In Sachen Vier-Milliarden-Programm bedurfte es vieler Nachhilfestunden für die Bundesbildungsministerin, um sie mit den tatsächlichen Verhältnissen an unseren Schulen vertraut zu machen. Der erste Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung zeichnete sich durch blanke Realitätsferne, bürokratische Regelungswut und ideologische Engstirnigkeit aus.
Am Ende haben aber wir uns durchgesetzt. Die Fördermittel des Bundes stehen jetzt für alle ganztägigen Angebote an Schulen und angegliederten Horten sowie für Kooperationsmodelle mit der Jugendhilfe zur Verfügung. Wie wenig sich Frau Bulmahn auskennt, erkennt man daran, dass sie es nicht erlauben wollte, die Zuschüsse zur Renovierung existierender Einrichtungen zu vergeben. Man könnte zwar sagen, wir bräuchten in Bayern mehr. Aber es ist ein Bundesprogramm. Wenn man ein solches auflegt, sollte man die neuen Länder kennen und wissen, dass es dort bereits die hundertprozentige Abdeckung gibt und die Zahl der Kinder abnimmt. Aufgrund des alten Programms hätten die neuen Länder das Geld niemals ausgeben können, weil sie mangels Kinder und wegen der hundertprozentigen Betreuung und Förderung keinen neuen Platz vorweisen können. Sie hatte schlichtweg von den Realitäten und Verhältnissen in den Ländern keine Ahnung. Ich spreche hier nicht einmal für Bayern; denn ich bin eine, die ein bisschen über den Tellerrand hinausblickt.
Erst vor knapp einem Monat hat der Bund die endgültige Vorlage der Verwaltungsvereinbarung für das Vier-Milliarden-Programm vorgelegt. Die bereits vor Monaten eingereichten Anfragen der bayerischen SPD zur konkreten Verteilung der Bundesgelder empfand ich – offen gestanden – ziemlich drollig. Wenn wir nicht wissen, wofür wir das Geld ausgeben dürfen, können wir auch keinen Antrag stellen. Wir tun uns deshalb auch schwer bekannt zu geben, wie und wo wir das Geld ausgeben werden. Ich empfehle Ihnen, Ihrer Bundes-SPD Unterstützung zu geben. Vielleicht geht es dann ein bisschen schneller.
Mit Unterstützung der CSU-Landtagsfraktion haben wir das „Aktionsprogramm Förderschule“ gestartet. In den Jahren 2000 bis 2002 wurden 13,5 Millionen e für 204 zusätzliche Sonderschullehrer zur Verfügung gestellt. Damit haben wir die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste um fast 20% ausbauen können, die mobile Reserve um 58% aufgestockt und die Klassenobergrenzen gesenkt.
Die Hauptschule profiliert sich nachhaltig als Schulart, die praxisnah auf das Wirtschafts- und Arbeitsleben vorbereitet. Sie führt nun zu drei Abschlüssen: zum Hauptschulabschluss, zum qualifizierenden Hauptschulabschluss und zum mittleren Schulabschluss.
Die M-Klassen werden hervorragend angenommen. In 1552 M-Klassen und 207 vollständigen M-Zügen erwerben Schülerinnen und Schüler den mittleren Schulabschluss. Im letzten Schuljahr waren es 4850 Schülerinnen und Schüler und seit Einführung der M-Klassen über 20000. Die Hauptschule ist damit zur echten Angebotsschule geworden. Ich bitte das Parlament parteiübergreifend – ich sage das ohne Häme –, in allen öffentlichen Äußerungen dafür Sorge zu tragen, dass nicht gesagt wird, ein Kind gehe „nur“ in die Hauptschule, und dass nicht durch ständige Kritik und Mäkelei an der Hauptschule die Hauptschulkinder wegen der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz Probleme bekommen. Wir müssen ihnen denselben Respekt wie anderen entgegenbringen.
Wir werden nicht nur Akademiker haben, sondern der Großteil der Menschen wird in der beruflichen Bildung und in normalen Berufen seinen Mann oder ihre Frau stehen. Sie wollen nicht ständig als diejenigen bezeichnet werden, die keine so qualifizierte Ausbildung haben. Nur jemand, der die berufliche Aus- und Fortbildung gemacht hat, weiß genau, wie schwer das ist.
Die Praxisklassen sind ein ebenso großer Erfolg. Ihre Zahl hat sich auf 77 erhöht. Rund 45% der letztjährigen Absolventen der Praxisklassen konnten in ein Arbeitsverhältnis vermittelt werden, knapp 50% nehmen eine berufsvorbereitende Maßnahme in Anspruch oder besuchen weiterhin die Schule. Der Erfolg des Konzepts lässt sich erst ermessen, wenn man bedenkt, dass sich die Praxisklassen an Schüler richten, deren schulische
Alle Realschulen sind ab September dieses Jahres sechsstufig – drei Jahre früher als ursprünglich geplant. Die sechsstufige Realschule ist eine moderne und zukunftsorientierte Schule, die in allen Bevölkerungsgruppen eine hohe Akzeptanz genießt. Für die Qualität dieser Schule spricht vor allem, dass ihre hartgesottensten Gegner ihre Kinder als erste dort angemeldet haben.
Unbeirrt tanzt die SPD und mit ihr die GRÜNEN jedoch um das Goldene Kalb der sechsjährigen Grundschule – so wie es auch wieder im Manifest steht. Ich wüsste gerne, was die SPD möchte. In Niedersachsen wollte Herr Gabriel die vierjährige Grundschule. Sie träumen von der sechsjährigen Grundschule, obwohl die sechsstufige Realschule und auch die Angebote an der Hauptschule ein Bombenerfolg sind.
Frau Bulmahn träumt von der neunjährigen Einheitsschule unter Auflösung von Hauptschule, Realschule und Gymnasium, und das ganz ohne Noten, ganz frei und ohne Druck. Sie vergessen völlig, in welcher Tradition – auch Bildungstradition – unser Land lebt. Es können nicht die Erfahrungen eines anderen Landes irgendwohin verpflanzt werden, da jedes Land in seinen Bildungstraditionen verwachsen ist bzw. die Bevölkerung diese kennt. Ich möchte von Ihnen einmal gerne wissen: Weiß die SPD überhaupt, was sie will und wohin sie will? Die einen wollen vier Klassen, die anderen sechs, die einen mit Noten, die anderen ohne Noten, die einen strenger und die anderen weniger streng. Ich muss mich immer bei der SPD erkundigen, je nachdem wohin ich komme, damit ich weiß, welche Argumentationen und Vorstellungen gepflogen werden. Von Geschlossenheit der Vorstellungen bei der Bildungspolitik habe ich bei der SPD nichts gehört.
Ja, Sie haben lebenslanges Lernen notwendig. Das ist echt wahr. Das stimmt, und das ist in Ordnung. Da widerspreche ich nicht.
Wir werden auch zum nächsten Schuljahr die Vielfalt der Fremdsprachenangebote und -zertifkate in unseren Realschulen deutlich ausweiten. Das Fach Informationstechnologie bietet als eigenes Fach eine höhere Attraktivität. Was wichtig ist: Durch die zusätzlichen Fremdsprachenangebote können natürlich auch Realschülerinnen und Realschüler noch unkomplizierter zur allgemeinen Hochschulreife gelangen, das heißt, die Realschule bietet einen sehr klar strukturierten Weg, die Entscheidung dafür auch noch mit 15 oder 16 oder nach einer Lehre treffen zu können. Die Hauptschule bietet mit dem Mittleren Schulabschluss mittlerweile ähnliche Wege.
Beim Gymnasium stehen zum Schuljahr 2003/2004 erhebliche inhaltliche Neuerungen an. Mit der neuen Stundentafel werden die Fächer „Natur und Technik“ und
„Informatik“ eingeführt; Physik und Chemie erhalten mehr Stunden. Auch die politische Bildung sowie die Fremdsprachen werden gestärkt. Die zweite Fremdsprache startet – ein Jahr früher – in der 6. Jahrgangsstufe; die Möglichkeiten, eine dritte und vierte Fremdsprache zu erlernen, werden deutlich erweitert.
Der neue Lehrplan wurde massiv gestrafft und betont das Grundwissen. Er weist erheblich weniger Spezialwissen auf und schafft dadurch mehr Freiraum für methodisch vielfältige und innovative Unterrichtsformen. Sowohl inhaltlich als auch mit der Stundenausstattung – ich sage das vor dem finanziellen Hintergrund – setzen wir damit Maßstäbe in Deutschland. Leicht fällt es uns nicht, das finanziell durchzuhalten. Ich darf das hinzufügen.
In der beruflichen Bildung sehen wir dagegen dem neuen Schuljahr mit einer gewissen Sorge entgegen. Durch die völlig konfuse Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik der Regierung Schröder befindet sich die deutsche Wirtschaft in einem Abwärtsstrudel.
Wenn Sie das noch als Märchenstunde bezeichnen und nicht mitbekommen, was draußen läuft, dann muss ich Sie fragen: Wo leben Sie denn eigentlich?
Wie sehr kämpfen unsere mittelständischen und kleinen Betrieben, wie viele Konkurse haben wir, wie viele Betriebe, die bisher mit uns in der Ausbildung zusammengearbeitet haben, können dies nicht mehr tun, weil sie finanziell am Rande stehen oder in Konkurs gegangen sind! Sie aber sprechen von „Märchenstunde“. Sie sollten einmal in einen solchen Betrieb hineingehen und die weinenden Menschen sehen, die bei der Pleite dann vor der Haustür stehen. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass Sie ein bisschen weit weg sind von der Wirklichkeit.
All das, was in Berlin verbockt wird, werden wir in Berlin sicher nicht ausgleichen können. Aber wir steuern dieser Negativentwicklung gemeinsam mit der Wirtschaft so weit wie möglich entgegen, um vielen jungen Menschen berufliche Perspektiven zu eröffnen.
Wir werden deshalb zum neuen Schuljahr mindestens drei neue Berufsfachschulen in der Oberpfalz und in Oberfranken einrichten. Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit dem Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft ein neues, innovatives Konzept für eine einjährige berufliche Qualifizierung entwickelt. Ziel ist es, in Kooperation mit außerschulischen Partnern – in der Regel freie Bildungsträger – den Teilnehmern eine fachpraktische und allgemeinbildende Vorbereitung auf den Lehrberuf zu geben. Die fachpraktische Ausbildung – das ist das Novum – liegt in den Händen des Kooperationspartners und kann zu 45% aus Mitteln des Europäischen Sozial
fonds finanziert werden. Die restliche Finanzierung übernimmt der Freistaat Bayern. Bis zu 30 derartiger Maßnahmen können im Herbst dieses Jahres je nach Bedarf und Situation in den jeweiligen Regionen eingerichtet werden.
Das von Bayern initiierte integrative Berufsvorbereitungsjahr in Kooperation von Berufsschulen und der Bundesanstalt für Arbeit ergänzt das Maßnahmenbündel. Es richtet sich vor allem an Jugendliche, die aufgrund eines schwächeren Schulabschlusses geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, und wird zusammen mit den örtlichen Kammern und Betrieben durchgeführt. Im Gegensatz zu Bayern friert der Bund seine Unterstützungsmaßnahmen für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz ein. Bayern weitet sein Maßnahmenpaket aus. Wer übernimmt jetzt eigentlich Verantwortung? Wir setzen Schwerpunkte dort, wo es sein muss, auch wenn wir uns in anderen Punkten dann einschränken müssen, weil wir nicht x-beliebig Geld drucken können und keinen Goldesel haben.
In besonders dringenden Fällen erwägen wir auch, in den zweistufigen Wirtschaftsschulen einzelne zusätzliche Eingangsklassen einzurichten. Die Absolventen der zweistufigen Wirtschaftsschule haben einen hervorragenden Ruf in der Wirtschaft und beste Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Es handelt sich um eine Schulart, die es in anderen Ländern nicht gibt.
So sehr wir uns um die kümmern, die keinen Ausbildungsplatz finden, so wichtig ist es uns, die Wege zur Hochschulreife über die berufliche Bildung auszubauen. Zur Hochschule führen künftig mehrere Wege:
zweitens, der Weg über eine Berufsausbildung: Haupt-, Real- und Wirtschaftsschüler können mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung über die Berufsoberschule zu jeder Hochschulreife kommen – die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die an der BOS die allgemeine Hochschulreife erlangen, ist von 1998 bis 2001 um 85% gestiegen –;
drittens, der Weg über die Fachoberschule: Der Besuch der Fachoberschule führt nach zwei Jahren zur Fachhochschulreife – und öffnet den Schülerinnen und Schülern künftig eine weitere Tür. Mit der Einführung eines 13. Schuljahres an der Fachoberschule erhalten sie die Möglichkeit, in nur einem weiteren Jahr jede Hochschulreife zu erwerben. Die so genannte FOS 13 werden wir – zunächst als Schulversuch – zum Schuljahr 2004/05 einrichten.
Außerdem haben wir die Angebote der Fachoberschule und Berufsoberschule deutlich erweitert: Seit 2000 wurden 24 FOS/BOS neu errichtet oder erhielten zusätzliche Ausbildungsrichtungen. Daran erkennt man: Wir nehmen berufliche und allgemeine Bildung wirklich ernst. Wir nehmen die Vielfalt der Wege ernst, die junge Menschen gehen, und wollen ihnen diese Vielfalt der Wege entsprechend bieten. Was ich aber nicht akzeptiere und immer wieder anprangere, ist, dass immer nur die Abiturientenquote des Gymnasiums und die Über
trittsquote an das Gymnasium gezählt werden. Dass mittlerweile ein Drittel der Studenten nicht über das Gymnasium kommt, sondern über andere Wege an die Hochschule geht, ist etwas, was sichtlich im Bildungsprogramm der SPD oder in den öffentlichen Verlautbarungen nicht wahrgenommen wird.
Sie diskriminieren damit die vielen bayerischen Abiturienten, die den Weg über die berufliche Bildung nehmen, aber auch all die Menschen, die in nicht akademischen Berufen Hervorragendes für die Gemeinschaft leisten.
Ich habe bisher über das gesprochen, was wir für die Schülerinnen und Schüler tun, die an der Schule etwas lernen wollen. Ich möchte aber auch einen Blick auf diejenigen Schülerinnen und Schüler werfen, die sich selbst und anderen Probleme machen und Unterricht und Erziehung an unseren Schulen erheblich stören. Vor allem die Arbeit der bayerischen Hauptschullehrerinnen und -lehrer wird immer schwieriger, weil es immer mehr verhaltensauffällige und auch gewaltbereite Schülerinnen und Schüler gibt.
Wir haben daher ein Gesamtkonzept mit einem Bündel an Maßnahmen zur Verbesserung der erzieherischen Möglichkeiten an den Schulen entwickelt, die wir weiter ausbauen und systematisch aufeinander abstimmen werden. Es beginnt beim Präventivprogramm, das inzwischen vielgestaltig ist. Schulverfassungen und Streitschlichterprogramme, die die Jugendlichen aktiv einbinden, Schulpsychologen und Beratungsstellen, Schulhausinterne Erziehungshilfe und Mobile Sonderpädagogische Dienste der Förderschulen – all dies hilft den Schulen dabei, Konflikte und Gewalt zu verhindern.
Auch die Berichte und Studien beweisen, dass in Bayern gegenüber anderen Ländern die Gewalt am geringsten ausgeprägt ist. Wir tun aber auch präventiv mit am meisten, um Gewalt vorzubeugen und um Gewalt einzugrenzen. Die Zusammenarbeit der Schulen mit Mobilen Sonderpädagogischen Diensten, Jugendhilfe, Polizei, Gerichten sowie der Jugendpsychiatrie wollen wir künftig noch intensivieren. Ich hoffe, dass ich mit der Landeshauptstadt München, mit Rot-Grün nicht mehr darüber diskutieren muss, ob die Polizei an die Schulen gehen darf oder ob sie nicht an die Schulen gehen darf. Es gibt städtische Schulen, die der Polizei den Zugang verweigert haben oder Fortbildungsprogramme der Polizei gezielt nicht annehmen. Das halte ich für den völlig falschen Weg.
Wenn Schüler aber trotz aller Hilfen eine Gefahr für ihre Mitschüler und Lehrer sind, ist es notwendig, diese Schüler längerfristig aus der Klasse zu nehmen. An 17 bayerischen Hauptschulen wurden Klassen eingerichtet, in denen sehr schwierige, teilweise auch kriminelle Jugendliche intensiv pädagogisch gefördert werden. Ziel ist es, dass diese Schüler wieder den Anschluss an die Regelklasse finden. Das ist eine neuerliche präventive Maßnahme zur Hilfe.
Nach ersten positiven Erfahrungen werden wir diese so genannten Intensivklassen in den nächsten Jahren Zug um Zug ausweiten. Zum nächsten Schuljahr werden wir beginnend im Regierungsbezirk Oberbayern versuchsweise die ersten zwei sonderpädagogischen Stütz- und Förderklassen an Förderschulen starten. Schüler mit Problemen beim Lernen und bei der emotionalen und sozialen Entwicklung sollen hier gemeinsam von Lehrkräften und der Jugendhilfe bestmöglich gefördert werden. Das heißt, wir haben ein großes und umfassendes Programm. Wir versuchen, hier wirklich präventiv zu arbeiten und möglichst jungen Menschen zu helfen, selbst wenn es manchmal über die Leistungsgrenze unserer Lehrkräfte hinausgeht. Ab und zu denke ich schon, was wir da von unseren Lehrkräften, insbesondere von Hauptschul- und Berufsschullehrkräften fordern, das ist schon sehr viel verlangt. Sie tragen eigentlich die Konsequenzen einer Gesellschaft, in der Erziehung über viele Jahre hinweg, gerade auch von Ihnen, von Rot-Grün, als nicht opportun bezeichnet worden ist.
(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt nicht! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist ein Schmarrn!)