Protocol of the Session on December 5, 2002

Tagesordnungspunkt 9

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz, des Bayerischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes (Drucksa- che 14/10180)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Gantzer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Gesetzentwürfe stehen zur Diskussion: der eine ist der Gesetzentwurf der Staatsregierung, der andere ist unser Gesetzentwurf. Beide beschäftigen sich im Grunde mit derselben Materie.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung dient zur Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes und soll zum einen die Aufgaben des Landesamtes für Verfas

sungsschutz darstellen und deren Reichweite definieren und zum anderen sollen die gesetzlichen Befugnisse zur Auskunftseinholung bei den Banken, bei den Fluggesellschaften, bei der Post, der Telekom usw. geregelt werden, was den gewaltbereiten Inlandsextremismus und die organisierte Kriminalität betrifft. Es soll Verbesserungen und Klarstellungen im G-10-Bereich geben und wir haben im Ausschuss die Zulässigkeit des Einsatzes des berühmten IMSI-Catchers beschlossen.

Unser Gesetzentwurf dagegen möchte die Kontrollrechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums erweitern und dem PKG die Befugnis zugestehen, die Akten und Dateien des LfV einzusehen. Es soll ermöglicht werden, die Mitarbeiter des LfV anzuhören und es soll das Recht zum Besuch des LfV geben. Sachverständige sollen zu spezialisierten Untersuchungen eingesetzt werden können und schließlich soll es eine Art Petitionsrecht für Angehörige des LfV in dienstlichen Angelegenheiten geben; denn diese Mitarbeiter unterliegen einer besonderen Geheimhaltung und können sich nicht einfach mit einer Petition in dienstlichen Anliegen an das Parlament wenden.

Wenn man diese beiden Gesetzentwürfe gegenüberstellt und die Bedenken des Datenschutzbeauftragten hinzunimmt, muss man feststellen, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung sehr, sehr weit geht, dass er über bestimmte Grenzen hinaus-geht, während wir eigentlich nur Rechte einfordern, die es schon bei vielen PKGs gibt.

Der Datenschutzbeauftragte hat vor allem datenschutzrechtliche Bedenken erhoben, weil eine besondere Kennzeichnung der Daten nicht angeordnet ist, weil es in bestimmten Fällen keinen Straftatenkatalog gibt, weil die Anwendung des „IMSI-Catchers“ nicht auf bestimmte Fälle beschränkt wird und weil eine zusätzliche Befugnis zur Datenübermittlung an Private geschaffen wird – etwas, was bisher grundsätzlich unzulässig gewesen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss erst einmal feststellen, dass unsere Fraktion die Umsetzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes in Bayern grundsätzlich begrüßt. Allerdings nehmen wir die Einwendungen des Datenschutzbeauftragten ernst und haben sie alle zur Diskussion gestellt. All diese Einwendungen sind von Ihnen abgelehnt worden, obwohl sie gut begründet waren. Man fragt sich, wozu Sie sich noch einen Datenschutzbeauftragten in Bayern leisten, wenn Sie seine Einwendungen nicht ernst nehmen und nicht einmal bereit sind, darüber zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Zweites kommt hinzu, dass wir nichts Neues oder Außergewöhnliches fordern. Das Bundes-PKG hat diese Befugnisse. In den Jahren 1998 und 1999 ist das im Bundestag mit Zustimmung der CSU, also mit Zustimmung Ihrer Abgeordneten, beschlossen worden. Das, was Ihre Abgeordneten in Berlin beschlossen haben, verweigern Sie uns hier in Bayern. Man kann nur mit dem Kopf schütteln und fragen: Weswegen ist das so? Wovor haben Sie eigentlich Angst?

Das vorläufige Fazit ist: Das Landesamt für Verfassungsschutz bekommt erweiterte Befugnisse, während dem Parlamentarischen Kontrollgremium Befugnisse verweigert werden, die eigentlich bundesweit gang und gäbe sind. Damit entmannen Sie dieses so wichtige und wertvolle Instrument der parlamentarischen Kontrolle. Das PKG wird damit ein Kontrollgremium zweiter Klasse, ein Papiergremium. Wir dürfen Papiere lesen, die uns in der jeweiligen Sitzung präsentiert werden, aber die eigentlichen Kontrollbefugnisse werden uns beschnitten.

Eines der Hauptargumente des Berichterstatters zu diesem Gesetz, aber auch der Verwaltung aus dem Innenministerium, ist gewesen, dass mit der Aufnahme der von uns geforderten Rechte in das Gesetz – das muss man sich einmal anhören –! ein dauernder, permanenter Untersuchungsausschuss geschaffen würde. Das sagt der Staatssekretär!

Meine Damen und Herren, was ist denn die Aufgabe eines Parlaments? Die Aufgabe des Parlaments ist die permanente, dauernde Kontrolle und Untersuchung der Staatsregierung und ihrer Verwaltungsbehörden. Genau diese Aufgabe wird uns genommen. Das vom Berichterstatter vorgebrachte Argument ist undemokratisch und gegen den demokratischen Rechtsstaat gerichtet.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist also sehr, sehr traurig, Herr Staatssekretär, wenn Sie dies auch noch befürworten und verteidigen wollen.

Einer der größten Erfolge dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, war in den Jahren 1998 und 1999 die Schaffung dieser neuen Rechte, wobei Innenminister Schily dafür gesorgt hat, dass Abhörungen nur noch nach einer Richtererlaubnis stattfinden können. In Eilfällen kann das anders sein, aber dann muss das ein Richter nachgenehmigen. Wir wissen, dass strafprozessuale Anhörungen zum Teil nur über die Polizei gelaufen sind. Inzwischen ist verbindlich eingeführt worden, dass alle Abhörungen durch einen Richter genehmigt werden müssen – Ausnahme G-10-Kommission – und dass sie dann parlamentarisch kontrolliert werden. Dies scheint mir ein ganz, ganz wichtiges rechtsstaatliches Instrument zu sein: vorher der Richter, nachher die parlamentarische Kontrolle.

Wenn das allgemeines Denken in einer Demokratie ist und wenn man noch dazu sieht, dass die CSU im Parlamentarischen Kontrollgremium in Bayern die Mehrheit hat, fragt man sich: Wovor – ich sage es noch einmal – hat die CSU Angst? Ich kann es mir nicht erklären, denn alle die Mittel, die wir für das PKG haben möchten, müssten ja durch das parlamentarische Kontrollgremium beschlossen werden, und diesen Beschluss beeinflusst natürlich maßgeblich die CSU mit ihrer Mehrheit. Wenn wir das Recht zur Akteneinsicht hätten, könnte ich nicht als einzelner Abgeordneter hingehen und sagen: LfVPräsident, zeige mir einmal den Akt XY. – Nein, es müsste ein entsprechender Beschluss vorliegen. Deswegen sage ich: Es stimmt doch sehr merkwürdig, dass wir diese Rechte nicht erhalten.

Eine Besonderheit hat der Gesetzentwurf der Staatsregierung: Die Rechte, die wir für das PKG fordern, werden justament der G-10-Kommission zugeschlagen. Das ist in dem neuen Gesetzentwurf enthalten. Als wir das aufgegriffen haben, wurde uns gesagt, das sei etwas ganz anderes. Die G-10-Kommission sei Richterersatz; ohne richterliche Kontrolle. Weil es sich um einen Richterersatz handelt, bekommt die Kommission also diese erweiterten Befugnisse.

Wenn ich das umsetze, komme ich zu folgender Feststellung: Wenn ein Richter eine Überwachungsmaßnahme anordnet – Kontrollinstanz 1 –, folgt, wenn diese abgeschlossen ist, die Kontrollinstanz 2, die parlamentarische Kontrolle. Bei der G-10-Kommission haben wir aber nur eine einzige Instanz, nämlich G 10 vorher, G 10 nachher. Wenn wir das, was ich eben gesagt habe, aufgreifen – rechtsstaatliche Kontrolle durch Richter und durch die Parlamentarier – gibt das keinen Sinn, wenn ich sehe, dass die G-10-Kommission, die nur aus Parlamentariern besteht, wo also eine Kontrollinstanz fehlt, nämlich der Richter, größere Befugnisse hat als die PKG. Das ist ein sehr, sehr unlogisches Argument.

Herr Staatssekretär, ich bin sehr enttäuscht, dass ich dieses Argument hören muss. Es ist wörtlich gesagt worden, die G-10-Kommission müsse ein volles Akteneinsichts– und Informationsrecht haben, weil sie sonst ihre Kontrollaufgabe nicht wahrnehmen könne. – Ja, meine Damen und Herren, wir können unsere Kontrollaufgabe auch nicht wahrnehmen, wenn wir diese Rechte nicht bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen muss ich sagen: Was hier abläuft, ist ein ganz schlechtes Stück rechtsstaatlichen Denkens. Ich habe den Eindruck, dass sich hier Angst der Verwaltung äußert, der sich die Politiker im Innenministerium unterwerfen, die Angst davor, dass es eine Kontrolle gibt. Wenn Sie wissen, was wir jetzt alles aufgrund der Terrorismusbekämpfung zusätzlich können, dass damit wieder in Grundrechte des Bürgers eingegriffen wird, dass wir aber nicht vermehrte Kontrollrechte bekommen, kann ich nur sagen, meine Damen und Herren: Das ist nicht der Rechtsstaat, den wir wollen. Das hat der Rechtsstaat nicht verdient.

Ich werde nicht aufgeben, auch wenn wir dies heute nicht durchsetzen können. Ich verspreche Ihnen, in der nächsten Legislaturperiode werden wir diesen Antrag wieder einbringen. Denn wenn wir es ernst meinen mit uns, mit dem Parlament als Kontrollgremium, dann kann man uns einfachste Kontrollmechanismen nicht verwehren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Heike.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Kollege Prof. Dr. Gantzer, es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie das hier vortragen.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Auch nicht das letzte Mal!)

Davor fürchten wir uns nicht. Im Gegensatz zu Ihnen – Sie haben so viel von Angst gesprochen – haben wir davor keine Angst.

Der Antrag der SPD ist wirklich nicht das erste Mal gestellt worden. Letztmalig ist er 1999 eingebracht

(Güller (SPD): Er wird jedes Mal besser!)

und abgelehnt worden. Ich muss Ihnen dazu sagen: Es bleibt dabei, wir wollen keinen Daueruntersuchungsausschuss. Was Sie hier wollen, ist im Grunde nichts anderes, als dass die PKG dazu herangezogen wird, ständig als Untersuchungsausschuss zu fungieren. Wenn Sie das gern machen, Herr Kollege – Sie haben doch sonst nicht soviel Zeit –, bitte, Sie können es ja mal probieren.

Eines sag ich Ihnen auch: Den Worten, die Sie auch heute hier vorgebracht haben, lassen Sie leider nicht die notwendigen Beweise folgen. Ich habe Sie das letzte Mal im Ausschuss aufgefordert, uns einmal konkret zu sagen, wo Sie eine Auskunft nicht erhalten haben.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Nächsten Dienstag!)

Das Ergebnis ist, dass Sie bis heute – und wir hatten inzwischen eine Ausschusssitzung – keine Veranlassung gesehen haben, sich irgendwie zu äußern und zu sagen: In diesem konkreten Fall bin ich nicht informiert worden.

Wir verweigern Ihnen nichts, aber wir haben meines Erachtens auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit den Mitarbeitern des Amtes gegenüber, diese in ihrer gefährlichen Arbeit zu schützen. Wer das verniedlicht und verkleinert, dass es ein Sandkastenspiel ist, was im Amt gemacht wird, der, muss ich sagen, hat die Zeichen der Zeit wirklich nicht erkannt. Ich muss sagen, da stehen wir zu den Mitarbeitern des Landesamtes. Wir sind also nicht bereit, über das hinauszugehen, was wir haben.

Sagen Sie – ich fordere Sie wieder auf – in der nächsten PKG-Sitzung ganz konkret, wo Sie nicht informiert worden sind, wo Sie Anfragen gestellt haben, die Ihnen nicht beantwortet wurden.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Ich kann nichts fragen, wovon ich nichts weiß!)

Den Nachweis Ihrer Kritik bleiben Sie uns schuldig, und wenn Sie zehn Mal schreien, Prof. Gantzer, wird es auch nicht besser. Kommen Sie mit Ihren Informationen in der PKG, ich bin sehr gespannt darauf, und dann können wir auch darüber diskutieren.

Im Übrigen, wenn Sie von dem Thema Angst sprechen, sage ich Ihnen nur eines dazu: Wir haben so viel Angst und so viel zu verbergen, dass wir vonseiten der CSU Ihnen sogar einen Sitz abgegeben haben. Es hätte eigentlich 4 : 1 stehen können, wir haben 3 : 2 gemacht.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Mehrheit!)

Also bitte versuchen Sie doch nicht zu verniedlichen. Wir geben Ihnen doch trotzdem immer wieder die Möglichkeit, sich zu artikulieren und entsprechend mitzuarbeiten. Ich finde es ein bisschen jämmerlich, wenn Sie das einfach unter den Tisch kehren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gesamte Antragstellung seitens der SPD ist nicht neu. Wir berufen uns ganz einfach auf das, was wir schon einmal diskutiert haben. Wir haben uns über den Untersuchungsausschuss unterhalten und wir werden auch weiterhin die Möglichkeit haben, Eingaben von Bürgern, die das Amt betreffen, dort zu behandeln und auch diese Betroffenen entsprechend zu informieren bzw. informieren zu lassen.

Lassen Sie mich aber noch ein paar Sätze zu dem sagen, was die Staatsregierung vorschlägt und was wir natürlich dann auch unterstützen werden. Was wir wollen, ist ein weitgehendes Auskunftsrecht für das Amt bei Bank, Post, Telekommunikation und Verkehrsbetrieben. Wir wollen die Beobachtungen beim Inlandsextremismus genauso wie bei der organisierten Kriminalität. Wir wollen den Einsatz der „IMSI-Catcher“, die wir schon für sehr wichtig halten. Ich glaube, da sind wir uns auch einig. Denn nur so können wir den technischen Errungenschaften nachfolgen und die Bekämpfung der Kriminalität durchführen. Die Regelungen beim vorbeugenden Sabotageschutz, besonders Sicherheitsüberprüfungen bei lebens- und verteidigungswichtigen Stellen, sind eine Selbstverständlichkeit, die wir verlangen und die wir auch durchsetzen werden. Die Veränderungen im Postgesetz müssen wir beantragen, weil es eine Neufassung der Überwachung auch nach Artikel 10 Grundgesetz gegeben hat.

Insgesamt geht es uns schlicht darum, dass wir Bedrohungen der Bürger und Bedrohungen des Staates abwehren müssen. Wir stehen – und das gibt mir die Möglichkeit, das wieder einmal deutlich zu machen – jedenfalls dazu, dass der Staat seine Bürger zu schützen hat. Der Staat muss wehrhaft sein. Der Staat muss sich neuen Gegebenheiten anpassen, sowohl technisch als auch juristisch. Um die Kompetenz deutlich zu machen, ist es einfach notwendig, dass wir – bei Beachtung der gesetzlichen Schranken – all das tun, was wir für wichtig halten, was wir für richtig halten, um für die Zukunft entsprechend unsere Ämter zum Schutz der Bürger und zum Schutz des Staates stark zu machen. Dafür wollen wir sein und deswegen werden wir die Regierungsvorschläge annehmen und Ihre, so leid es mir tut, wieder einmal ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tausendfreund.