Protocol of the Session on April 13, 2000

Wir müssen jedoch endlich einmal aufhören, alle jungen Menschen danach zu beurteilen, ob sie ein Abitur haben. Nicht nur Abiturienten bringen Fähigkeiten und die erforderlichen Qualifikationen für die Zukunft mit. Wir werden in Zukunft nicht vorrangig Akademiker benötigen, sondern Facharbeiter und Fachleute, die in der Lage sind, in den modernen Berufen und als Facharbeiter ihre Fähigkeiten und Qualitäten einzubringen. Diese Fachleute werden nicht nur Akademiker sein.

(Beifall bei der CSU)

In diesem Zusammenhang möchte ich einmal auf die innere Schulentwicklung eingehen. Frau Kollegin Münzel, es freut mich, dass Ihnen die zwölf Augsburger Thesen zur inneren Schulentwicklung so gut gefallen haben, dass Sie sie nachformulieren. Ich möchte nur ein paar Punkte herausgreifen. Zunächst das Thema „Lehrpläne“. Natürlich brauchen wir qualifizierte Lehrpläne. Sehen wir uns einmal an, wie die TIMSS-Studie verlaufen ist. Sie kritisieren unser Schulwesen und wollen es vom Kopf auf die Füße stellen. Sie werden das nicht

schaffen, weil unser Schulwesen mit beiden Beinen auf dem Boden steht und in vielen Bereichen erfolgreich und innovativ arbeitet. Sie sollten es deshalb nicht ununterbrochen niederreden. Unsere Schulen brauchen Unterstützung und Ansehen. Deshalb sollte man auch sie nicht dauernd niederreden.

(Beifall bei der CSU)

Ich stelle fest, die Schulen der Länder, in denen Sie Verantwortung tragen, liegen sowohl in der Mittel– als auch in der Oberstufe zwei Jahre hinter den Schulen von Bayern und Baden-Württemberg zurück. Das Schulwesen, das Sie kritisieren, ist also fachlich und qualitativ sichtlich besser als das Schulwesen, das in den von Ihnen regierten Ländern existiert. Im Gegensatz zu Ihnen geben wir uns jedoch nicht zufrieden. Wir klopfen uns nicht auf die Schultern und behaupten, dass wir die Tollsten und Besten seien.

(Dr. Bernhard (CSU): Obwohl wir es sind!)

Wir entwickeln uns weiter, weil wir an der Spitze Deutschlands bleiben wollen. Ausserdem wollen wir international an die Spitze im Bildungswesen gelangen.

(Beifall bei der CSU)

Natürlich kann man das eine oder andere hinterfragen, wie dies bei der TIMSS-Studie der Fall gewesen ist. Einige Länder haben zur TIMSS-Studie nur Schüler aus spezifischen Förderschulen für Mathematik antreten lassen. Deshalb sind gewisse Kriterien dieser Studie zu hinterfragen.

Die innere Schulreform ist etwas sehr wesentliches. Wir werden diesen Weg, wonach die Schulen die innere Schulreform und ihre Entwicklung gestalten, weiterverfolgen. Die Staatsregierung wird analog dazu Lehrpläne verändern, mehr Frei– und Gestaltungsräume schaffen, die Verwaltung verändern usw. Dabei spielen die Gutachten nicht die allein entscheidende Rolle. Entscheidend ist die Qualität des bayerischen Schulwesens. Wir werden die Verwaltung so verändern, wie es anhand der inneren Schulentwicklung für unsere Schulen notwendig ist.

(Beifall bei der CSU)

Im Rahmen einer Umfrage wurden Lehrern Lehrpläne aus den verschiedenen deutschen Ländern vorgelegt. Fast alle Lehrer haben sich für die bayerischen Lehrpläne entschieden. Diese Lehrpläne scheinen also gar nicht so schlecht zu sein. Schauen Sie sich einmal den modernen Hauptschullehrplan an.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Der ist doch in Ordnung!)

In diesem Hauptschullehrplan steht, dass die Lehrer vor dem Hintergrund ihrer eigenen Entscheidung, ihrer Verantwortung und ihrer Schule die Möglichkeit haben, den Lehrplan so auszuprägen, wie sie das für richtig halten. Wenn sie es für richtig und notwendig halten, können sie auch Lehrplaninhalte auslassen. Dies wird mit dem Lehr

plan nicht nur erlaubt, sondern die Lehrer werden sogar aufgefordert, dies zu tun. Aus diesem Grunde halte ich verschiedene Einlassungen, dass alle Lehrpläne total starr seien, für falsch. Bei den Gymnasiallehrplänen wird sicherlich manche Detailfreudigkeit herausgenommen werden. Der Trend geht in Richtung eines strukturierten Wissensaufbaus. Soziale Kompetenzen allein reichen nicht aus. Eine Schule kann sich nicht nur aus Sozialkompetenz zusammensetzen. Wir brauchen eine sinnvolle Kombination, die sich an den bayerischen Schulen sehr gut erreichen lässt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Irlinger?

Bitte schön.

Frau Staatsministerin, Sie haben erwähnt, dass die Hauptschullehrpläne Möglichkeiten zur Gestaltungsfreiheit geben. Ich erkenne das an. Ich möchte Sie fragen, ob Sie anerkennen, dass die Umsetzung dieser Kriterien für die Hauptschullehrkräfte furchtbar schwierig ist, weil mit dem neuen Lehrplan gleichzeitig 14 Wochenstunden innerhalb von fünf Schuljahren gestrichen wurden.

Diese Frage ist schon deshalb falsch, weil der neue Lehrplan auf die neue Stundentafel ausgerichtet wurde. Das sollten Sie eigentlich wissen.

(Willi Müller (CSU): Der ist doch nicht auf der Höhe der Zeit! – Zuruf von der CSU: Das ist das kleine Einmaleins!)

Frau Kollegin Münzel, für mich ist es wichtig, dass Schulen mehr Eigenverantwortung übernehmen können. Allerdings halte ich das Gerede für falsch, Mitspracherechte und die bloße Demokratisierung förderten die Qualität der Schulen. Die Qualität der Schule wird durch konkrete innere oder äussere Evaluationen, durch Schulentwicklungsprozesse, durch Lehrerfortbildungsmassnahmen, durch Unterrichtsqualitätsmassnahmen, durch die Veränderung der Unterrichtsmethoden usw. erreicht. Wer in Augsburg war und gesehen hat, wie viele Initiativen von unseren Schulen ausgehen, kann nicht behaupten, dass im bayerischen Schulwesen in den letzten dreißig Jahren keine Veränderungen stattgefunden hätten.

Ich möchte die Opposition bitten, in der Öffentlichkeit über unsere Schulen und deren Arbeit positiv zu sprechen, auch wenn dies nicht ins politische Konzept passen sollte. Wir sollten nicht nur die einzelnen negativen Aspekte betrachten, weil dies dazu führen würde, dass in der Öffentlichkeit nur noch über diese Aspekte geredet würde. Wir dürfen nicht nach dem Motto handeln: „Only bad news are good news“. Wir brauchen für unsere Schulen eine gesellschaftliche Unterstützung. Auf dem Augsburger Kongress habe ich gesagt, dass die Schulen bei ihrer Entwicklung selbst beginnen müssen. Dies

muss ein schrittweiser Prozess sein. Man kann Schulen nicht vorschreiben, dass sie künftig anders sein müssen, als sie in der Vergangenheit waren.

Die Schulen müssen die Chance haben, sich zu entwickeln. Dies ist ein schrittweiser Prozess. Jede Schule wird ihn an einem anderen Punkt beginnen. Dies muss auch möglich sein. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir keine zentralen Vorgaben machen, wo die Schulen anzufangen haben und wohin sie sich entwickeln müssen. Allerdings muss jede Schule mit diesem Prozess beginnen. Ich halte das für notwendig und wichtig. In Augsburg haben wir gesehen, dass es eine Initialzündung gibt. Wir werden sieben weitere Bezirkskongresse durchführen.

Die innere Schulentwicklung erfordert jedoch auch sinnvolle Zentralvorgaben, die wir benötigen, um bestimmte inhaltliche Qualifikationsstandards zu halten. Das Zentralabitur und die zentrale Prüfung zur Mittleren Reife und zum Quali sind für die Qualität des bayerischen Schulwesens außerordentlich wichtige Aspekte.

(Beifall bei der CSU)

Damit komme ich zum Ende. Ich glaube nicht, dass die bayerischen Schulen vom Kopf auf den Fuß gestellt werden müssen. Sie stehen auf beiden Beinen und werden sich gut weiterentwickeln.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Bevor ich über den Regierungsentwurf abstimmen lasse, stelle ich den Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, das ist der Tagesordnungspunkt 3, zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 14/1386 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt auf Drucksache 14/3355 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der CSU und der Abgeordnete Hartenstein (fraktionslos). Stimmenthaltungen? – Keine. Der Gesetzentwurf ist damit abgelehnt.

Ich lasse über den Tagesordnungspunkt 2 abstimmen. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/1361 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport auf der Drucksache 14/3357 zugrunde.

(Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr unruhig. Ich bitte Sie, sich während der Abstimmung auf den Inhalt des Gesetzentwurfs zu konzentrieren.

Der federführende Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung dieser Beschlussempfehlung zu, allerdings mit der Maßgabe weiterer Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 14/3357. Die Staatsregierung hat gebeten, bei der Abstimmung noch folgende Änderung in § 2 Nummer 3 Buchstabe b) zu berücksichtigen. Danach soll im neu angefügten Halbsatz des Artikels 10 Absatz 4 Satz 1 des Schulfinanzierungsgesetzes das Wort „Kostensatzes“ durch das Wort „Kostenersatzes“ ersetzt werden.

(Allgemeine Unruhe)

Ich bitte Herrn Kollegen Sprinkart, sein Gespräch vor dem Parlamentssaal zu führen.

(Zuruf)

Dann muss er das Gespräch einstellen.

(Dr. Kaiser (SPD): Wie ist das mit der Regierungsbank? – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bitte die Kollegen und Kolleginnen, die Plätze einzunehmen.

(Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze ein)

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen unter Berücksichtigung dieser Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CSU und der Abgeordnete Hartenstein (fraktionslos). Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Keine. So beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Diese soll, wie in unserer Geschäftsordnung vorgesehen, in namentlicher Form stattfinden.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in Richtung Regierungsbank: Auf den Plätzen bleiben! – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit)

Zur Abstimmung steht der Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen unter Berücksichtigung der von mir vorgetragenen Änderungen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne steht auf der Seite der CSUFraktion, die Nein-Urne auf der Seite der Opposition im Bereich der Eingangstüre. Die Enthaltung-Urne steht auf dem Stenografentisch. Nun, meine Kollegen, kann mit der Abstimmung begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 12.14 Uhr bis 12.19 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Ich bitte die Kollegen und Kolleginnen, Platz zu nehmen.

Ich rufe auf: