Protocol of the Session on April 3, 2003

Soweit für einen Lückenschluss weitere Meldungen notwendig sind, wird Bayern seinen Beitrag dafür leisten.

Ich sage hier und heute auch: Wir werden uns nicht unter Zeitdruck setzen lassen, sondern werden wie beim ersten Mal auch dieses Mal wieder die Öffentlichkeit, die Grundeigentümer und die Kommunen frühzeitig und umfassend informieren. Es wird also erneut einen FFHDialog auch über die Nachmeldungen für das europäische Netz geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Zusammenfassend möchte ich feststellen: Bayern ist in den letzten Jahren schöner und reicher geworden. Selten gewordene und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten haben hierzulande wieder eine Heimat gefunden. Unsere Artenschutzprogramme tragen reiche Frucht. Bayern ist das Land, in dem auch Arnika und Bärwurz blühen, wo Schwarzstorch, Wanderfalke und Steinadler zu Hause sind, und sogar der Luchs ist wieder heimisch. In einer solch gesunden Umwelt leben die Menschen gern und fühlen sich wohl. Mit neuen Programmen für Moore, Auen und Quellen werden wir noch in diesem Jahr die Lebensräume für Tiere und Pflanzen weiter verbessern.

Auch im Naturschutz gilt das eingangs zitierte Grundprinzip „mit den Menschen und nicht gegen die Menschen“. Ein Markenzeichen des bayerischen Naturschutzes ist deshalb unser Vertragsnaturschutzprogramm, das nun auf den Wald erweitert wird. Wir haben beim Vertragsnaturschutz in den letzten Jahren die geförderte Fläche um 15% erhöht, bei den Landschaftspflegemaßnahmen um 46% zugelegt und insgesamt 148 Millionen Euro im Zeitraum von 1998 bis 2002 aufgewandt.

Es ist außerordentlich bedauerlich, dass diese intensive Naturschutzarbeit nicht in gleicher Weise von der Bundesregierung mitgetragen wird. Die Bundesregierung ist nicht bereit, eigene, für den Naturschutz geeignete Flächen zur Verfügung zu stellen. Ich denke an das grüne Band. Dieses grüne Band sollte als wertvoller Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben. Die Länder haben sich mehrfach deutlich dafür ausgesprochen und sind bereit, dieses grüne Band ökologisch zu bewirtschaften. Ich möchte deshalb hier noch einmal einfordern, dass die Bundesregierung den Ländern ihre Flächen im grünen Band für Naturschutzzwecke unentgeltlich zur Verfügung stellt.

Eine weitere Schwerpunktaufgabe, die ich ansprechen möchte, gehört zugleich zu den dringendsten und schwierigsten Aufgaben des Umweltschutzes zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Ich meine den Flächenverbrauch. Alleine in Bayern wurden im letzten Jahr durchschnittlich 28 Hektar pro Tag für Siedlungs- und Verkehrsflächen verbraucht. Bayern führt deshalb eine Offensive zur Verringerung des Flächenverbrauchs durch. Bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms haben wir dieses wichtige Ziel und die Aktivierung innerörtlicher Potenziale verankert. Unser Motto heißt: vorrangige Nutzung innerörtlicher Flächen vor Bebauung der grünen Wiese. Das heißt, brachliegende Flächen, zum Beispiel von Post, Bahn und Bundeswehr, müssen vorrangig

genutzt werden, bevor man den einfachen Weg vor die Tore der Stadt geht. Dabei sind die Gemeinden unsere wichtigsten Partner. Wir haben allen Kommunen eine praktische Anleitung zum Flächenressourcenmanagement zur Verfügung gestellt, Pilotprojekte laufen.

Ich bin meinem Kollegen Innenminister Günther Beckstein sehr dankbar, dass er sich konsequent für das Ziel des Flächensparens einsetzt.

Die Oberste Baubehörde richtet ihre Städtebauförderung auf eine nachhaltige Siedlungsentwicklung aus. Mit zahlreichen Pilotprojekten, Modellvorhaben, Leitfäden wie „Ökologie im Städtebau“ wirbt sie für eine flächensparende Siedlungspolitik. Ich möchte deshalb auch hier und heute an die Kommunen als Träger der kommunalen Selbstverwaltungshoheit appellieren: Planen und bauen Sie flächensparend, nutzen Sie Baulücken, führen Sie die Altgebäude einer neuen Verwendung zu. Die grüne Wiese muss künftig ultima ratio für die gewerbliche oder wohnliche Entwicklung sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinne ist die Flächenvorsorge zugleich ein Beispiel für den Kurs bayerischer Umweltpolitik zu Beginn dieses Jahrhunderts: weniger Reparatur im Nachhinein, mehr Vorsorge im Auftrag künftiger Generationen. Zukunftsvorsorge lässt sich aber nicht allein mit Gesetz und Verordnung regeln und auch nicht allein mit Vernunft und Verstand sicherstellen. Entscheidend ist die Liebe zur Natur. Wer etwas liebt, wird dies nicht zerstören. Deshalb investieren wir in die Umweltbildung. In weit über 100 Umweltbildungsstätten in Bayern haben letztes Jahr mehr als 400000 Menschen unsere Veranstaltungen besucht. Nur was der Mensch kennt, schätzt er auch, und nur was er schätzt, schützt er. Schönheit und Wert der Natur lehrt am besten die Natur selbst. Wir sind deshalb mit der „Bayern Tour Natur“ neue Wege gegangen. Ich möchte auch Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen herzlich einladen: Besuchen Sie am letzten Mai-Wochenende eine der über 750 Veranstaltungen im Freistaat. Erleben Sie die Schönheit und Faszination der Natur. Genießen Sie mit allen Sinnen die Erlebniswelt von Fauna und Flora in Bayern.

Gerade in einer Zeit tiefer Verunsicherung bieten Heimat und Natur Geborgenheit und Weite. Wir können neu erleben, was dieses herrliche Land Bayern für uns ist, für uns bedeutet. Deshalb sorgen wir mit unserer Umweltpolitik dafür, dass die Schönheit seiner Natur und Landschaften in ihrer ganzen Vielheit erhalten bleibt, dass zugleich die Menschen vor den Gefahren der Natur und vor Umweltschäden geschützt sind, dass unser Land bei allem notwendigen Wandel sein Gesicht bewahrt, dass es in seiner Unverwechselbarkeit Bestand hat und dass es sein reiches und großes Erbe an die kommenden Generationen weitergeben kann. Dafür tragen wir alle Verantwortung.

Ich biete deshalb dem ganzen Haus unsere Zusammenarbeit an – in der gemeinsamen Zukunftsverantwortung für unsere bayerische Heimat.

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um die weitere Unterstützung des Hohen Hauses für die Umwelt- und Naturschutzarbeit in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Minister. Die Rede ist ziemlich deutlich über die angekündigte Zeit von 30 bis 40 Minuten hinausgegangen. Deswegen verlängert sich die Redezeit pro Fraktion um jeweils 13 Minuten.

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Biedefeld das Wort.

Werter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Bayern braucht eindeutig eine neue Umweltpolitik und ganz offensichtlich wohl auch einen neuen Umweltminister. Dies hat diese Regierungserklärung wieder ganz deutlich aufgezeigt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in der vergangenen Stunde eine angebliche Erfolgsbilanz gehört – ich sage: ein Pamphlet des Herr Umweltministers, das vor Ungereimtheiten nur so strotzt und mit der Realität absolut, aber wirklich absolut nichts mehr zu tun hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Schnappauf, zwischen Ihren Reden und Ankündigungen und Ihren Taten liegen tiefe Abgründe, dazwischen liegen ganze Welten. Sie tun grundsätzlich genau das Gegenteil dessen, was Sie sagen – und dies zulasten von Natur und Umwelt in Bayern, und dies zulasten der Menschen in Bayern und deren Lebensqualität.

Bayern ist Spitze im Umweltschutz, wollen Sie uns heute wieder verkaufen. Der Freistaat Bayern, Pionierland des Umweltschutzes,

(Kaul (CSU): Sehr gut!)

sagten Sie. Das war einmal vor 30 Jahren, Herr Minister; seitdem geht es bergab. Längst hat Bayern die rote Laterne,

(Gartzke (SPD): Zu Recht!)

die Schlusslichtposition in vielen Bereichen des Naturund Umweltschutzes eingenommen. Und der amtierende Umweltminister sorgt in ungeahnter Weise für ständig neue Tiefpunkte. Umwelt- und Naturschutz verkommt in Bayern zur Restgröße, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nicht der Name Trittin, sondern der Name Schnappauf ist ein Synonym für unterlassende Hilfeleistung für Natur und Umwelt in Bayern.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Ich sage den vielen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land Bayern ein herzliches Dankeschön, die im Gegensatz zu Ihnen, Herr Schnappauf, ehrenamtlich und mit viel Engagement und Leidenschaft das tun, wovon Sie leider nur reden.

Bayern ist Spitze im Umweltschutz, sagen Sie, Herr Minister. Es ist aber komisch, dass dies die Menschen bei der letzten Bundestagswahl im September nicht so gesehen haben und sich die mangelnde Umweltkompetenz des Herrn Ministerpräsidenten als einer der wahlentscheidenden Faktoren herauskristallisiert hat. Es kommt nicht von ungefähr, dass der seinerzeitige Kanzlerkandidat die Umweltpolitik in seinem Kompetenzteam nicht vertreten hatte. Nach seinen Erfahrungen in Bayern erschien das wohl entbehrlich, was wir gut verstehen bzw. nachvollziehen können. Als es dann aber notwendig war, dieses Versäumnis zu kaschieren, hat er den Umweltschutz zur Chefsache erklärt. Was für eine Drohung, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Heiterkeit bei der SPD)

Dass Bayern beim Umweltschutz Spitze in Deutschland ist, glauben doch wirklich nur noch Sie selbst, Herr Minister, Sie alleine. Ihre heutige Regierungserklärung war wahrhaft kein großer Wurf, wahrlich keine Erfolgsbilanz und kein hoffnungsvoller Blick in die umweltpolitische Zukunft Bayerns. Wie sagten Sie – da stimme ich Ihnen zu –: Umweltschutz ist kein Schönwetterthema. – Richtig. Aber was haben Sie heute gemacht? Ihre Regierungserklärung war ein Schönreden und eine Schönrechnerei, ein Ablenken von Defiziten in der Umwelt- und Naturschutzpolitik in Bayern, ein Wegtäuschen von Defiziten und auch ein Ablenken von Ihren ganz persönlichen Mängeln.

Mit seiner heutigen Regierungserklärung bewegt sich Herr Schnappauf auf sehr, sehr dünnem Eis, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nicht nur, dass er unserer Meinung nach der schwächste Minister im Kabinett ist, dass er sich nicht durchsetzen kann, dass er vor dem Umweltschutz zu schützen versucht, statt die Umwelt zu schützen; er kann nicht einmal – das ist interessant – in seiner Partei, in der CSU auf ein belastbares Umweltprogramm zurückgreifen,

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Herr Kollege Hofmann.

(Beifall bei der SPD)

Dies belegt, das Gezerre, die Streitigkeiten innerhalb der CSU um ein neues Umweltprogramm. – Man liest es ja, man hört es ja; heute früh hat man es wieder gehört.

(Zuruf des Abgeordneten Gartze (SPD))

Ich bitte darum, die Zwischenrufe quer durch den Raum zu unterlassen.

Es gibt viel Gezerre und viele Streitigkeiten um die Vorlage eines neuen Umweltpro

gramms. In Kreuth muss es wohl auch ganz schön heftig zugegangen sein, als über dieses Umweltprogramm diskutiert wurde. Eine Hauptrolle spielte da wohl Herr Wirtschaftsminister Wiesheu – der Wirtschaftsminister beim Umweltprogramm! –, aber nicht der Umweltminister, nicht Herr Schnappauf. Er hatte wohl eine Nebenrolle oder war gar nur als Statist tätig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Da gibt es ein 55 Seiten starkes Papier – ich habe es gelesen; ich weiß nicht, wie viele Kolleginnen und Kollegen aus der CSU-Fraktion dieses Papier kennen – unseres ehemaligen Kollegen und jetzigen CSU-Bundestagsabgeordneten Josef Göppel, Vorsitzender des CSU-Umweltarbeitskreises. Seit mehr als zwei Jahren arbeitet der CSU-Umweltarbeitskreis an einem neuen Programm, aber noch immer gibt es keinen klaren Beschluss, kein beschlossenes Umweltprogramm. Es gibt immer noch keine klaren Aussagen, wie es in der Naturschutz- und Umweltpolitik in Bayern weitergehen soll. Während keine klaren Aussagen da sind, gibt es wohl unüberbrückbare Differenzen und Gegensätze.

Arbeiten wir doch einmal die Gegensätze auf. Wiesheu habe gesagt – so war es zumindest in einer namhaften bayerischen Zeitung zu lesen –, dass in diesem Umweltprogramm viel albernes und dummes Zeug stehe. Göppel habe daraufhin erklärt – dies war auch nachzulesen –, dass der Arbeitskreis in dieses Programm nur das hineingeschrieben habe, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Stoiber in seinem Bundestagswahlkampf zur Umweltpolitik gesagt hat.

Das ist interessant.

Dann kommt die Fortsetzung der Geschichte: Dr. Stoiber schreibt in seinen Sanierungsplan, dass er – man höre gut zu – fünf Jahre lang keine neuen Steuern und keine Steuererhöhungen einführen will. Im Programm des CSU-Arbeitskreises steht auf Seite 14, ich zitiere: „Verteuerung umweltbelastender, nicht nachhaltiger Wirtschafts– und Verhaltensweisen durch Erhöhung bestehender bzw. Einführung neuer Steuern und Lenkungsabgaben“. Weiter ist dort zu lesen: „Die Einführung einer Steuer von 0,25% für internationale Devisentransaktionen“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine neue Steuer. Auf der Seite 23 des Papieres ist zu lesen: „Wir treten im Interesse des Klimaschutzes für eine allmählich ansteigende CO2-Energiesteuer mit den Bezugsgrößen CO2-Ausstoß und Primärenergieverbrauch ein.“

Auf der Seite 29 des CSU-Umweltprogramms findet sich die Forderung nach Autobahngebühren, nach einer Kombination aus Mineralölsteuer und einer wegeabhängigen Straßenbenutzungsgebühr für alle Autos und somit für alle Autofahrerinnen und Autofahrer. Heute haben wir dazu die Meinung des bayerischen Umweltministers gehört. Er bezeichnet dies als „neue soziale Schranken“. Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, was denn nun? – Auf was basiert Ihre Regierungserklärung? – Ist das Ihre ganz persönliche Meinung oder ist es die Meinung der Staatsregierung insgesamt? –

(Kaul (CSU): Das wurde alles im Landtag beschlossen!)

Steht die CSU-Landtagsfraktion hinter dieser Regierungserklärung und hinter Herrn Minister Schnappauf, oder steht die CSU hinter ihrem Umweltarbeitskreis? – Wofür stehen Sie? – Was hält der CSU-Umweltarbeitskreis, zum Beispiel Herr Göppel oder Herr Seehofer, davon? – Herr Seehofer hat sich bereits auf die Seite von Herrn Göppel gestellt. Was halten diese Herren von Ihren Ausführungen, von Ihren Widersprüchen zu dem Programm des Arbeitskreises? – Hat der Arbeitskreis zwei Jahre lang für den Papierkorb gearbeitet? – Was handelt der bei diesem Streit eingeschaltete Schlichter Alois Glück aus? – Stimmt das, was er ausgehandelt hat, mit Ihrer Regierungserklärung überein? –

(Kaul (CSU): Frau Kollegin Biedefeld, sind wir hier im Parlament oder beim Parteitag?)

Angeblich gibt es auch ein Papier, das nicht 55 Seiten, sondern nur neun Seiten umfasst und das von Herrn Generalsekretär Dr. Goppel erarbeitet wurde. Wird dieses eher nichtssagende neunseitige Papier von Herrn Generalsekretär Dr. Goppel beschlossen? – Was denn nun? – Neue Steuern, ja oder nein? – Energiesteuer, ja oder nein? – Ausstieg aus der Atomenergie, ja oder nein? – Herr Minister, ich frage Sie: Werden die Aussagen, die Sie heute gemacht haben, auch nach dem 18. und 19. Juli 2003 gelten, also nach dem CSU-Parteitag, auf dem der CSU-Umweltarbeitskreis sein Programm verabschieden lassen will? – Herr Kollege Göppel hat schon angekündigt, dass er nicht allein stehe. Auch Herr Seehofer und andere stehen auf seiner Seite. Sie haben klar gesagt, dass Sie von Ihren Positionen nicht zurückweichen werden.