Protocol of the Session on March 7, 2024

Beim Gender-Pay-Gap ist auch die Berufswahl von Frauen wichtig – Kollegin Seemann hat es angesprochen –: Frauen entscheiden sich häufiger für soziale Berufe. Der Frauenan teil in den MINT-Ausbildungsberufen beträgt 10,7 %. Genau da setzen wir an. Mit der Landesinitiative „Frauen in MINTBerufen“ unterstützen wir ganz viele tolle Projekte. Eines da von konnte ich in der letzten Woche mit Ministerin Hoffmeis ter-Kraut besuchen.

Auch die Kontaktstellen „Frau und Beruf“ leisten hier eine sehr wertvolle und wichtige Arbeit. Sie helfen, unterstützen und beraten Frauen in allen Lebenslagen. In der letzten Wo che haben wir das 30-Jahr-Jubiläum des Landesprogramms „Kontaktstelle ‚Frau und Beruf‘“ mit Ministerin HoffmeisterKraut – Staatssekretärin Elke Zimmer war auch dabei – und Oberbürgermeister Christian Specht in Mannheim gefeiert. Ich kann allen, die daran mitgewirkt haben, meinen herzlichen Dank sagen. 30 Jahre Kontaktstelle „Frau und Beruf“ – das ist eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Diese Erfolgsgeschichte gilt es fortzuführen.

Essenziell – das kommt in allen Bereichen vor – ist und bleibt die Kinderbetreuung. Hier bin ich unserem Staatssekretär Vol ker Schebesta sehr dankbar, der hier wichtige Initiativen wei ter voranbringt: PiA, Quereinstieg, Erprobungsparagraf. Aus meiner Sicht ist eine weitere Flexibilisierung hier unumgäng lich, um wirklich diesem eklatanten Mangel, den wir hier ha ben, weiter entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Ein weiterer wichtiger Punkt, warum der Weltfrauentag wich tiger denn je ist, ist der Schutz von Frauen vor Gewalt. 14 969 Fälle von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2022 – drei Viertel der Opfer Frauen. 12 390 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbe stimmung –

(Zuruf von der AfD: Aha!)

90 % der Opfer Frauen. Gewalt gegen Frauen tritt in allen ge sellschaftlichen Lebenslagen auf. Frauen mit Beeinträchtigun gen, mit Migrationshintergrund – bitte zuhören hier zur Rech ten! – und Sexarbeitende haben hierbei das größte Risiko, von Gewalt betroffen zu sein.

(Abg. Anton Baron AfD: Ja, wieso? Nennen Sie doch mal die Fakten!)

Hier möchte ich ganz klar sagen: Wir, die CDU-Landtagsfrak tion, lehnen jegliche Form von Gewalt gegen Frauen ab.

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Wir fördern und unterstützen gezielt Hilfs- und Schutzange bote für betroffene Frauen – auch hier gilt mein herzlicher Dank Frau Staatssekretärin Leidig, die sich hierfür ebenfalls sehr einsetzt –: 2,7 Millionen € jährlich für die Frauen- und Kinderschutzhäuser, 4,4 Millionen € im Jahr 2024 für weite re Einrichtungen und Projekte, die Beratungsangebote.

Ein weiterer wichtiger Punkt beim Kampf gegen die Gewalt an Frauen ist die Prostitution. Menschenunwürdige Zustände sind dabei vielerorts Realität. Viele der Frauen sind der Will kür und Gewalt ihrer Zuhälter ausgesetzt. Täuschungen und Drohungen sind an der Tagesordnung. Mittels der LoverboyMethode werden vor allem migrantische junge Menschen in die Prostitution gezwungen. Die bisherige Gesetzeslage schützt die betroffenen Mädchen und Frauen nicht mehr aus reichend.

Wir, die CDU, machen uns deshalb für ein Sexkaufverbot und damit für einen Paradigmenwechsel stark.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie Abgeordne ten der Grünen und der FDP/DVP – Abg. Daniel Born SPD: Bravo! – Abg. Anton Baron AfD: Jahrzehnte in der Regierung gewesen und nichts gemacht!)

Das ist Beschlusslage – weil die SPD so erstaunt schaut – der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Klar ist: Wir müssen Frauen in der Prostitution bestmöglich schützen.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie Abgeord neten der Grünen)

Der vierte und damit letzte Punkt ist mir persönlich ein ganz wichtiges Anliegen – Kollegin Seemann ist darauf eingegan gen –: Unsere Demokratie braucht Frauen; unsere Gesellschaft braucht Frauen, die sich einbringen. Am 9. Juni stehen wich tige Wahlen an, auch die Kommunalwahlen. Derzeit sind et wa ein Viertel aller Gemeinderäte weiblich; bei den Kreista gen ist es gut ein Fünftel. Da ist noch Luft nach oben. Dabei braucht unsere Demokratie in den unterschiedlichen Berei chen – Städteplanung etc. – die Perspektive der Frauen. Ge mischte Teams arbeiten erfolgreicher; das ist Fakt. Das brau chen wir auch in den Parlamenten: in den Kommunalparla menten wie auch im Landtag und im Bundestag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle, die wir hier unter wegs sind, die wir momentan tagtäglich Gespräche führen, um unsere Listen für unsere Demokratie, für unsere Kommu nen vor Ort zu füllen, wissen, wie schwierig es ist, Frauen da von zu überzeugen, mitzumachen, sich einzubringen, die Zeit aufzubringen, weil diese oftmals Mangelware ist. Aber es ist wichtig, und es lohnt sich. Ich danke deshalb an dieser Stelle allen Frauen, die sich einbringen, die sich engagieren, die sich für eine Kandidatur entschieden haben und damit alles – Be ruf, Familie und auch das Ehrenamt – unter einen Hut bekom men.

(Beifall bei der CDU, den Grünen und der SPD)

Wir alle profitieren davon. Unsere Gesellschaft ist nur mit starken Frauen stark. An dieser Gesellschaft wollen wir zu sammen arbeiten, Tag für Tag, und dafür vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Dr. Kliche-Behnke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die große So zialdemokratin Regine Hildebrandt hat die Benachteiligung von Frauen einmal so erklärt: Es gibt einen 400-m-Lauf, da treten eine Frau und ein Mann an. Der Mann hat schon ein mal 20 m Vorsprung und steht im sportlichen Outfit da. Die Frau steht dahinter, mit einem Rucksack auf dem Rücken, aus dem zwei Kinder herausschauen, und vor ihr eine Latte von Hürden. Viele von uns Müttern wissen, dass man mit einem Kind auf dem Rücken noch immer ganz gut rennen kann, aber trotzdem ist klar: Die Frage, wer von den beiden gewinnt, der Mann oder die Frau, dürfte müßig sein.

Deshalb gilt heute: Über diese Hürden müssen wir sprechen – besonders heute und morgen am Weltfrauentag, aber eigent lich an jedem Tag im Jahr. Und ich möchte in aller Deutlich keit sagen: Gerade in Baden-Württemberg sind die Hürden für Frauen noch mal ein Stück höher als im Rest der Repub lik.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen)

Noch immer ist der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen in keinem anderen Bundesland so groß wie in Ba den-Württemberg. Frauen verdienen im Schnitt 22 % weni ger als Männer. Außerdem arbeiten in keinem Bundesland so wenige Männer in Teilzeit wie bei uns in Baden-Württemberg. Nur knapp 75 % der Frauen im Südwesten sind erwerbstätig, bei den Männern sind es fast 83 %. Und während in BadenWürttemberg genauso viele Männer wie Frauen studieren, sinkt der Frauenanteil mit jeder weiteren Qualifikationsstufe in der Wissenschaft kontinuierlich ab. Am Ende beträgt der Anteil von Professorinnen in der Wissenschaft nicht einmal 25 %.

Gerade einmal ein Drittel der unter Dreijährigen im Südwes ten ist in einer Kindertagesbetreuung; das ist bundesweit der letzte Platz. Das eigentliche Problem in Baden-Württemberg ist aber, dass die Kinderbetreuung nicht zuverlässig ist. Der KVJS prognostiziert, dass in Baden-Württemberg rund 40 000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen. Und die Kommunen ste hen bei diesem Thema massiv unter Druck.

In den kommunalen Gremien – dazu wurde heute schon eini ges gesagt – sind Frauen noch immer eine Seltenheit. Nicht einmal 25 % beträgt der Frauenanteil in den Gemeinderäten und Kreistagen unseres Landes; noch niedriger ist der Anteil der Frauen nur noch an der Rathausspitze: Bürgermeisterin nen, Oberbürgermeisterinnen machen gerade einmal 9 % aus, und nur zwei der 35 baden-württembergischen Landkreise ha ben eine Landrätin an der Spitze.

Und, mit Verlaub, dass in keiner einzigen Fraktion in diesem Haus eine Frau an der Spitze steht, ist auch nicht gerade ein Ruhmesblatt für unseren Landtag.

(Abg. Isabell Huber CDU: Die SPD könnte vorange hen! – Zuruf von der AfD: Im Bundestag bei der AfD!)

Das gilt für alle; da nehme ich keine Fraktion aus. – Ich könnte solche Zahlen – –

(Unruhe)

Es wäre schön, wenn Sie mir zuhören würden. – Ich könn te solche Zahlen noch dutzendfach nennen, sei es in den In tendanzen an den Theatern im Land oder an der Spitze der Zeitungen, oder sei es die ungleiche Verteilung der Care-Ar beit bei uns im Land.

Noch höher allerdings sind die Hürden für Frauen mit Migra tionshintergrund. Das gilt insbesondere bei Beschäftigung, Lohn und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Frauen mit Migrationshintergrund sind in Minijobs weit überrepräsen tiert. Es gibt ein ungenutztes Arbeitskräftepotenzial von fast 80 000 Migrantinnen und Geflüchteten bei uns in BadenWürttemberg.

Frau Huber, Sie haben vorhin die Kontaktstelle „Frau und Be ruf“ angesprochen. Das freut uns, weil sie auf die SPD in der damaligen Großen Koalition zurückgeht. Ich kann mich Ih rem Lob für diese Kontaktstelle nur anschließen. Sie haben auch viele andere wesentliche Punkte und Defizite angespro chen. Aber umso mehr muss sich diese Landesregierung fra gen lassen: Können wir es uns leisten, so viele Potenziale auf unserem Arbeitsmarkt ungenutzt zu lassen? Ich denke, nicht.

(Beifall bei der SPD)

Können wir es uns leisten, das Chancengleichheitsgesetz in dieser Legislaturperiode nicht zu novellieren? Ich denke, nicht.

(Beifall bei der SPD)

Können wir es uns leisten, noch immer keine echte Lohntrans parenz, keinen Lohnatlas in Baden-Württemberg einzuführen, den Sie übrigens in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen ha ben? Ich denke, das können wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Können wir es uns leisten – das kommt jetzt zunehmend auch von einzelnen Abgeordneten aus unserer Mitte –, dass der Rechtsanspruch auf Ganztagsschule infrage gestellt wird und dass die Kitas in unserem Land ihre Öffnungszeiten reduzie ren? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, all das können wir uns in Baden-Württemberg nicht länger leisten.

(Beifall bei der SPD)

Morgen ist Weltfrauentag, und mir geht es heute und morgen noch um eine weitere Botschaft. Feministin sein heißt, soli darisch sein, solidarisch mit all denen, die wie wir Frauen mit Hürden zu kämpfen haben, solidarisch sein mit queeren Men schen, mit denen, die wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe benachteiligt werden, mit denen, die eine körperliche oder geistige Behinderung haben, also mit den Menschen, die mar ginalisiert werden.

Es gibt manche feministische Frauen – das möchte ich heute ansprechen –, die meinen, das sei nicht das Gleiche, das pas

se nicht zusammen, die glauben, Feminismus und die queere Bewegung hätten nichts miteinander zu tun, Antirassismus und der Einsatz gegen Frauendiskriminierung wären zwei ver schiedene Dinge – oder mehr noch: der Einsatz für die einen gehe zulasten der anderen –, und dem möchte ich heute ent schieden widersprechen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wir müssen zusammenstehen. Tun wir das nicht, werden da von nur die profitieren, die daran arbeiten, das Rad der Ge schichte zurückzudrehen.

(Abg. Anton Baron AfD: Oh!)