Protocol of the Session on September 25, 2024

Denn bei allen Unterschieden, die es naturgemäß zwischen den demokratischen Parteien gibt, verbindet uns vor allem ei nes: die Gewissheit, dass wir die liberale Demokratie und un sere freie Gesellschaft gemeinsam gegen ihre Feinde vertei digen müssen,

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

und die Überzeugung, dass die liberale Demokratie das Bes te ist, was unserem Land geschehen kann.

Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD und FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungsinformation haben die Fraktionen freie Redezeit vereinbart.

In der Aussprache erteile ich das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede zunächst deutlich sagen: Es ist richtig und es ist notwendig, dass wir uns hier in diesem Landtag mit dem The ma Sicherheit beschäftigen. Ich möchte ebenfalls klarstellen, dass ich bereit bin, dass meine Fraktion bereit ist, gemeinsam mit Ihnen geeignete und zielführende Maßnahmen zu disku tieren und zu beschließen.

Herr Ministerpräsident, ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass die zu Beginn Ihrer Regierungsinformation von Ihnen wiedergegebene differenzierte Betrachtung entscheidend ist. Wir müssen für die Probleme, die tatsächlich da sind, echte Lösungen präsentieren, die den Menschen das Vertrauen in ei nen handlungsfähigen Staat zurückgeben.

(Abg. Anton Baron AfD: Das hören wir des Öfteren!)

Wir dürfen aber gleichzeitig nicht den Verlockungen erliegen, hier mit Pauschalurteilen zu arbeiten und Menschen unter ei nen Generalverdacht zu stellen, die in diesem Land nach den Regeln von Recht und Gesetz leben. Diese differenzierte Be trachtung und diese differenzierte Vorgehensweise

(Zuruf von der AfD: Macht nur die AfD!)

sind die Verantwortung unseres Parlaments, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Denn unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Poli zei und unsere Sicherheitsbehörden erwarten echte und geeig nete Lösungen, die wir hier im Landtag beraten müssen.

Genau deswegen waren wir auch voller Erwartungen, als ges tern über die Nachrichtenticker lief, dass sich die Regierung auf ein Sicherheitspaket verständigt habe. Wenn ich Sie rich tig verstanden habe, ist dieses Sicherheitspaket auch der An lass für Ihre heutige Regierungsinformation.

Ich gebe zu: Als die Landesregierung gestern Mittag die ers ten Inhalte ihres Sicherheitspakets veröffentlichte, hat das in meiner Fraktion für eine ganze Reihe von Fragezeichen ge sorgt. In der Landespressekonferenz – das wurde ja sehr deut lich – haben wir dann erlebt, dass nicht nur wir diese Frage zeichen haben.

Herr Ministerpräsident, heute muss ich Ihnen sagen: Zu dem mittleren Teil Ihrer Regierungsinformation, in dem Sie uns er klären wollten, welche geeigneten Maßnahmen Sie ergreifen wollen, sind die Fragezeichen nicht weniger und nicht kleiner geworden. Deswegen habe ich auch die Frage an Sie, Herr Ministerpräsident und Herr Innenminister: Was sollen unsere Polizistinnen und Polizisten in Baden-Württemberg denken, wenn sie dieses Papier in den Händen halten und lesen? – Hier steht für mich tatsächlich ein Fragezeichen.

Das gilt gerade auch für die Polizistinnen und Polizisten, die in Mannheim einen Kollegen wegen einer extremistischen At tacke verloren haben, für die Polizistinnen und Polizisten, die auf einer großen Kundgebung nicht nur um diesen Kollegen getrauert, sondern auch Konsequenzen gefordert haben.

Was sollen sie von dem halten, was Sie offensichtlich am Montagabend – offenkundig auf den letzten Drücker – ver handelt haben und seit gestern mit größter Eile vermarkten? Was sollen die Polizistinnen und Polizisten von diesen sieben Seiten halten, die fast ausschließlich Punkte auflisten, die überhaupt nicht neu sind?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Julia Goll FDP/ DVP)

Mitte dieses Monats haben Sie sich ausdrücklich dafür ge rühmt, einen Haushaltsentwurf auf den Weg zu bringen, der besser gar nicht sein könne. Wenn Sie aber schon wenige Ta ge später die ersten Millionen nachschieben müssen: Welchen Erkenntniszugewinn gab es denn seit dieser Erklärung der Haushaltseinigung? Oder ist es doch nur der Versuch eines politischen Manövers, da andere Bundesländer längst neue

und eigene Sicherheitspakete geschnürt haben und Sie sich möglicherweise unter Zugzwang fühlten?

Sie listen Punkte um Punkte auf, die längst beschlossen sind: mehr Polizistinnen und Polizisten – wer sollte da widerspre chen? –, Extremismusprävention durch Traumarehabilitation für Geflüchtete, altbekannte Modellversuche zur automati schen Erkennung von Gesichtern oder Kennzeichen – die Sie übrigens nicht freiwillig auflegen, sondern weil erste Modell versuche von Gerichten gestoppt wurden –, ferner ein neues Antiterrorzentrum. Dazu liefern Sie eine Überschrift, wohl klingend, aber Sie liefern kein Konzept. Wenn man Sie da nach fragt, kommt auch nicht mehr.

(Zuruf des Abg. Alfred Bamberger AfD)

Unter dem Dach des LKA soll es angesiedelt werden. Han delt es sich um jenes Dach, durch das es seit Jahren hinein regnet? Die Menschen in diesem LKA sagen, es gebe keine anständigen Arbeitsbedingungen. Von einem LKA-Neubau fehlt – in diesem Paket jedenfalls – jede Spur. Sie wollen ei ne große KI-Offensive starten, auch beim LKA. Wenn man nachfragt, erfährt man: Dort fallen regelmäßig die Stromnet ze aus, in den Serverräumen beginnt es zu qualmen. Dort, wo viele Ermittlerinnen und Ermittler froh wären, wenn sie ver lässlich E-Mails verschicken könnten, ist KI im Moment rei ne Zukunftsmusik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Was also halten unsere Polizistinnen und Polizisten oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Sicherheitsbe hörden von diesem Paket? Wenn wir gegen gefährliche Ext remisten kämpfen wollen – was dringend notwendig ist –, dann darf unsere Polizei auch im digitalen Raum nicht blind sein. Dazu braucht es Technik, dafür braucht es aber auch Kompetenzen und Befugnisse sowie das Recht, diese Tech nik effizient und erfolgreich einsetzen zu dürfen. Wo finden wir dazu etwas in Ihrem Papier? – Auch hier ein Fragezeichen.

(Zuruf von der AfD: Nichts!)

Herr Ministerpräsident, ich frage Sie auch: Was sollen die Menschen in unserem Land davon halten, wie Sie die enorme Eile der vergangenen zweieinhalb Tage begründen? Gestern haben Sie erklärt – in der Pressekonferenz war es deutlich zu hören –, die Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen habe Sie irgendwie angetrieben. Dort gibt es ein Sicherheitspaket des Landes, nach der Messerattacke von Solingen. Diese ge schah übrigens am 23. August. Herr Ministerpräsident, die Messerattacke in Mannheim war am 31. Mai. Was dauert hier in Baden-Württemberg eigentlich immer so lange?

Nordrhein-Westfalen sieht in seinem Paket übrigens auch ei ne Erhöhung der Zahl der Plätze für die Abschiebehaft vor. Die Länder wollten vom Bund – das war lautstark zu hören – die rechtliche Möglichkeit, schneller abzuschieben. Die Bun desregierung hat geliefert. Damit Gefährder und Straftäter aber wirklich schneller aus dem Land kommen, brauchen wir mehr Möglichkeiten für Abschiebehaft und Abschiebearrest. So macht es übrigens auch Nordrhein-Westfalen. So haben wir, die SPD, es in den letzten Monaten regelmäßig gefordert. Nur so wird nämlich das Recht auch wirklich durchgesetzt. In

Ihrem Paket steht aber nichts über zusätzliche Abschiebehaft plätze. Wo also ist die Verbesserung? – Wiederum ein Frage zeichen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Herr Innenminister, Sie werden darauf verweisen, dass es für mehr Sicherheit gerade in den Schattenräumen des Internets auch Regeln braucht, für die das Land nicht zuständig ist. Sie wissen, dass das im Bund nicht an meiner Partei liegt, auch nicht im Land. Unsere Fraktion ist klar für eine Vorratsdaten speicherung – europa- und verfassungsrechtskonform und nur zur Verfolgung schwerster Kriminalität wie Terrorismus, Ex tremismus oder des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Aber es gibt eben auch Hausaufgaben, die dieses Land end lich erledigen muss, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört, den Polizeidienst attraktiver zu machen, z. B. mit einer Erhöhung der Zulage für den lageorientierten Dienst sowie der allgemeinen Polizeizulage, mit mehr Aufstiegschan cen durch mehr Stellen im gehobenen Polizeivollzugsdienst. Die Strafverfolgung in unserem Land muss durch mehr Stel len in den Staatsanwaltschaften und durch neue Schwerpunkt staatsanwaltschaften gestärkt werden. Nur dann ist gewähr leistet, dass die Verfahrenslaufzeiten kürzer werden.

Da sind – das wissen wir – harte Nüsse dabei, auch finanziell. Aber daraus könnte man ein echtes Sicherheitspaket schnü ren – nicht über Nacht wie bei Ihnen, dafür aber mit Inhalten.

Sie haben sich für einen anderen Weg entschieden. Aus wel chem Grund? – Fragezeichen. Herr Ministerpräsident, ich ha be die böse Ahnung, dass Sie selbst wussten und wissen, dass Ihr sogenanntes Paket, das Sie am Montag in die Welt gesetzt und am Dienstag dann vermarktet haben, viele Worte und we nig Wirkung enthält. Vielleicht haben Sie deswegen Hals über Kopf gehandelt: am späten Montagabend ein Papier einen, es über Nacht mit Ach und Krach bis in die Kabinettssitzung ab runden und danach alle überrumpeln – erst die Medien in der Landespressekonferenz und heute den Landtag.

Eine ordentliche Aussprache über ein ordentliches Paket ist so eigentlich gar nicht drin. Ihr überstürztes Vorgehen zeigt, dass es Ihnen wahrscheinlich mehr um den politischen Effekt als um die nachhaltige Sicherheit geht. Ihr Paket wird immer kleiner und kleiner, je länger man es anschaut. Vielleicht soll te auch möglichst wenig Zeit zum Anschauen bleiben.

Und es bleibt noch ein entscheidendes Fragezeichen: Glau ben Sie, das Paket wird dem gerecht, was die Polizistinnen und Polizisten in unserem Land von uns, von dieser Landes regierung, aber auch von diesem Parlament erwarten? Unsere Polizei, unsere Ermittlungsbehörden brauchen mehr Schlag kraft, um ihrer Aufgabe effektiv nachgehen zu können. Aber Sie liefern Schlagworte. Glauben Sie, das genügt? Glauben Sie, es genügt den Menschen im Land, wenn Sie einfach be haupten, es handle sich um ein Sicherheitspaket, wenn Sie mehr Sicherheit und ein entschlossenes Vorgehen nur herbei reden wollen?

Wir alle wollen mehr Sicherheit: vor Extremisten und Fana tikern, vor Gefährdern aus dem In- und Ausland, vor Terro

risten, egal, ob von links außen oder von rechts außen. Ein Staat, der diese Sicherheit liefert – besonnen und entschlos sen, mit Geduld und Geld –, schafft auch Sicherheit gegen über denen, die die Ängste der Leute ausnutzen wollen. Ein solcher Staat, eine solche Regierung bewahrt Menschen da vor, dass die einen Extremisten sie in die Arme der anderen Extremisten treiben.

Das, was Sie seit gestern als Sicherheitspaket vermarkten, lie fert diese Sicherheit aber nicht. Ein Paket, das unausgereift ist, das zusammengeschustert wirkt, das nur dazu dient, die Öffentlichkeit zu beeindrucken, reicht tatsächlich nicht. Zur tatsächlichen Sicherheit braucht es mehr. Ein solches Paket reicht uns nicht, und ich bin mir sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, das reicht auch den Menschen in diesem Land nicht! – Ausrufezeichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Vorneweg möchte ich mich im Na men meiner Fraktion bei Ihnen, Herr Kollege Gruber, für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich habe unser gemeinsames sportliches Event, Herr Kollege, noch sehr gut im Kopf und wünsche Ihnen für Ihre persönliche Zukunft gute Genesung und alles Gute. Vielen Dank für die Zusammenarbeit.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD – Ver einzelt Beifall bei der AfD)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! BadenWürttemberg ist ein liberales, ein weltoffenes Land. BadenWürttemberg ist ein freies Land, und Baden-Württemberg ist ein sicheres Land. Es ist meine feste politische Überzeugung, solange ich Politik mache: Freiheit und Sicherheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn es braucht Sicher heit, um in Freiheit zu leben. Das eine bedingt das andere, lie be Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)