Protocol of the Session on February 1, 2000

Erstens. Es ist ein einmaliges Ereignis, dass gleichzeitig drei Volksbegehren mit den aberwitzigsten Begründungen nicht zugelassen werden. Das werden wir später noch diskutieren. Sie hätten die Möglichkeit gehabt – das hat die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Bayerischen Senat ausdrücklich zugelassen, jedenfalls nicht ausgeschlossen –, einen Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Verfassung vorzulegen, der die Quorumsfreiheit wieder herstellt und auch bei Verfassungsänderungen zulässt. Lesen Sie auf Seite 67 nach, dort ist das ausgeführt. Sie sollten sich nicht klammheimlich hinter der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verstecken, sondern Sie sollen klar sagen, dass Sie das politisch nicht wollen; denn dann könnten wir politisch darüber streiten.

Zweiter Punkt: Sie sagen, ein solches Quorum wäre der Volksgesetzgebung nicht hinderlich. Sie wissen doch, wie oft die Verfassung durch Volksentscheid geändert worden ist, sei es durch Volksbegehren oder mittelbar durch Volksbegehren angeregt. In 54 Jahren gab es neun solcher Gelegenheiten. Was hätten wir nicht, wenn es das 25prozentige Quorum gegeben hätte? – Wir hätten 1973 die Rundfunkfreiheit nicht in die Bayerische Verfassung schreiben können – sie erreichte gerade einmal 20,04% Zustimmung der Zustimmungsberechtigten. Wir hätten die Verankerung des kommunalen Bürgerentscheids nicht in der Bayerischen Verfassung – sie erreichte 1995 21,18%. Wir hätten nicht die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre, der in der Gesellschaft entsprechende Anstöße vorausgegangen sind – 1970 gab es gerade einmal 20,81%. Zu sagen, das Quorum würde der Wirkungskraft von Volksbegehren nicht schaden, bedarf einer sehr großen Tatsachenblindheit.

Dritter Punkt: Frau Tausendfreund fragte, warum die SPD den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht unterstütze. Ich war ebenso wie Sie an den Vorgesprächen und Vorüberlegungen beteiligt. Wir unterstützen den Gesetzentwurf als Volksbegehren primär aus dem taktischen Grund nicht, weil dann die CSU beim Gelingen eines Volksbegehrens mit einfacher Mehrheit einen Alternativentwurf zur Änderung der Verfassung vorlegen könnte, in dem sehr, sehr schlimme Sachen stehen würden, die unter Umständen dazu führen könnten, dass die von Wilhelm Hoegner erarbeitete Verfassung noch mehr verschlechtert wird, als dies bis jetzt der Bayerische Verfassungsgerichtshof fertig gebracht hat. Außerdem sind wir der Meinung, dass Sie in einigen Sachpunkten zu weit gehen. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, die Verfassung zu ändern, um auch für Verfassungsänderungen die Quorumsfreiheit wieder herzustellen. Das würde die Bevölkerung verstehen. Dazu haben wir bereits Vorleistungen erbracht und Gesetzentwürfe eingebracht. Hier gibt es keine Schwierigkeiten.

Insgesamt ist das, was Minister Beckstein vor hat und die CSU unterstützen wird, etwas, was ich mir in Bayern nicht vorstellen konnte. Sonst sagen Sie immer, Bayern sei ganz vorne. Nun sollen wir bei der Volksgesetzgebung aus dem vorderen Bereich zurückgestuft werden. Außerdem wollen Sie ein Mittel, das dem Volk nach der Verfassung gleichberechtigt zusteht, stumpf machen, weil Sie in den letzten Jahren einige ganz schlimme Niederlagen durch das Volk erlitten haben. Das hat Ihren Alleinanspruch auf die Macht gestört. Die Hintergründe werden wir bei den weiteren Gesetzesberatungen verdeutlichen. Innerhalb von fünf Minuten ist das nicht möglich.

Ich lege Wert darauf, noch einmal zu sagen: Für uns ist es der zentrale Punkt, dem Volk zu ermöglichen, dass es das Wahlalter herabsetzen kann, dass es die Rundfunkfreiheit herbeiführen kann und dass es gegen den lang anhaltenden, jahrzehntelangen Widerstand der CSU den Bürgerentscheid verankern kann. Alles steht in einem seltsamen Widerspruch zu den nachdenklichen Erklärungen des leider nicht anwesenden CSU-Fraktionsvorsitzenden Alois Glück, der bei jeder Gelegenheit sagt, dass die Bürgermitwirkung und die Bürgergesell

schaft gestärkt werden müssten. Wenn die Bürgerstärkung dann wirklich einmal Hand und Fuß annehmen soll, kommt sofort das „Njet“. Das zeigt die Zwiespältigkeit und die gewisse Verlogenheit der CSU in dieser Angelegenheit.

Als nächster Redner hat Herr Kollege Kreuzer das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus! Wie ernst Volksentscheid und Volksgesetzgebung von Rot-Grün genommen wird, zeigt folgendes Beispiel: Ich bin ein Befürworter der Initiativen und kann mir auch die Diskussion auf Bundesebene vorstellen. SPD und GRÜNE haben das Thema so lange andiskutiert und die Einführung gefordert, bis sie an die Regierung gekommen sind. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gestartet war, haben Sie das Thema auf Bundesebene, wo Sie es ankurbeln könnten, begraben. Das ist die Wahrheit. Man hört und sieht von dieser Initiative nichts mehr.

(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist noch lange nicht begraben!)

Volksgesetzgebung kann nur zu Themen erfolgen, die für eine Mehrheit der Bevölkerung von Interesse sind und von Mehrheiten getragen werden. Sie ist kein Instrument von Minderheiten. Dies muss bei der Ausgestaltung der rechtlichen Fundamente berücksichtigt werden. Wer etwas anderes will, etwa die Fraktion der GRÜNEN mit ihrem Gesetzentwurf, der will nicht die Macht des Volkes stärken, sondern ständig mit Hilfe eines kleinen Teils der Bevölkerung die parlamentarischen Mehrheiten auf den Kopf stellen, die im Rahmen demokratischer Wahlen festgestellt werden. Das ist das Ziel.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CSU)

Um es krass auszudrücken: Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie wollen nicht mehr Bürgerrechte für unsere Bevölkerung, sondern mehr Rechte für diejenigen, die bei Parlamentswahlen verloren haben.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CSU)

Dieser Weg ist mit uns nicht zu gehen. Im Übrigen ist Ihr Gesetzentwurf meines Erachtens klar verfassungswidrig. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie wollen die Eintragungsquote auf fünf Prozent der Abstimmungsberechtigten senken, die Eintragungsfristen verdoppeln und die freie Unterschriftensammlung fördern; aber ein Zustimmungsquorum wollen sie nicht. Folgte man Ihren Vorstellungen, könnten am Ende kleinste Minderheiten selbst die Verfassung ändern. Dies wäre dem Text und dem Ziel der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom letzten Jahr diametral entgegengesetzt. Das wissen Sie. Damit produzierten Sie verfassungswidriges Verfassungsrecht. Zudem wollen Sie akzeptieren, dass per Volksgesetzgebung Gesetze mit Auswirkungen auf den Haushalt beschlossen werden können. Damit würde dem Parlament die Verantwortung

für das Budget völlig aus der Hand genommen. Dazu darf es nicht kommen.

Wir können dem vorliegenden Gesetzentwurf der GRÜNEN keinesfalls zustimmen. Wir begrüßen dagegen den Gesetzentwurf der Staatsregierung. Die darin vorgesehenen Regelungen dienen dem Vollzug der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die wir auch politisch für vernünftig halten, Herr Dr. Hahnzog. Es darf nicht sein, dass kleinste Minderheiten Verfassungen ändern können. Deshalb ist das im Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgesehene Zustimmungsquorum auch politisch zu vertreten.

(Beifall bei der CSU)

Ich schließe die Aussprache. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zu überweisen. Besteht Einvernehmen damit? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe nun zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 3 c

Gesetzentwurf der Abgeordneten Kellner, Dr. Dürr, Münzel und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes (Drucksache 14/2503)

Erste Lesung –

Tagesordnungspunkt 3 d

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Bayerischen Hochschullehrergesetzes und des Bayerischen Hochschulgesetzes (Drucksache 14/2591)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN wird begründet. Wer übernimmt das? – Herr Dr. Dürr, bitte. Sie haben zehn Minuten Redezeit.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man sollte meinen, „Hochschule“ sei ein anderes Wort für Fortschritt und Modernität. Es gibt aber mindestens ein Gebiet, bei dem dies nicht zutrifft, sondern immer noch das alte Wort gilt: „Unter den Talaren Muff von tausend Jahren!“ – Hochschulen sind nach wie vor ein geschlossener Herrenclub. Das wollen wir ändern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen, dass fähige Frauen endlich in den bisherigen Herrenclub aufgenommen werden können. Dass dies

überfällig ist, haben Sie selbst erkannt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Im Rahmen der Novellierung des Bayerischen Hochschulgesetzes wollten Sie die Bevorzugung von Männern an den Hochschulen beenden.

(Beifall der Frau Abgeordneten Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber die Hochschulen haben diese Botschaft nicht verstanden. Die bayerischen Hochschulen haben immer noch einen ungeheuren Nachholbedarf, was die Erfüllung des Gleichstellungsauftrags anbelangt. Aber anscheinend tut ihnen das nicht weh. So rührig sie ansonsten bei der Umsetzung des Hochschulgesetzes sind – bei der Frauenförderung bewegt sich wenig.

(Zustimmung bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bayern steht bundesweit an letzter Stelle, was den Frauenanteil bei den Lehrstuhlinhabern angeht. Wir glauben, das kommt nicht von ungefähr. Die maßgeblichen Herren an den Hochschulen spüren, dass es für Sie wichtigere Ziele gibt, Herr Wissenschaftsminister. Es ist allerhöchste Zeit, dass Sie da etwas ändern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Denn der Zustand an den Hochschulen ist beschämend für uns Bayern. Je höher die Stufe auf der steilen Pyramide der Hierarchie, desto dünner wird die Luft für Frauen. Inzwischen sind nur noch etwas mehr als die Hälfte der Studierenden Männer. Aber rund zwei Drittel der Promotionen stammen von ihnen. Nicht ganz vier Fünftel des wissenschaftlichen Personals sind Männer. Fast neun Zehntel der Habilitationen, nämlich etwa 88%, kommen von Männern. Knapp 94% der Professuren sind von Männern besetzt. An der Spitze jeder bayerischen Hochschule stehen Männer. Ich finde, es ist schlimmer als beim DFB.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Unserer Meinung nach ist der Herrenclub an den hiesigen Hochschulen skandalös. Herr Minister, Sie ließen sich jüngst für die Selbstverständlichkeit feiern, die qualifizierteste Bewerberin auf einen Lehrstuhl für Frauenheilkunde berufen zu haben. Zur gleichen Zeit haben sie der Absicht des Gesetzgebers zuwidergehandelt. Sie haben nämlich bei der Vergabe eines Lehrstuhls für Pädagogik und Psychologie den zweitplatzierten Mann der erstplatzierten Frau vorgezogen.

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist eine Schande!)

Damit bestrafen Sie die Universitäten, die dem Parameter der Gleichstellung Rechnung tragen wollen. Diese werden finanziell bestraft und verlieren auch qualifizierte Wissenschaftlerinnen. Die Bevorzugung von Männern stellt in Bayern den Normalfall dar. Das muss endlich aufhören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fast schon die Regel ist es, dass es Frauen erst gar nicht auf Berufungslisten schaffen. Denn zum einen können sich Professoren immer noch auf ein stillschweigendes Männerbündnis bis zu Ihnen hinauf verlassen, Herr Minister. Zum anderen ist durch das Laufbahnsystem dafür gesorgt, dass Frauen gar nicht erst in die Startlöcher kommen. Wir wollen echten Wettbewerb. Es geht nicht darum, dass man Frauen bevorzugt. Vielmehr müssen wir systematische Nachteile ausgleichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Luft wird für Frauen erkennbar immer dünner, je höher sie auf der Karriereleiter steigen wollen. Da geht es eben nicht um die Qualifikation einzelner Frauen. Vielmehr besteht eine systematische Wettbewerbsverzerrung. Es besteht ein stummes Kartell. Das werden wir aushebeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frauen wollen ihren Aufstieg ebenso wie wir Männer der eigenen Leistung verdanken. Genau dazu ist Frauenförderung da. In ihrem Rahmen müssen Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, unter denen Frauen ihre Leistungsfähigkeit zeigen und messen können. Frauenförderung ist nichts Ehrenrühriges. Aber Wettbewerbsverzerrung ist ehrenrührig.

Es gibt heute viele qualifizierte Frauen. Es müssen noch mehr werden. Wir können in unserer Gesellschaft überhaupt nicht zu viel Qualifizierung haben. Ressourcenverschwendung können wir uns nicht leisten. Es stellt aber Ressourcenverschwendung dar, wenn Frauen nicht ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden oder sich nicht entsprechend entfalten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier wollen wir als Partei des effizienten Mitteleinsatzes für eine Änderung sorgen. In dem Zusammenhang schlagen wir verschiedene Maßnahmen vor. Wir wollen den Hochschulen spürbare finanzielle Konsequenzen und strukturelle Änderungen als „Lernhilfe“ mit auf den Weg geben. Wir wollen für fairen Wettbewerb sorgen. Wir wollen die Position der Gleichstellungsbeauftragten stärken. Hochschulen müssen endlich begreifen, dass Gleichstellung ihre ureigenste Aufgabe ist, wie es im Hochschulgesetz steht, und nicht das Hobby der Frauenbeauftragten.