Protocol of the Session on December 11, 2002

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/11212 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind drei Gegenstimmen aus der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/11234 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der SPD.

Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Zur gemeinsamen Behandlung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Dr. Bernhard und anderer und Fraktion (CSU)

Stärkung des Gesetzgebungsrechts der Länder – Ablehnung der Vermögensteuer (Drucksache 14/11213)

und den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Hoderlein, Güller und Fraktion (SPD)

Vermögensteuer (Drucksache 14/11231)

sowie den ebenfalls nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Kellner, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine angemessene Besteuerung von Einkommen und Vermögensübertragungen – gegen eine Wiedereinsetzung der Vermögensteuer (Drucksache 14/11235)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Dr. Bernhard.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir verfolgen mit unserem Dringlichkeitsantrag mehrere Ziele: Wir wollen, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Vermögensteuer und für andere Steuern, für welche die Länder die Aufkommenskompetenz haben, wieder auf die Länder übertragen wird. Nach den Beratungen in der Enquete-Kommission „Föderalismus“ dachte ich eigentlich, dass wir uns darüber im Grundsatz einig seien. Insoweit hat dieser Antrag einen föderalistischen Aspekt.

Außerdem wollen wir deutlich machen, dass wir gegen die Einführung der Vermögensteuer sind, sei sie nun länderübergreifend oder nicht. Wir halten eine solche Steuer im Hinblick auf die Ökonomie für kontraproduktiv. Nach allem, was wir wissen, würde die Einführung einer solchen Steuer zu erheblichen Wachstumsverlusten führen und außerdem einen riesigen Verwaltungsaufwand verursachen. Aus diesen Gründen macht es keinen Sinn, die Vermögensteuer wieder einzuführen. Schließlich wollen wir auch klären, welche Haltung die Opposition zu dieser Frage einnimmt.

Wenn ich den SPD-Antrag richtig verstehe, ist er ein weiterer Beitrag zu dem steuerpolitischen und vermögensteuerpolitischen Chaos und zur Demontage des Bundeskanzlers, der wohl lange Zeit selbst nicht gewusst hat, was er tut. Zunächst hat er erklärt, er werde sich dem nicht entgegenstellen, und dann hat er erklärt, dass die Vermögensteuer doch aus guten Gründen abgeschafft worden sei.

Wir stellen in diesen Tagen ja auch fest – vorher kam schon ein solcher Zwischen-ruf –, dass offenbar die Machtworte von Herrn Schröder inzwischen ungehört verhallen und eine beispiellose Demontage des deutschen Regierungschefs innerhalb weniger Wochen stattfindet.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Darum müssen Sie sich nicht kümmern!)

Ich prophezeie Ihnen, dass dem 2. Februar der Absturz des Herrn Schröder folgen wird.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Starzmann?

Ich habe leider so wenig Redezeit, dass ich um Verständnis dafür bitte, dass ich jetzt in meiner Rede fortfahre.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Herr Bernhard, ein Kasten Weißbier! – Unruhe)

Wenn das Sie gewesen wären, hätte ich eine Zwischenfrage erlaubt.

(Starzmann (SPD): Das nehme ich persönlich! – Heiterkeit – Unruhe)

Ja, Entschuldigung. Ich habe das deshalb gesagt, weil wir beide im Untersuchungsausschuss so gut zusammengearbeitet haben, dass ich angenommen habe, Sie vertragen das.

(Starzmann (SPD): Die Versöhnung kostet eine Maß! – Heiterkeit)

Wenn es sein muss, Herr Starzmann, auch dieses.

(Herbert Müller (SPD): Lassen Sie die Zwischenfrage halt zu!)

Mittlerweile hätten wir auch schon die Zwischenfrage erledigt. – Meine Damen und Herren, wir wollen hier im Haus unsere Position noch einmal ganz deutlich machen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es ein ganz schwerer ökonomischer Fehler wäre, die Vermögensteuer wieder einzuführen. Wir wissen, dass früher etwa 60% des Vermögensteueraufkommens von den Betrieben stammte. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Die Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer, die – wie die frühere Gewerbekapitalsteuer – dazu führt, dass Unternehmen, die gegenwärtig ohnehin erhebliche Schwierigkeiten haben, diese Steuer bezahlen müssen, obwohl sie unter Umständen nicht einmal Erträge haben, und das bei derzeit 42000 Konkursen jährlich in Deutschland. Wer weiß, in welch schwieriger Lage das Baugewerbe zur Zeit ist, das keine Erträge hat, der kann sich vorstellen, welche Konsequenzen eine solche Steuer hätte. Auch Existenzgründer, die oft jahrelang keine Erträge haben, müssten in der Anfangsphase Vermögensteuer zahlen.

(Zurufe von der SPD)

Bei der gegenwärtigen Investitionsschwäche und der ausgeprägten Konjunkturschwäche in Deutschland wäre das eine völlig falsche Maßnahme. Ich komme auf das zurück, was ich eingangs schon angedeutet habe: Wirtschaftswissenschaftler, nicht wir, haben errechnet, dass die Vermögensteuer innerhalb von nur fünf Jahren zu Wachstumsverlusten von 2% führen würde. Jetzt wollen Sie die Vermögensteuer einführen, wo ohnehin kaum mehr Wachstum stattfindet.

Die Vermögensteuer bestraft im Übrigen auch die Eigenkapitalbildung.

(Kränzle (CSU): Das stimmt!)

Der Mittelstand leidet darunter, dass er zu wenig Eigenkapital hat, Stichwort Basel II. Jetzt wollen Sie die mühsame Eigenkapitalbildung auch noch mit einer Vermögen-steuer belegen. Das ist völlig kontraproduktiv.

Die Vermögensteuer ist nach der Qualifizierung des Bundesverfassungsgerichts, wenn sie denn verfassungskonform ist, auch nichts anderes als eine Ertragsteuer. Einerseits machen Sie eine Ertragsteuerreform, die im Grundsatz richtig ist, und andererseits belasten Sie Unternehmen und Privatpersonen wieder mit einer Ertragsteuer.

Die Vermögensteuer würde die deutsche Wirtschaft, die ohnehin große Schwierigkeiten hat, ruinieren, den Nettoabfluss von Investitionen, der in Deutschland leider auch stattfindet, weiter beschleunigen. Da nützt es auch gar nichts, wenn Sie von der SPD in Ihrem Antrag schlaumeierischerweise sagen, man brauche eine länderübergreifende Vermögensteuer. Die Betriebe würden dann ins Ausland gehen, und das nützt niemandem.

Deshalb warnen wir nachdrücklich vor diesem steuerpolitischen Irrweg. Sie wissen auch, dass die Vermögensteuer in hohem Maße verfassungsrechtlich problematisch ist. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass nur der Ertrag besteuert werden darf. Mir ist schleierhaft, wie Sie das mit Ihrem Vorschlag in Einklang bringen wollen; denn Sie kreieren eine Substanzsteuer. Sie wissen auch, dass nur die Hälfte der Einkünfte besteuert werden darf. Damit erreichen Sie eben gerade jene, die Sie erreichen wollen, nämlich die so genannten Reichen, nicht, weil die alle schon 50% Einkommensteuer zahlen müssen. Deshalb werden Sie die Vermögensteuer nicht verfassungskonform ausgestalten können.

(Hoderlein (SPD): 56% haben sie bei euch bezahlt!)

Es ist bedauerlich, dass Sie von Ihrem Sozialneid nicht loskommen. Mit der Vermögensteuer erreichen Sie in erster Linie die Wirtschaft, nicht aber die angeblich wirklich Reichen. Sie sollten sich vor Augen führen, dass 40% derjenigen, die seinerzeit Vermögensteuer gezahlt haben, im Rentenalter waren und ihr Einkommen aus ihrem Vermögen bezogen.

Herr Hahnzog, Sie sehen bei der Vermögensteuer einen Freibetrag von 300000 e für Alleinstehende vor. Sie wissen, was in München eine Eigentumswohnung kostet oder wert ist. Bei einem Freibetrag von 300000 e würde

also ein Alleinstehender in München, der eine Eigentumswohnung besitzt, vermögensteuerpflichtig; so viel dazu, dass Sie mit dieser Steuer die Reichen erreichen wollen.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich will Sie daran erinnern – dazu sollten Sie auch Stellung nehmen; die GRÜNEN tun das in ihrem Antrag –, dass es seinerzeit eine Kompensation für den Wegfall der Vermögensteuer gab: durch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 2 auf 3,5 Prozentpunkte. Die Vermögensteuer ist also keineswegs ersatzlos entfallen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Über den Verwaltungsaufwand habe ich schon gesprochen. Herr Hahnzog, Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Steuer wegen Bewertungsfragen für verfassungswidrig erklärt hat.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das Verfassungsgericht hat sie aber nicht generell für verfassungswidrig gehalten!)

Schätzungen besagen, dass wir 5000 weitere Steuerbeamte bräuchten, um das Vermögen, insbesondere Immobilien, verfassungskonform bewerten zu können.

Sie haben hier versucht – in Niedersachsen unter Herrn Gabriel ist das ja ganz deutlich –, eine Neidkampagne zu starten, um von der dramatischen Situation und dem Chaos, das Sie in Deutschland produziert haben, abzulenken. Sie täuschen die Wähler erneut über Ihre Vorhaben hinweg, über den Umfang der Vermögensteuer. Ich habe das vorhin an einem Beispiel deutlich zu machen versucht. Sie legen – das will ich betonen – in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation mit der Einführung einer Vermögensteuer die Axt an die Existenz vieler, im Moment sehr ertragsschwacher mittelständischer Unternehmen. Das kann in Deutschland nicht in Frage kommen. Wir werden deshalb alles dafür tun, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Vermögensteuer wieder den Ländern übertragen wird. In Bayern und mit uns wird es keine Vermögensteuer geben.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Güller.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Bernhard, während des ersten Teils Ihres Redebeitrags waren wir ja noch beieinander. Zur Stärkung des Föderalismus gehört auch, dass die Länder wieder die ursprünglich im Grundgesetz vorgesehene Hoheit über die Erhebung der Vermögensteuer haben und dass die Länder dies fordern. Da sind wir einer Meinung.

(Kränzle (CSU): Das glaube ich!)