass wir uns in der Bildungsdebatte an Bildungszielen orientieren müssen. Wir müssen nicht Strukturen vorgeben, sondern müssen die Strukturen öffnen, und dann müssen wir uns darauf verständigen, welche Kompetenzen wir für die Zukunft brauchen. Persönlichkeitsbildung zu Eigenständigkeit, Kreativität und sozialer Kompetenz muss in den Schulen gelernt werden. Daneben muss vermittelt werden: Wie gehe ich mit der Informationsfülle um? Wie erwerbe ich Sprachenkompetenz? Wie lerne ich den interkulturellen Umgang, den jeder und jede von uns künftig benötigen wird?
Eine moderne Gesellschaft muss nicht nur die ökologischen Zukunftsfragen lösen, sondern auch das gesellschaftliche Miteinander im internationalen Rahmen bewerkstelligen. Trotz Ihrer mutigen Betonung heute Morgen halte ich es für leidvoll, dass die Debatte um die Leitkultur in der CSU ihren Anfang genommen hat. Dominanz und Anpassungsdruck sind mit diesem Begriff eng verknüpft. Die CSU hat mit ihrer rückwärts gewandten Gesellschaftspolitik standhaft die Augen vor der
Wirklichkeit verschlossen. Für Sie war und ist Bayern kein Einwanderungsland, obwohl jetzt sogar die CDU die Realität anerkennt. Dennoch stellen wir fest: Unter dem Druck der Wirtschaft wächst die Einsicht, dass wir auch in Bayern Einwanderung brauchen. Endlich regt sich auch vernehmlich manche Stimme in der CSU, die Widerstand gegen die Abschiebung von dringend benötigten Arbeitskräften signalisiert, aber auch Widerstand gegen die Rückkehrpflicht von ausgebildeten Studenten und Studentinnen sowie von Berufsabsolventen.
Internationale Zusammenarbeit und das Einbringen interkultureller Kompetenz stärkt den Wirtschaftsraum Bayern. Blicken wir doch einmal nach München, auch wenn Sie dieses Beispiel nicht gerne hören. Nach zehn Jahren grün-roter Politik boomt die Wirtschaft in München, gerade in den Medien und den modernen Kommunikationstechnologien.
München verzeichnet die niedrigste Jugendgewaltrate; wir haben die beste schulische Integration von Kindern und jungen Menschen fremder Ethnien. München hat ein reiches Kulturleben aufgrund des hohen Ausländeranteils. Obwohl Sie die Zahlen nicht gerne hören, weise ich doch darauf hin, dass München einen Anteil von 11 Prozent an der bayerischen Bevölkerung hat und über 22 Prozent der Steuereinnahmen Bayerns erbringt.
Von diesen 22 Prozent – das sind 29,4 Milliarden – fließen gerade mal 3,7 Milliarden an München zurück. Wieviel Unternehmertum und Eigeninitiative in München tätig ist, sieht man an diesem Beispiel: München als interkulturelles Kompetenzzentrum.
Die Grünen haben auf Grund der Einwanderungsdebatte nunmehr ein Artikelgesetz vorgelegt, das auf drei Säulen fußt. Zum einen wird es im Interesse des Arbeitsmarktes Einwanderung geben müssen. Zweitens wird es weiterhin den Schutz des Asylrechts geben müssen, und drittens wird es eine Regelung für Einwanderung aus humanitären Gründen geben müssen, für Menschen aus Bürgerkriegsländern oder für Menschen, die vor Umweltkatastrophen flüchten. Sie haben heute wieder die geringe Zahl von anerkannten Asylbewerbern angeführt, die quasi als Legitimation zum Abbau des Asylrechts gesehen wird. Sie wissen ganz genau, dass alle Flüchtlinge, die über den Landweg nach Deutschland bzw. Bayern aus sogenannten sicheren Zwischenländern kommen, keine Anerkennung finden. Also ist doch diese Regelung nicht in Ordnung und muss geändert werden.
Wir wissen auch, dass etwa 30 Prozent der Asylbewerber hier Schutz finden müssen, weil wir es nicht verantworten können, sie zurückzuschicken, weil ihnen in ihren Heimatländern Gefahr für Leib und Leben droht. Geben Sie das doch endlich zu und lassen diese dummen, kläglichen Zahlen weg!
Ich begrüße es außerordentlich, dass die Grünen dieses Artikelgesetz mit den drei Säulen als Einwanderungsmodell vorgelegt haben. Das wird ein konstruktiver Beitrag zu dieser jetzt notwendigen gesellschaftlichen Debatte sein. Ich hoffe, dass diese Debatte dann auch mit Realitätssinn und ohne Scheuklappen geführt wird.
Erlauben Sie mir noch einen weiteren Hinweis auf das individuelle Asylrecht. Gerade heute, am 9. November, haben wir allen Anlass dazu, auf dieses Recht auf Schutz vor politischer Verfolgung hinzuweisen. Dieses Recht wurde nach dem zweiten Weltkrieg auf Grund der Erfahrungen während der Hitlerdiktatur ins Grundgesetz aufgenommen, damals, als der Schutt des Krieges in Europa noch nicht weggeräumt war, damals, als in unserem Land Armut herrschte. Dennoch wurde dieses Schutzrecht für Asylbewerber in unser Grundgesetz geschrieben. Das war eine große Leistung der Mütter und Väter unseres Grundgesetzes. Sie aber wollen gerade heute, am 9. November, wieder Signale dafür aussenden, dieses Recht zu durchlöchern.
Lassen Sie mich an diesem Tag aber auch klar zum Ausdruck bringen, dass wir mit Zivilcourage und in politischer und gesellschaftlicher Verantwortung alles daransetzen müssen, dem auch in Bayern zunehmenden Rechtsextremismus Einhalt zu gebieten. Ich gehe davon aus, dass ich im Namen des ganzen Hauses sprechen darf, wenn ich sage: Wir drücken unsere Solidarität aus, beispielsweise mit Frau Brenner, einer Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Weiden, die seit Wochen mit Anschlägen unter Druck und Angst gesetzt wird.
Hier brauchen wir ein Bündnis der Demokraten. Wir brauchen auch eine verantwortliche Politik, die gerade in dem sensiblen Feld der Einwanderung und des Asylrechts äußerst sorgsam vorgeht, um nicht falsche Signale an Rechts auszusenden.
Ich kann nur feststellen: Die Menschen in Bayern sind zumeist weiter als die CSU. Im ganzen Land finden heute Demonstrationen statt. Im ganzen Land setzen sich in unzähligen Fällen Bürgerinnen und Bürger dafür ein, dass bedrohten Menschen hier Aufenthalt, dass Kindern und Jugendlichen Ausbildung, dass ihren Familien Schutz gewährt wird. Es ist allerhöchste Zeit, dass dies endlich auch im Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags Geltung erhält.
An dem Engagement dieser Menschen, so machtlos sie oft auch sein mögen, erkennen wir, wie viel Engagement für unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger da ist. Ich kann nur feststellen: Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Bayern ist weltoffen und aufnahmebereit. Hier wird Integration als ein Prozess der Verständigung begriffen, als ein Prozess des aufeinander Zugehens, der Akzeptanz und der Anerkennung. Ehr
lichkeit und Offenheit, das gehört zur bayerischen Lebenskultur. Das braucht endlich auch die Politik der Bayerischen Staatsregierung.
Mit diesen aktiven Menschen hier in Bayern, mit den Menschen, die unsere Solidarität brauchen, mit den Menschen, die sich für diese Solidarität einsetzen, wollen wir GRÜNEN diese Gesellschaft künftig gestalten – weltoffen und solidarisch. Dieses Bayern ist unser aller Einsatz wert. Wir wollen es weltoffen gestalten. Wir wollen es ökologisch orientiert und modern gestalten. Dieses Bayern mit seinen ökologischen Chancen, den landschaftlichen Schönheiten und den natürlichen Reichtümern verdient alle ökologische Verantwortung für die Zukunft.
Wir GRÜNEN bringen unsere Kompetenz, unsere Ideen, unser Engagement gerne ein, zusammen mit denen, die in Bayern Verantwortung zeigen. Wir setzen uns ein – aus Liebe für dieses Land, aus Liebe für Bayern – für ein Bayern, das weltoffen, ökologisch und modern ist.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Daher schließe ich die Aussprache. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat nun Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, kurz auf einige wenige Anmerkungen aus den Reihen der Opposition einzugehen, insbesondere auf Ihre, Herr Maget. Zunächst stelle ich fest: Es ist sicherlich ein erstaunlicher Vorgang, wenn der Vorsitzende der SPD-Fraktion herausstellt, welch positive Entwicklung Bayern in den letzten 50 Jahren genommen hat. Herr Maget, ich schließe aus Ihren Worten, dass Sie durchaus erkennen: Die CSU hat in den letzten 40 bis 50 Jahren in diesem Hause und an anderer Stelle eine Fülle von Grundlagen gelegt und Entscheidungen vorbereitet, die Bayern vom Armenhaus zu dem heutzutage viel beneideten Bundesland und zum nachahmenswerten Beispiel in Deutschland und in Europa gemacht haben.
Tatsächlich werde ich, wohin ich auch komme, immer wieder gefragt: Welchen Weg haben Sie eingeschlagen, um den Wandel von einem Agrarstaat, der Bayern ja vor 50 Jahren noch war, zu einem modernen Industrieland zu bewältigen? Was haben Sie getan, um sich – in dem Punkt ist Bayern viel weiter als die meisten Regionen Europas – von einer Industriegesellschaft zu einer stärkeren Wissens- bzw. Dienstleistungs- oder Informationsgesellschaft hin zu entwickeln? Die hierfür wichtigen Entscheidungen waren seinerzeit eher strittig. Ich muss ein wenig schmunzeln, wenn Sie hier glauben machen wollen, die besonders günstige Situation Münchens sei allein auf die Stadtpolitik der letzten Jahre zurückzuführen, Herr Maget.
(Maget (SPD): Aber ganz schlecht war sie nicht! – Gegenruf des Abgeordneten Glück (CSU): Sie sind schon auf dem Rückzug!)
Herr Maget, Sie wissen oder sollten es wissen: Ich arbeite mit allen zusammen. Da unterscheide ich mich schon ein wenig vom Bundeskanzler, der mit den seiner Partei angehörenden Ministerpräsidenten in einem Maße zusammenarbeitet, das das Instrument des Bundesrats wirklich beschädigt. Ich sage Ihnen: Wenn ich so handelte und mich bei meinem Verhalten gegenüber den Städten davon leiten ließe, welcher Partei der jeweilige Oberbürgermeister angehört, würde ich meinen Amtseid und auch mein Selbstverständnis als Politiker schwerstens verletzen.
Ob es nun der Oberbürgermeister von Bayreuth ist, Herr Dr. Mronz, der der SPD angehört, oder ein parteiloser Bürgermeister oder ein Landrat aus den Reihen der SPD oder der Oberbürgermeister von München: Wir pflegen, durchaus im Interesse der Menschen in unserem Land, eine sachliche Zusammenarbeit.
Dass München und sein Umland in puncto Medien beispielsweise gegenüber Hamburg und Düsseldorf immer noch einen uneinholbaren Vorsprung haben und diesbezüglich sicherlich auch noch vor Berlin liegen, obwohl die wirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit Berlin stärker werden, dass wir diese Spitzenposition haben, ist darauf zurückzuführen, dass wir seinerzeit deutlich herausgestellt haben: Die technische Entwicklung wird zeigen, dass das Monopol bei den elektronischen Medien auf Dauer nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugestanden werden kann. Wenn es schon so ist, dann wollen wir, dass möglichst viele Firmen, die sich im Mediensektor etablieren, in Bayern zu Hause sind.
Dass Garching heute als Wissenschaftsstadt bezeichnet wird, ist nicht Ihr Verdienst, meine Damen und Herren von der SPD. Die Landeshauptstadt München ist nach wie vor gegen die Neutronenquelle, gegen die in fünf Jahren, wenn sie bis dahin gebaut sein sollte, keiner mehr gewesen sein will. Denn sie wird Ausgangspunkt für einen Campus sein, der den von Martinsried bei weitem übertreffen wird. Aber ohne unsere Entscheidung zur Vorfinanzierung des Projekts in Garching, ohne unseren Widerstand in diesem Hause, ohne den Widerstand gegenüber der SPD, ohne die Verhandlungen mit der Landeshauptstadt München wäre es nie so weit gekommen. Angesichts dessen ist es schon lustig, wenn Sie sich hier hinstellen, Herr Maget, und so tun, als wäre alles Mögliche ohne die Arbeit der Staatsregierung und ohne die CSU möglich gewesen. Dass wir heute in Martinsried ein Biotech-Zentrum haben, dass die Firma La Roche in Penzberg ein onkologisches Zentrum geschaffen hat, ist in erster Linie den politischen Entscheidungen zu verdanken, die diese Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion hier getroffen haben, nämlich ja zu sagen zur Bio- und Gentechnologie, als die Opposition
(Beifall bei der CSU – Glück (CSU): Herr Ministerpräsident, in fünf Jahren ist Herr Maget auch dafür! – Dr. Bernhard (CSU): Wie Herr Ude! Immer dasselbe!)