Protocol of the Session on October 18, 2000

Wir brauchen uns von einer Regionalpartei wirklich nicht belehren zu lassen, wie wir uns in Berlin zu verhalten haben.

(Herbert Müller (SPD): Sehr gut! – Hofmann (CSU): Der wird immer schlechter!)

Der Finanzminister redet sehr detailliert über Zahlen.

(Zuruf von der CSU: Der kennt sich aus!)

Das ist ein gutes Stichwort. Vor kurzem hat der Finanzminister hier den Haushalt eingebracht. Als wir Sozialdemokraten dem Finanzminister gesagt haben, er habe beim Finanzausgleich falsch gerechnet, hat er kein Wort darauf erwidert, weil er wirklich falsch gerechnet hatte. Im Haushalt des Freistaates Bayern sind für den Finanzausgleich 3,3 Milliarden DM enthalten, und wir Sozialdemokraten haben dies auf 4 Milliarden DM korrigiert. Kein Wort hierzu vom Finanzminister. Er wusste aber schon damals, dass er falsch gerechnet hatte und wollte nur einige Wochen später hier eine Schauveranstaltung machen.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten haben mit den anderen Ländern geredet und gefragt, wie sich der bayerische Finanzminister bei den Gesprächen verhält. Um bayerische Interessen zu vertreten, Herr Finanzminister, ist es zu wenig, nur drei Bundesländer ins Boot zu bekommen.

Lassen Sie mich noch etwas zur Geschichte Bayerns sagen. Der Freistaat Bayern hat einen enormen Aufschwung erlebt. Das hat er der Arbeit und der Leistung der Generationen der Nachkriegszeit bis in die siebziger und achtziger Jahre zu verdanken. Diesen Aufschwung haben die Bürgerinnen und Bürger in Bayern geschaffen, weil sie von den anderen Bundesländern solidarisch unterstützt worden sind. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass es ein echtes solidarisches Miteinander in der

Bundesrepublik Deutschland gab, wovon Bayern insgesamt profitiert hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Stahl?

Nein, ich fahre in meiner Rede fort. Bis zum Jahr 1993 haben wir vom Finanzausgleich profitiert. Dieses Faktum sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Erst als es Ihnen politisch ins Konzept passte, haben Sie den Länderfinanzausgleich thematisiert.

Interessant ist, dass die CSU jetzt auf einmal Anreize und Leistungen entdeckt. Seinerzeit war an den Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich auch der damalige Innenminister Stoiber beteiligt, wahrscheinlich auch Erwin Huber. Damals haben Sie die Anreize nicht entdeckt. Diese Kritik müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Sie von der CSU klagen, dass heute hohe Beträge abfließen. Das ist aber im Grunde genommen das Ergebnis der Politik, die die CSU-Staatsregierung über Jahre hinweg betrieben hat. Das war eine falsche Politik.

(Beifall bei der SPD)

Sind Sie jetzt bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?

Nein, ich mache weiter.

Ich habe bereits erwähnt, dass Sie nicht rechnen können. Warum ist das Ergebnis 1993/1994 so ausgefallen? Wer war denn damals in Bonn an der Regierung? Sie konnten damals kein ordentliches Konzept mit Ihrem ehemaligen Landesvorsitzenden und Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel erstellen, weil der ebenfalls nicht rechnen konnte und Ihnen falsche Zahlen vorgegeben hat. Wenn er Ihnen richtige Zahlen vorgelegt hätte, hätten Sie schon damals einen anderen Finanzausgleich gestaltet. Was Sie heute beklagen, ist Ihr Werk und Ihre Arbeit. Sie haben keine Anreize geschaffen, und deshalb ist es unredlich, was Sie jetzt machen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommen. Herr Minister, Sie tun so, als ob Sie einen Erfolg errungen hätten. Die Verantwortlichen in Ihrem Ministerium haben doch das Urteil gelesen, und ich weiß, dass Sie auch zwischen den Zeilen lesen können. Sie wissen doch, dass das Bundesverfassungsgericht nichts anderes bestätigt hat, als was schon im Gesetz steht. Sie hätten sich den ganzen Aufwand ersparen können. Wenn Sie rechtzeitig mit den anderen Ländern ordentlich verhandelt hätten, dann wäre wesentlich mehr für den Freistaat Bayern herausgekommen.

Sie sollten einmal die Stimmung in den anderen Bundesländern erleben. Auch bei den CDU-Ministerpräsidenten ist die Stimmung nicht gerade positiv. Die Bayerische Staatsregierung wird als oberlehrerhaft und rechthaberisch empfunden. Das kann aber nicht im Interesse Bay

erns sein. Mit solch einer Haltung vertritt man nicht die Interessen Bayerns, sondern das schafft Unfrieden unter den Ländern. Das aber wollen wir nicht.

Sie sprechen immer von den Nehmerländern. Zählen Sie doch einmal die Nehmerländer auf. Nordrhein-Westfalen und Hessen, das lange Zeit sozialdemokratisch geführt worden ist, waren immer Geberländer. Es gibt auch viele Nehmerländer, die heute von der CDU geführt werden. Sie müssten zunächst einmal mit diesen Ländern reden. Der saarländische Ministerpräsident Müller hat angekündigt, dass die saarländischen Eltern keine Kindergartengebühren mehr zu zahlen brauchten, weil das Saarland großzügigerweise diese Gebühren übernehme. Das zahlt das Saarland aber auch mit Unterstützung des Freistaates Bayern. Deshalb sollten Sie, Herr Finanzminister, erst einmal mit Ihren Kollegen von der CDU reden und diese zu einer ordentlichen Finanzpolitik bewegen. Aber die oberlehrerhafte Art ist der falsche Weg, meine Damen und Herren.

In der Geschichte des Finanzausgleichs haben wir Bayern lange Zeit profitiert. Die Bürgerinnen und Bürger des Freistaats haben Enormes geleistet. So sind wir Stückchen für Stückchen nach oben gekommen. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie haben bisher nicht dafür gesorgt, dass im Rahmen des Länderfinanzausgleichs Anreize geschaffen werden. Auch heute können Sie nicht sagen, wie die von Ihnen geforderten Veränderungen aussehen sollen. Herr Minister, Sie haben Anfang September erklärt, die Staatsregierung wolle einen 16 : 0-Finanzausgleich. Wenn Sie das wirklich wollen, müssen Sie sich anders geben als bisher, müssen Sie mehr als Vermittler fungieren, müssen Sie etwas mehr Verhandlungsgeschick zeigen. Dann kommt für den Freistaat Bayern mehr heraus, als es bislang der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Frau Kollegin Kellner das Wort.

(Herrmann (CSU): Das muss doch nicht sein!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Herrmann, es muss leider sein. Denn ich bin der Meinung, dass der Länderfinanzausgleich eine bessere Diskussion als die verdient hat, die in letzter Zeit hier geführt wird. Meine Damen und Herren von der CSU, entdeckt haben Sie den Länderfinanzausgleich, als Sie ein Wahlkampfthema brauchten. Ich sage Ihnen eines, Herr Huber, Herr Prof. Dr. Faltlhauser, Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Als bayerische Bürgerin bin ich froh, dass Nordrhein-Westfalen und Hessen in den Jahren von 1950 bis 1986 den Länderfinanzausgleich nicht so diskutiert haben, wie Sie es heute tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Denn es hätte Nordrhein-Westfalen und Hessen damals wohlfeil sein können, einfach zu sagen: Wir sind die Bes

ten. Wir sind Spitze. Sollen die Bayern doch schauen, wo sie bleiben. – So geht es nicht. Es kann doch nicht angehen, dass man auf Solidarität setzt, wenn man sie braucht, und sich dann, wenn man selbst gefordert ist, Solidarität zu üben, nicht nur aus der Verantwortung zurückzieht, sondern auch lautstark die anderen attackiert, sie könnten nichts, sie leisteten nichts – und das nur, weil wir heute zahlen sollen. Wissen Sie: Ich bin froh, dass es im Freistaat Bayern dank dem Fleiß seiner Bürgerinnen und Bürger und dank der Investitionsbereitschaft von Unternehmen

(Zurufe von der CSU: Und einer guten Politik!)

mit den Steuereinnahmen so gut funktioniert. Herr Huber, ich bin froh, dass wir nicht auf Ihre Politik angewiesen sind. Es ist der Fleiß der Bürgerinnen und Bürger, der die Steuereinnahmen bringt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe von der CSU)

Ich sage Ihnen noch eines: Hier herrschen gute Rahmenbedingungen. Das hat nicht nur mit Politik, sondern auch mit unserer geographischen Lage zu tun.

(Lachen bei Abgeordneten der CSU)

Herr Huber, jetzt nehme ich Sie beim Wort. Schon häufig haben wir über Medien- und über Filmförderung gesprochen. Sie selbst sagen, dass gerade Unternehmen dieser Branchen sich gerne hier ansiedelten. Doch das hat nichts mit der Förderung zu tun; die ausgereichten Gelder werden von den Firmen natürlich gerne entgegengenommen. Doch dass sie sich gerne hier ansiedeln, hat auch mit dem Standort selbst zu tun. Warum sich in Bayern heutzutage mehr Unternehmen ansiedeln als früher, hat auch mit dem Strukturwandel zu tun.

(Zurufe von der CSU)

Sie tun immer so, als käme alles Gute in Bayern von der CSU.

(Lebhafter Beifall von der CSU – Hofmann (CSU): Endlich haben Sie es geschnallt! Wahnsinn! – Weitere Zurufe von der CSU)

Das würde Ihnen so passen. Doch wenn e.on seine Kraftwerke stilllegt,

(Zurufe von der CSU: Das hat mit der Bundesregie- rung zu tun!)

weil Sie es nicht abwarten konnten, Ihre Viag-Anteile zu verkaufen, wollen Sie von Verantwortung nichts wissen. So kann man es nicht machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte hier einige Zahlen nennen, weil hier immer anklingt, die anderen leisteten nichts, Bayern, das etwas aus dem Länderfinanzausgleich erhalten habe, habe

sich hochgearbeitet, während es die anderen zu nichts gebracht hätten. Schauen wir uns doch einmal das sehr kleine Bremen an. Bremen hatte und hat einen erheblichen Strukturwandel zu bewältigen. Sie wissen um die Schwierigkeiten der Werftenindustrie usw. Doch das kleine Bremen, das im Jahr 1996 noch 800 Millionen DM aus dem Finanzausgleich erhalten hat, hat sich hochgearbeitet und 1997 nur noch – –

(Zuruf von der CSU: Unter Regierungsbeteiligung der CDU!)

Wie hat es Ihnen der CDUler aus Bremen im Bundesrat gedankt? Dem war das eigene Hemd näher als Ihr Rock, meine Damen und Herren von der Staatsregierung. Herr Huber saß fast unter dem Tisch, so erledigt war er nach jener Niederlage im Bundesrat.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Am 18. Juli war das. Herr Huber, das vergesse ich nie. Denn am 14. Juli hatten wir GRÜNE hier im Plenum einen Kompromissantrag gestellt und die CSU-Fraktion darum gebeten, auf diese Linie einzuschwenken. Doch wollten Sie nicht hören. Sie wollten auf den Tisch hauen. Doch am Schluss sind Sie unter dem Tisch gelandet, Herr Huber.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie bei den Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich so weitermachen, wird es Ihnen dort ähnlich ergehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)