Protocol of the Session on December 7, 2021

(Zuruf: Stimmt!)

Jetzt erzählen Sie aber seit Samstagmittag – Herr Minister präsident, Sie auch, und zwar an diesem Pult –, dass etwas an deres gilt, als in der Verordnung steht, über die hier nachher abgestimmt werden soll. Das allein ist schon ein sehr skurri ler Sachverhalt.

Zu dem, was Sie am Samstag gemacht haben: Ich kann nicht hineinschauen, wie es bei Ihnen zugeht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Zum Glück!)

Manchmal freut man sich auch darüber, dass man nicht hi neinschauen kann. – Wenn man sich das anschaut, stellt man fest, dass nur aus den Reihen der CDU-Fraktion, über die So cial-Media-Kanäle,

(Abg. Manuel Hagel CDU: Weil die CDU-Fraktion informiert!)

eine sicherlich quasi auch steigende Welle begonnen hat, und zwar des Protests,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Exponenzi ell!)

mit der die Regelung, die vorgesehen war, konterkariert wird. Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur eine ergänzende Regelung zu 2G Plus, sondern das ist ein Umdrehen von 2G Plus.

(Abg. Manuel Hagel CDU: Eine Klarstellung!)

Denn wenn die allermeisten Menschen in diesem Land ihren Impfschutz innerhalb des letzten halben Jahres erworben ha ben – so wie wir, die wir hier im Landtag beim Impfen waren – oder im letzten halben Jahr genesen sind – ich habe es in der Presse nachgelesen: die Zahl der Menschen, auf die das zu

trifft, dürfte bei etwa 5 Millionen liegen –, dann drehen Sie damit das Regel-Ausnahme-Verhältnis komplett um.

Also erzählen Sie den Leuten nicht, Sie müssten mit beson ders strengen Maßnahmen reingehen, wenn Sie letztlich die se Maßnahme selbst – wahrscheinlich auf Druck der CDU – wieder aushöhlen. Das ist keine konsequente Politik. Das ist Wischiwaschipolitik. Das ist ein Zickzackkurs. Das steht üb rigens sehr deutlich im Landtagspressespiegel. Also beschwe ren Sie sich nicht über die Opposition. Sie haben dieses Cha os, das sogar ein Abgeordneter einer Regierungsfraktion als Verordnungschaos bezeichnet hat, verschuldet. Deswegen: Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Es ist nicht so, dass wir Herrn Lucha in den letzten anderthalb Jahren für das, was er getan hat, immer nur loben konnten.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP)

Mit Verlaub, sein Job ist nicht leicht. Aber auf der Strecke möchte ich schon von Ihnen wissen: Was hat funktioniert, und was hat nicht funktioniert? Wo geht die Waagschale in der Ab wägung hin? Ich sehe es ziemlich deutlich. Wir haben im letz ten Jahr im November – das ist jetzt ein Jahr her – gesagt, dass das Coronamanagement an der falschen Stelle verortet ist, weil die Struktur eines Sozialministeriums nicht die eines Kri senbewältigungsministeriums ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren – das sage ich jetzt in Richtung der Herren Kollegen Schwarz und Hagel; diesen Kunstgriff hat Herr Lucha auch regelmäßig versucht –, als ob wir die Mitarbeiter im Sozialministerium kritisieren würden! Die arbeiten sich den Buckel krumm, sage ich Ihnen. Aber sie können diese Aufgabe nicht bewältigen, weil die Struktur in diesem Haus nicht für Krisenbewältigung geeignet ist. Des wegen: Schützen Sie Ihre Mitarbeiter, und geben Sie das Co ronamanagement an eine Stelle, an der es wirklich funktio niert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Manuel Hagel CDU)

Dann lassen Sie mich bitte noch auf einen Punkt eingehen, den ich irgendwie nicht zusammenbekomme. Herr Kollege Hagel verkündete vor wenigen Tagen in einem großen Inter view, dass er jetzt einen kompletten Lockdown haben möch te.

(Abg. Manuel Hagel CDU: Richtig! Das habe ich ja gerade auch gesagt!)

Das kann man begründen. Die Frage ist – erstens –, ob das rechtlich haltbar ist; denn die Verhältnismäßigkeit – das ist ein Begriff, mit dem der Herr Ministerpräsident auch manchmal fremdelt – ist ein ganz entscheidendes Kriterium bei der Fra ge, ob eine Maßnahme zulässig ist oder nicht.

(Abg. Manuel Hagel CDU: Die an der Hospitalisie rung und der Inzidenz hängt!)

Denn die Menschen, die alles dafür tun, unsere Gesellschaft weiterhin am Laufen zu halten, die sich impfen ließen, die den

notwendigen Impfschutz haben, die eine Immunisierung ha ben, die sich auch immer testen lassen, wenn es notwendig ist, diese Menschen können Sie nicht einfach einsperren. Das wird Ihnen wahrscheinlich ein Gericht sagen.

Ich sage Ihnen: Auch aus der Sicht derer, die Sie vorhin ge nannt haben, nämlich aus der Sicht der Gastronomie und vor allem des Handels, wäre das eine riesengroße Katastrophe. Ich habe mit Vertretern des Einzelhandelsverbands gespro chen. Die Idee, jetzt, drei Wochen vor Weihnachten, die Lä den noch mal – wie im letzten Jahr, wenige Tage vor Weih nachten – zuzumachen, wäre aus deren Sicht ein Todesurteil.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen doch versuchen, so weit wir es können, das gesellschaftliche Leben unter vertretbaren Umständen, was Infektionsschutzgesichts punkte angeht, aufrechtzuerhalten. Der Gesundheitsschutz ist zentral, aber die Maßnahmen, die wir ergreifen, müssen auch verhältnismäßig sein.

Wenn ich jetzt Ihre Forderung in Vergleich setze zu dem, was aus Ihrer Fraktion auf den CDU-Social-Media-Kanälen ver öffentlicht wurde, nämlich die strenge 2G-Plus-Regel sozusa gen ins Gegenteil zu verkehren, dann muss ich sagen: Ich ha be da ein kleines Problem, das rational irgendwie zusammen zubekommen.

(Abg. Manuel Hagel CDU: Ich erkläre es Ihnen nach her noch mal!)

Ich sage Ihnen noch etwas, wenn Sie jetzt mit den Wirtschafts hilfen kommen: Sie haben im Moment auf der Basis des gel tenden Rechts gar nicht die Möglichkeit, den Lockdown durch zuführen. Aus meiner Sicht ist es zwingend notwendig, dass wir dort, wo die jetzt schon beschlossenen Einschränkungen wie 2G oder 2G Plus zu einem signifikanten wirtschaftlichen Schaden führen – das habe ich vorhin schon gesagt; das wird die SPD-Landtagsfraktion auch fordern –, auch mit Wirt schaftshilfen und Fördertöpfen unterstützen, also da, wo im Moment Schaden dadurch entsteht, dass Umsätze zurückge hen. Das gilt für die Gastronomie, das gilt für den Einzelhan del. Es kann nicht sein, dass nur bei einer vollständigen Schlie ßung Kompensationszahlungen kommen. Vielmehr muss es auch möglich sein, dass bei einer veritablen Beeinträchtigung des Geschäfts Entschädigungen fließen. Dazu rufe ich Sie auf. Genau zu diesem Zweck haben Sie Milliarden als Rücklagen geschaffen. Helfen Sie den Menschen in Baden-Württemberg, die von diesen Maßnahmen besonders betroffen sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deswegen bleiben wir bei unserer Forderung. Wir sind uns unserer Verantwortung sehr wohl bewusst, dass wir in diesem Land gemeinsam – Bund, Länder und Kommunen – diese Pandemie, gerade was die Funktionsfähigkeit unseres Staates und unseres Gemeinwesens angeht, in den Griff bekommen müssen. Dazu müssen wir jetzt bestmöglich handeln. Dazu müssen wir jetzt logistische Fragen klären wie z. B. die Fra gen, wie wir den Impfstoff möglichst schnell dorthin bekom men, wo wir ihn brauchen, und wie die Fachkräfte dorthin kommen, damit sie die Impfungen verabreichen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das, was am Wochenende passiert ist und damit auch an Verwirrung nach außen getreten ist, das Zeichen dafür ist, wofür diese Landes regierung steht, dann verlieren die Menschen in diesem Land das Vertrauen in die Politik und in diese Landesregierung. Das wäre das Schlimmste, was uns in dieser Phase der Pandemie passieren kann. Wir brauchen jetzt das Vertrauen der Men schen, dass wir diese Pandemie in den Griff bekommen. Da ran müssen wir alle gemeinsam arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/ DVP)

Das Wort hat für die FDP/ DVP-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie ha ben sich darüber alteriert, dass Ihnen bzw. Ihrer Regierung aus der Opposition Chaos unterstellt wird. Sie haben gesagt: „Das, was wir die letzten Tage gemacht haben, ist kein Chaos. Das ist ein lernender Prozess. Es hat vielleicht an der einen oder anderen Stelle mit der Kommunikation und der Umsetzung gehapert, aber in der Sache gibt es doch keine Kritik. Die Op position soll sich also mit Vorwürfen wie ,Chaos‘ ein bisschen zurückhalten.“

Ich kann Ihnen nur raten, mal ins Land hineinzuhören. Fra gen Sie mal beim Hotel- und Gaststättenverband,

(Abg. Gabriele Rolland SPD: Oh ja!)

fragen Sie mal beim Handelsverband, fragen Sie mal beim Sport,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Bei den Bürgermeistern!)

ob diese der Meinung sind: Alles paletti, wir haben ein geord netes Gemeinwesen mit einer Regierung, die alles im Griff hat.

Nur mal ein Beispiel aus dem Sport:

(Der Redner hält einen Zeitungsartikel hoch.)

Überschrift:

Eiertanz der Landesregierung... stürzt Sport ins Chaos

Ich zitiere:

Bis zum Jahresende werden auch im Handball und Tisch tennis wohl keine weiteren Partien bei den Amateuren stattfinden. Damit reagieren die baden-württembergi schen Sportverbände auf das von der Landesregierung verantwortete Chaos bei den Corona-Regeln.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Hört, hört!)

Nur ein Beispiel, Herr Ministerpräsident. – Also tun Sie doch nicht so, als ob alle Bürger dieses Landes vom Corona management dieser Regierung begeistert wären und nur eine beckmesserische Opposition im Landtag Chaos unterstellte. Es sieht aus wie Chaos, es fühlt sich an wie Chaos, es ist Cha

os, Herr Ministerpräsident, was Sie und Ihr Sozialminister an richten.