Selbstverständlich ist das Thema Bildung wichtig. Die Formel, die heute auf der Tagesordnung steht, nämlich „bessere Bildung für alle“, ist ein altes sozialdemokratisches Leitbild für das, was wir in den schulischen oder hochschulischen Einrichtungen tun müssen, nämlich die Chancengleichheit für die jungen Menschen herzustellen und ihnen Zukunftsperspektiven zu geben. Bessere Bildung ist auch das Leitthema dessen, was draußen so aktuell ist, das Leitthema des Volksbegehrens „Die bessere Schulreform“.
Kolleginnen und Kollegen, die Idee der besseren Bildung für alle, die wir jetzt lautstark vertreten, findet immer größere Unterstützung. Wir spüren, wie draußen die Leute auf uns zukommen und uns vermehrt Recht geben, obwohl die Staatsregierung an allen Schulen den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Betroffenen Angst machen, obwohl Sie praktisch einseitig beeinflussend, indoktrinierend für ihre Sache werben und gegen das Volksbegehren zu Felde ziehen. Ich denke, dass gerade deswegen im Moment die Unterstützung für uns größer wird.
Lassen Sie mich einige wenige Worte dazu sagen. Gestern stand in der Zeitung, dass Ihr Haus, Frau Ministerin, praktisch duldet, dass an den Realschulen und Gymnasien politische einseitige Werbung und Aufrufe, zu Demonstrationen zu gehen, gemacht werden. Dies sind klare Verstöße gegen unser Erziehungs- und Unterrichtsgesetz; denn dort ist von politischer Enthaltsamkeit zu lesen. Warum duldet Ihr Haus dies?
Früher wurde schon jemand von der Schule verwiesen, wenn er eine Plakette mit „Stoppt Strauß“ trug. Jetzt dulden Sie, dass ganze Massen aufgefordert werden, zu politischen Demonstrationen gegen das Volksbegehren zu gehen.
Frau Ministerin, ich finde auch noch etwas anderes ungeheuerlich – dazu bedarf es einer Klarstellung. Ihr Haus sagt: Na ja, die Verstöße gegen das Unterrichtsund Erziehungsgesetz machen doch nichts; die brauchen sich doch nicht an die Verordnungen, an die rechtlichen Vorschriften zu halten; denn schuld daran seien doch diejenigen, die jetzt einen Schulkampf eröffnet haben – das böse Wort „Schulkampf“ stammt übrigens von Ihnen. Was ist denn das für ein Rechtsverständnis,
wenn draußen zum Gesetzesverstoß aufgefordert wird und dieser dann anderen, die über Schulpolitik entscheiden lassen wollen, untergeschoben wird? Dazu ist endlich einmal eine Klarstellung von Ihnen erforderlich.
Wahrscheinlich müssen Sie deshalb zu Indoktrinationsmethoden greifen. – Ich sage dir ganz ehrlich, Kollege Hofmann: Da gehe ich mit dir jede Wette ein.
Denn die Leute sind es einfach Leid, dass Sie ständig schön reden, was nicht mehr schön zu reden ist in diesem Lande, wenn wir uns die Schulen anschauen, wenn wir uns den Unterricht anschauen, wenn wir uns die Bildungsergebnisse anschauen. Da brauche ich hier nur stichwortartig zu nennen: das Gefälle bei denen, die Chancen in diesem Lande haben, oder die Frage der Bildungsgerechtigkeit, die Frage der Bildungsarmut. Oder denken wir auch daran, dass wir in Bayern nur die Hälfte der Studienbewerber haben im Vergleich zum Beispiel zu der Zahl, die Nordrhein-Westfalen vorzuweisen hat.
Das alles sind Fragen der Bildungsgerechtigkeit, die Sie nicht schön reden können und die die Leute draußen zu Recht aufregen.
Zum anderen muss man auch einmal auf Folgendes hinweisen. Vorhin habe ich etwas davon gehört, wie führend unser Land überall ist. Aber Bayern ist auch führend in den Klassenstärken – nach wie vor. Wir haben die größten Klassen und ich bin froh, dass ich dieser Tage in einer Studie einer Berliner Hochschule lesen konnte, dass deutlich nachgewiesen worden ist, dass große Klassen – in Bayern müssen wir schon von Mammutklassen sprechen – auch Bildungsnachteile bedeuten. Umgekehrt gesprochen heißt das, dass der, der in einer Klasse mit pädagogisch vernünftiger Klassenstärke unterrichtet wird, viel mehr Chancen hat als die anderen.
Und es wurde auch nachgewiesen, dass gerade die sozial Benachteiligten, die Spätentwickler, die, die sich mit der deutschen Sprache, überhaupt mit Sprachen schwer tun, in den großen Klassen benachteiligt sind. Und das ist es, worauf sie einmal blicken müssten und nicht auf irgendwelche Schulsystemveränderungen.
Zu den Dingen, die den Leuten Leid sind, gehören noch viele andere Dinge: der Unterrichtsausfall, die Unterrichtskürzungen. Hierfür nur ein Beispiel, weil es heute wieder ganz dick und fett – das ist der richtige Ausdruck dafür – in einer Tageszeitung stand: „Unsere Kinder sind so fett und faul wie nie!“ – Und was war der Schluss die
ser Bewertung, dieser aufregenden Mitteilung, dass unsere Kinder längst schon Erwachsenenkrankheiten haben? Dass Bayern hier keine Lösung bietet, weil man hier den Schulsport quasi um die Hälfte heruntergefahren hat.
Sie bieten diesen Menschen keine Möglichkeit an, ihrer Gesundheit, ihrer Freude am Sport Rechnung zu tragen.
Was Ihre Reform bedeutet, habe ich bereits gesagt: soziale Auslese. Das steht in direktem Gegensatz zum heutigen Thema: „Bessere Bildung für alle“. Was Sie machen, ist soziale Auslese. Sie überlassen es inzwischen dem Geldbeutel der Eltern, ob ein Kind weiterkommt oder ob es nicht weiterkommt.
Eines noch: Sprechen Sie einmal mit den Betroffenen draußen. In ein, zwei Wochen ist Zwischenzeugnis-Zeit. Ihnen wird an jedem Tisch, an dem Leute sitzen, die mit Schule zu tun haben, deutlich gemacht, wie sehr im Moment der Druck vorhanden ist, und selbst Religionslehrer und Pfarrer erzählen mir, sie spürten quasi körperlich, was jetzt in unseren Grundschulen los ist. Und das haben Sie zu verantworten; das wollen Sie verschärfen und dagegen wenden wir uns ganz deutlich.
Den Leuten ist es auch Leid zu hören, was Sie jetzt über die R 6 erzählen, es ist regelrecht Unsinn. Noch vor ein paar Jahren haben Sie die R 4 hoch gelobt als bestes Schulsystem, jetzt ist es die R 6.
Ich führe Ihnen einen völlig unverdächtigen Zeugen an, es ist heute in einer Rede schon einmal davon gesprochen worden. Im Moment ist so viel von Philologen die Rede. Der erste Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, also aller Philologen, schreibt hier ganz deutlich zur R 6, und dem ist nicht hinzuzufügen – es ist der vorhin schon von Herrn Maget zitierte Herr Durner:
Die Konsequenzen der Einführung der sechsjährigen Realschule bedeuten einen Stillstand bei der inneren Schulreform, dramatische Verschlechterungen der pädagogischen Situation in den Förderschulen, Grundschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen, ein Infragestellen vieler schulorganisatorischer und schulpädagogischer Maßnahmen wie Halb- und Ganztagsbetreuung. Die CSU muss sich die Frage gefallen lassen,
warum Grundschüler, Förderschüler, Gymnasiasten und Berufsschüler einen großen Teil der Zeche zahlen müssen.
Wir meinen, es wäre endlich Zeit, diese Diskussion zu nutzen – darum ist ja dieses Volksbegehren so wichtig –, uns den Fragen der Schulqualität, der inneren Schulreform zuzuwenden und nicht der Umkrempelung der äußeren Schulorganisation. Wir freuen uns, dass die Unterstützung, die wir draußen erleben, immer größer wird: 40 Organisationen mit 1,5 Millionen Mitgliedern sehen es genauso wie wir.
Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht: Wir wollen die Lernfreude fördern statt Schulangst vergrößern. Das steht an oberster Stelle – ein pädagogisches Argument.
Wir wollen die Leistung fördern statt Auslese verschärfen. Das sollten Sie sich einmal durch den Kopf gehen lassen. Frau Ministerin, Ihre Mathe-Tests gehen Jahr für Jahr schlechter aus; die Ergebnisse verbessern sich nicht. Da müssen wir uns doch endlich einmal fragen, warum wir nicht wirklich das Leistenkönnen fördern und verbessern,
damit sich im Breiten eine große „Talentschaft“ in Bayern entwickelt, die wir in Zukunft brauchen, um eben unseren Standort zu sichern.
Wir wollen Elternbeteiligung und Schuldemokratie fördern. Wir wollen neue Unterrichtsmethoden und Schulentwicklung fördern, statt einseitig Investitionen in größere Realschulgebäude zu verschleudern. Und wir wollen die Grundlagen für die Zukunft unserer Jugend, für das lebenslange Lernen sichern und nicht nur immer sparen und einsparen an Unterrichtsausstattung oder an Fördermöglichkeiten.
Die eigentlichen Fronten – darum sind wir im Grunde froh, dass es so gegenübergestellt wird – heißen: Auslese – wie Sie es vertreten – oder Förderung – wie wir es mit vielen anderen in diesem Lande vertreten.
Um diesen Richtungsentscheid wird es gehen, wenn wir den Leuten sagen, wir wollen die bessere Bildung für alle. Und da frage ich wirklich noch einmal: Warum warnen Sie eigentlich draußen das Volk, es solle nicht zum Unterschreiben des Volksbegehrens gehen? Sie sollten eher stolz sein, wenn die Demokratie wirkt und die Leute draußen sagen: Wir wollen am Volksentscheid im Sommer teilnehmen und wir wollen sagen, welches die bessere Schule ist.
Warum lassen Sie nicht die Leute draußen in Ruhe in die Rathäuser gehen? Warum sind Sie so nervös und aufgeregt und wollen mit aller Macht verhindern, dass diese 10% erreicht werden?
(Widerspruch bei der CSU – Zuruf von der CSU: Wer ist denn hier aufgeregt? Doch Sie, Herr Irlinger! – Maget (SPD): Das ist seine persönliche Note!)
Ja, seid doch froh, wenn einer emotional redet; wenn ich mich hier herstellen würde wie der Herr Nöth, wärt ihr eingeschlafen.
Oder? – Außerdem hat mein Fraktionsvorstand gesagt: Jetzt gehört in diese wichtige Debatte einmal ein bisschen Leben hinein. Außerdem muss ich Herrn Knauer ein bisschen Stoff geben, weil er die Diskussionsfolge verändert hat, damit er nach mir reden kann. Darauf bin ich gespannt. Ich muss also ein bisschen Leben hier hineinbringen.