Die 380 Millionen DM, die angegeben worden sind, beruhen auf der Berechnungsgrundlage der jetzigen Beschäftigungsquote. Selbst wenn die Beschäftigungsquote in den zwei Jahren verbessert wird und die angepeilte Anzahl von 50000 Personen, die in Beschäftigung zu bringen sind, erfüllt wird, hätten wir noch Mehreinnahmen. Wie gesagt, hier wird kein Zentralismus betrieben, sondern die Maßnahmen werden auf die Region verlagert.
Die Lieblingsbehauptung von Frau Stamm, dass sich der Bund aus der Werkstättenförderung zurückziehe, trifft nicht zu. Ich weiß auch nicht, wie Sie auf die 35 Millionen DM kommen, die der Freistaat angeblich nicht mehr bekommt. In keiner Zeile des Gesetzes steht etwas davon, dass sich der Bund aus der Werkstättenförderung zurückziehen will. Warum sollte er das auch tun? Sie wissen offensichtlich nicht mehr, dass es in den Siebzigerjahren die sozialdemokratisch geführte Regierung war, die die Werkstättenförderung überhaupt erst auf den Weg gebracht hat. Das ist ein ursozialdemokratisches Anliegen. Ich frage mich, wie kommen Sie auf die Idee, das ständig weiter zu behaupten und alle zu verunsichern. Wie gesagt: Die Förderung bleibt.
Die Förderung bleibt. Das sind keine Luftschlösser, sondern das ist ein gezieltes Gesetz. Wir wollen in zwei Jahren 50000 Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt eingliedern. Das ist machbar. Nach zwei Jahren muss Bericht erstattet werden, nach zwei Jahren wird überprüft, ob man dem Anspruch gerecht geworden ist.
Aber was passiert? Zu der Werkstättenförderung und dem Gesetz gab es im Mai eine Beratung im sozialpoliti
schen Ausschuss des Bundesrats. Außerdem gab es im Mai eine Sitzung des Beirats für die Rehabilitation Behinderter. Dort wurde die Tatsache, dass sich der Bund nicht aus der Werkstättenförderung zurückzieht, noch einmal vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung deutlich gemacht. Ich glaube, ich kann es nicht oft genug sagen: Die Vertreter Bayerns waren dabei. Ich weiß nicht, warum das beim Ministerium und bei der Fraktion nicht angekommen ist. Ich finde, das ist ein klarer Fall von Fundamentalopposition. Sie wollen einfach die Tatsachen nicht wahrhaben.
Der Freistaat Bayern steht in der Pflicht, seine Hausaufgaben betreffend die Beschäftigungsquote zu machen. Wir haben darüber vorhin bei der Diskussion des Antrags gesprochen. In Bayern gibt es über 19000 behinderte Menschen, die eine Beschäftigung suchen. Wir wissen, dass wir die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt brauchen, wir wissen aber auch, dass wir Werkstätten und Wohnheime brauchen. Dem tragen wir mit dem Gesetz und der Förderung Rechnung.
Schwerpunkt des Gesetzes ist dabei das, was Sie 16 Jahre lang auf Bundesebene und auf bayerischer Ebene versäumt haben, nämlich die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Sie sollten endlich damit aufhören, durch falsche Behauptungen Menschen mit Behinderung gegeneinander auszuspielen. Machen Sie vor Ort Ihre Hausaufgaben; das ist wesentlich vernünftiger. Manchmal kommt es mir so vor, als ob Sie die unwahren Behauptungen deshalb ständig weiter verbreiten, weil Sie eine gute Idee ablehnen, nur weil Sie nicht von Ihnen ist.
Die Defizite, die es in Bayern gibt, gehören abgebaut. Dazu dient das Bundesgesetz. Hören Sie bitte endlich damit auf, falsche Behauptungen in den Raum zu stellen. Das dient nicht den Menschen, die unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen. Das dient nicht den Menschen mit Behinderung hier in Bayern.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im Interesse der betroffenen behinderten Menschen darf ich den Kleinkrieg, den Sie, Frau Steiger, angezettelt haben, beenden und zur Aufklärung ein paar Daten und Fakten nennen. Es geht nicht um Opposition um jeden Preis – wir wollen uns hier nicht streiten, damit gestritten ist –, sondern es geht um die Interessen der betroffenen Behinderten.
Ich bin gern bereit, jede Zwischenfrage zu beantworten, aber lassen Sie mich zunächst ein paar Bemerkungen machen.
Die Bundesregierung will mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter die Arbeits
losigkeit bis zum Oktober 2002 um 50000, also um 25%, senken und eine nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungssituation bewirken.
Wir begrüßen die Ziele des Gesetzesvorhabens. Wir halten das zunächst für einen richtigen Ansatz, keine Frage. Aber wir haben auch grundlegende Bedenken, die ich in wenigen Sätzen erläutern darf. Wir stellen die Behauptung in Frage, dass die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter dadurch spürbar vermindert werden kann, dass vor allem große Arbeitgeber mit der Absenkung der Pflichtquote von 6% auf 5% entlastet werden und viele mittlere und kleinere Betriebe mit der neuen Staffelung der Ausgleichsabgabe von 200 DM über 350 DM auf 500 DM pro Monat und unbesetztem Pflichtplatz zum Teil drastisch belastet werden. Bei einem großen Betrieb ist das wesentlich einfacher als bei einem kleinen Betrieb. Das weiß jeder, der sich mit dieser Problematik beschäftigt. Im Übrigen muss man wissen, dass die Beschäftigungsquote von 5% bei den Großbetrieben beinahe erfüllt wird. Sie liegt bei 4,7%, während die Situation bei mittelständischen Betrieben wesentlich schwieriger ist.
Frau Kollegin Steiger, Sie haben unsere angeblich zentralistische Politik kritisiert. Wir sehen durchaus eine gewisse einseitige Verlagerung auf die Arbeitsverwaltung, soweit es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze geht. Umgekehrt darf ich sagen, dass das Thema der Vermeidung von Entlassungen Schwerbehinderter genauso wichtig ist. Die Hauptfürsorgestellen sind auch dazu da, die Arbeitsverhältnisse zu sichern. Frau Kollegin Steiger, ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn Sie heute gesagt hätten: Wir wollen keinen Zentralismus; wir wollen, dass das Problem unmittelbar vor Ort in den Ländern gelöst wird. Wenn der Bund erklärt hätte, er führt eine neue Verteilung bei der Ausgleichsabgabe durch und gibt den Ländern sofort mehr Geld, weil diese die Situation vor Ort am besten beurteilen können, dann wäre mir das wesentlich lieber gewesen.
Dieses Totschlagargument höre ich seit heute früh, und ich bin immerhin seit 9 Uhr im Parlament. Warum kommt jetzt nicht der Vorschlag, den Ländern mehr Geld für die Ausgleichsabgabe zu überlassen? Ich hielte das für richtig und sinnvoll. Unsere Hauptfürsorgestellen können dieses Geld sehr gut gebrauchen.
Sie fragen, warum gibt es diesen ganzen Ärger. Ich darf kurz vortragen: Wie soll das Geld für die Finanzierung der Integration der 50000 Behinderten aufgebracht werden?
Das Bundesarbeitsministerium hat im März diesen Jahres angekündigt, aus der Förderung von Werkstätten für Behinderte mindestens bis zum Jahr 2004 auszusteigen
und allenfalls dringliche Einzelprojekte zu unterstützen. Unruhe ist nicht nur bei der Bayerischen Staatsregierung entstanden – bedauerlicherweise nehmen Sie diese Unruhe meistens nicht ernst, Frau Kollegin Steiger –, sondern auch bei den Verbänden und Organisationen, die sagten: „Vorsicht, Vorsicht, hier kommt es zu einer Beschneidung der Fördersituation, wir müssen darauf reagieren!“ Bedenken dieser Art sind von den Interessenvertretern der Behinderten an uns herangetragen worden; das haben wir nicht erfunden. Der bessere Weg wäre gewesen, wenn Sie gesagt hätten: „Nein, wir geben den Ländern noch mehr Beweglichkeit, noch mehr Freiheiten.“ Das hätten wir für richtig gehalten.
Ich darf noch eine Rechnung aufmachen, weil Sie, Frau Kollegin Steiger, bezweifelt haben, dass sich 350 Millionen DM bundesweit und 35 Millionen DM auf Seiten des Freistaats Bayern ergeben. Noch Anfang Mai hat uns das Bundesarbeitsministerium davon unterrichtet, dass die bis Ende 1999 beschlossenen Förderprojekte das liquide Vermögen des Bundesausgleichsfonds um 130 Millionen DM übersteigen und deshalb die schon im Jahre 1999 beschlossenen Projekte frühestens ab dem Jahr 2001 gefördert werden.
Warum ist das so? Die vorgesehene Neuregelung der Ausgleichsabgabe und die damit vom Bund erwarteten höheren Einnahmen werden nämlich erst ab dem Jahre 2002 einnahmewirksam. Für das Jahr 2000 zahlen die Arbeitgeber im Jahr 2001 noch nach geltendem Recht, so dass der Ausgleichsfonds beim Bundesarbeitsministerium im Jahr 2001 nicht mehr als höchstens 450 Millionen DM einnehmen wird. Davon muss der Bundesanstalt für Arbeit aber nicht wie bisher ein Höchstbetrag von 250 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, sondern ein Betrag von 350 Millionen DM für die Einstellungsförderung, 50 Millionen DM für die von Ihnen genannten neuen Integrationsfachdienste und weitere 10 Millionen DM für die neuen Integrationsprojekte. Das heißt – summa summarum – 350 Millionen DM plus 50 Millionen DM plus 10 Millionen DM ergeben 410 Millionen DM. Somit bleiben bei Einnahmen von 450 Millionen DM nach Adam Riese noch 40 Millionen DM übrig. Damit kann der Bund keine neuen Projekte in der entsprechenden Größenordnung finanzieren.
Darin liegt letztlich die Problematik; deswegen hat es Diskussionen gegeben. Die Behauptung, die Bayerische Staatsregierung hätte unseriös gehandelt, weise ich nachdrücklich zurück. Wenn der Bundesarbeitsminister sagen sollte: „Alles geht so weiter, wir stellen 35 Millionen DM nicht für unsere Projekte in der Arbeitsverwaltung zurück, sondern sie stehen weiterhin dem Freistaat Bayern zur Verfügung“, wäre die Sache in bester Ordnung. Wir werden sehen, ob das Geld kommt. Wenn es auf dem Konto eingeht, ist das bestens. Dann nehme ich alles zurück. Die Widerstände der Bayerischen Staatsregierung, der betroffenen Verbände und Organisationen hätten sich gelohnt.
Herr Staatssekretär, war es seriös, dass Sie in Hof bei der WfB gestern erklärt haben, wie ich meiner Heimatzeitung entnehme, die WfB habe finanzielle Sorgen, weil Sie 1999 nicht in die Förderung gekommen sei – klar, denn die Bayerische Staatsregierung hat das Projekt 1999 nicht nach Berlin gemeldet -. Sie haben im Übrigen geäußert, zuerst müsse der Bund finanzieren, dann könne das Land nachziehen. Wie soll aber der Bund finanzieren, wenn Sie das Projekt 1999 überhaupt nicht angemeldet hatten und es bei der Anmeldung im Juni 2000 auch an der Priorität fehlt?
Wir haben die Projekte vorgeprüft, in eine Prioritätenliste aufgenommen und dem Reha-Beirat zugeleitet, wo sie, im Vorfeld bereits abgesprochen, einvernehmlich behandelt worden sind. Probleme gab es nicht. Das ist mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen des Freistaats, aber auch mit den finanziellen Ressourcen des Bundes bestens gelaufen. Wäre die Diskussion nicht vom Bund begonnen worden, hätten wir mit keinen Problemen zu kämpfen. Wenn Frau Kollegin Steiger fragt: „Warum habt ihr jetzt plötzlich noch schnell alle Projekte, die auf dem Tisch lagen, nach Berlin gemeldet?“, kann ich nur sagen, dass unsere Überlegung im Interesse der Behinderten war: Wenn der Bund plötzlich eine Stichtagsregelung einführt, weil ihm nach Adam Riese nur noch 40 Millionen DM zur Verfügung stehen, und er dieses und jenes Projekt nicht mehr fördern kann, weil es ihm nicht vorliegt, müssen wir eben vorsorglich vorlegen. Ich möchte mir Ihre Vorwürfe nicht anhören, wenn es geheissen hätte: „Der Bund macht eine Stichtagsregelung, und der Freistaat Bayern hat es versäumt, die Anträge vorsorglich nach Berlin zu geben.“
In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob der Bund bereit ist, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir hielten es für richtig, dass die Förderung von Werkstätten und Wohnheimen im Interesse der betroffenen behinderten Menschen fortgesetzt wird. Ich hoffe, dass sich der Bund in dieser Frage noch einmal besinnt.
Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt auf Drucksache 14/3977 die unveränderte Annahme. Wer dem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dem Dringlichkeitsantrag ist damit zugestimmt worden.
Ich gebe noch die Ergebnisse der vorhin durchgeführten Wahlen bekannt. Das war Tagesordnungspunkt 18. Erster Wahlgang: Wahl des zweiten Vertreters der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Wahlvorschlag Prof. Dr. Reinhard Böttcher. An der Wahl haben 168 Abgeordnete teilgenommen. Kein Stimmzettel war ungültig. Auf Herrn Dr. Böttcher entfielen 102 Stimmen, mit Nein stimmten 62 Abgeordnete, ihrer Stimme enthalten haben sich vier Abgeordnete.
Neuwahl zweier berufsrichterlicher Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs. Wahlvorschlag Dr. Ursula Lewenton, Gegenkandidat Guido Kotschy. An der Wahl haben 168 Abgeordnete teilgenommen. Davon war ein Stimmzettel ungültig. Es entfielen auf Frau Dr. Lewenton 95 Stimmen, für Herrn Kotschy stimmten 70 Abgeordnete. Beide Kandidaten abgelehnt hat ein Abgeordneter. Seiner Stimme enthalten hat sich ebenfalls ein Abgeordneter.
Wahlvorschlag Dr. Heinrich Merl. An der Wahl haben 168 Abgeordnete teilgenommen. Kein Stimmzettel war ungültig. Auf Herrn Dr. Merl entfielen 152 Stimmen. Mit Nein stimmten 12 Abgeordnete, ihrer Stimme enthalten haben sich vier Abgeordnete.
Dritter Wahlgang. Wiederwahl zweier berufsrichterlicher Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs. Wahlvorschlag Werner Stadler. An der Wahl haben 168 Abgeordnete teilgenommen. Kein Stimmzettel war ungültig. Auf Herrn Stadler entfielen 151 Stimmen, mit Nein stimmten zehn Abgeordnete, ihrer Stimme enthalten haben sich sieben Abgeordnete.
Wahlvorschlag Dr. Erwin Pongratz. An dieser Wahl haben 167 Abgeordnete teilgenommen. Kein Stimmzettel war ungültig. Auf Herrn Dr. Pongratz entfielen 153 Stimmen. Mit nein stimmten 13 Abgeordnete, seiner Stimme enthalten hat sich ein Abgeordneter.
Ich stelle fest, dass der Bayerische Landtag Herrn Prof. Dr. Reinhard Böttcher zum zweiten Vertreter der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und Frau Dr. Ursula Lewenton sowie die Herren Dr. Heinrich Merl, Werner Stadler und Dr. Erwin Pongratz zu berufsrichterlichen Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs gewählt hat.
Außerhalb der Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Anträge mit den Drucksachennummern 14/292, 1979, 2428, 2460, 2512, 3145, 3285, 3547, 3548 und 3859 ihre Erledigung gefunden haben. Das Hohe Haus nimmt hiervon Kenntnis.