Zunächst zum Kirchensteuerrecht. Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, dass Gesetze folgerichtig sind und dass sie für die Bürgerinnen und Bürger lesbar und verständ lich sind. Der Ihnen vorliegende Entwurf zur Änderung des Kirchensteuergesetzes trägt hierzu bei.
Zum einen soll die Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Kirchensteuer ausgeschlossen werden. Mit dem Ver spätungszuschlag wird die verspätete oder unterbliebene Ab gabe einer Steuererklärung sanktioniert. Darüber hinaus wird mit dem Verspätungszuschlag Druck ausgeübt, dass Steuerer klärungen zukünftig rechtzeitig abgegeben werden. Demge genüber verzichtet das Kirchensteuerrecht aber in wesentli chen Bereichen auf Druckmittel und Sanktionen.
Mit der Änderung des Kirchensteuergesetzes soll diese grund legende Entscheidung des Landesgesetzgebers folgerichtig umgesetzt werden und auch der Verspätungszuschlag für die Kirchensteuer ausgeschlossen werden. Außerdem tragen wir dadurch auch dem Anliegen der erhebungsberechtigten Kir chen und Religionsgemeinschaften Rechnung. Selbstverständ lich – um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – kann bei verspäteter oder unterbliebener Abgabe einer Ein kommensteuererklärung auch zukünftig ein Verspätungszu schlag festgesetzt werden.
Ferner soll mit dem Entwurf die Lesbarkeit und Verständlich keit des Kirchensteuergesetzes erhöht werden. Das Kirchen steuergesetz verweist auf zahlreiche Vorschriften in anderen Gesetzen. Gemeint ist damit stets die Vorschrift in ihrer je
weils geltenden Fassung. Für diese Verweise verwendet das Kirchensteuergesetz bislang allerdings unterschiedliche For mulierungen, ohne dass damit in der Sache Unterschiedliches gemeint ist. Um hier Klarheit zu schaffen und um Missver ständnisse zu vermeiden, sollen die Verweise nun einheitlich formuliert werden.
Der zweite Teil des Gesetzes betrifft den ÖPNV und das FAG. Mit der Änderung des Gesetzes über die Planung, Organisa tion und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs wollen wir die sachgerechte Mittelausstattung der kommuna len Aufgabenträger sicherstellen, und das noch im Jahr 2018.
Der Hintergrund ist folgender: Bis 2017 flossen die Mittel des Landes als staatliche Basisfinanzierung direkt an die Beför derungsunternehmen. Im Oktober 2017 haben wir mit der Än derung des ÖPNVG die Finanzierung des öffentlichen Perso nennahverkehrs ab 2018 grundlegend neu geordnet. Die Mit tel fließen nun direkt vom Land an die kommunalen Aufga benträger des ÖPNV. Dazu wurden die Mittel für die einzel nen Aufgabenträger in einem komplexen Prozess ermittelt und gesetzlich festgeschrieben.
Trotz der dabei erfolgten Abstimmung zwischen allen Betei ligten kam es hierbei zu kleinen Unschärfen. Das Ministeri um für Verkehr hat daher unter Einbeziehung der betroffenen Aufgabenträger, Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen die erforderlichen Anpassungen ermittelt. Notwendig sind kleinere Verschiebungen zwischen den einzelnen Aufgaben trägern. Diese sollen jetzt mit dem vorliegenden Gesetzent wurf umgesetzt werden.
Neben dem ÖPNVG soll zudem das Finanzausgleichsgesetz, das FAG, geändert werden. Auch diese Änderung ist Folge der Systemumstellung. Ansprüche für die Schülerbeförderung wurden bis zum 31. Dezember 2017 nach dem bundesrecht lichen Personenbeförderungsgesetz ausgeglichen. Die im Jahr 2017 aufgrund dieses Gesetzes entstandenen Ausgleichsan sprüche müssen aber im Jahr 2018 noch ausgezahlt oder ver rechnet werden. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Abwicklung dieser Altansprüche ermöglichen.
Meine Damen und Herren, mit dem heutigen Gesetzentwurf fördern wir im Kirchensteuerrecht die Folgerichtigkeit und Klarheit und justieren aufgrund der bereits erfolgten System umstellung im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs nach. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung und Zustim mung.
(Abg. Anton Baron AfD: Der Präsidentin sollte man Folge leisten! – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Oh, Lerneffekt!)
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die Fraktion GRÜNE unterstützt dieses Ge setzesvorhaben zur Änderung der beiden genannten Gesetze. Ich beschränke mich in meinen Ausführungen auf die Kir chensteuer.
Die Kirchensteuer macht nach meinen letzten Erkenntnissen 78 % der Einnahmen der Kirchen aus. Der Rest sind leistungs bezogene Einnahmen wie z. B. bei Kindertagesstätten und Schulen, Einnahmen aus eigenem Vermögen und die Staats leistungen, die aus dem Jahr 1803 stammen, wo auch BadenWürttemberg für Enteignungen unter Napoleon nach dem Reichsdeputationshauptschluss bezahlt – das sind aber nur 3 %; darauf brauchen wir jetzt nicht näher einzugehen.
Die Kirchensteuer ist dem Sinn nach ein Mitgliedsbeitrag. Sie ist eine Steuer, wird aber von den Kirchen als eine Art Mit gliedsbeitrag gesehen. Sie wird durch die Länderfinanzbehör den eingezogen und von den Kirchen, von den Landeskirchen und Diözesen auf die Gemeinden verteilt. Sie ist ein Zuschlag zur Einkommensteuer. In Baden-Württemberg sind das 8 %. Da die Einkommensteuer bei uns nach der Leistungsfähigkeit erhoben wird, also ein gewisses Gerechtigkeitsempfinden nachvollzieht, gilt das natürlich dann automatisch auch für die Kirchensteuer.
Den steuererhebenden Religionsgemeinschaften ist es sehr wichtig, dass bei der Kirchensteuer auf Druckmittel, die man ansonsten bei den Steuerbürgern braucht – Sanktionen, Stra fen usw. –, verzichtet wird. Denn die Kirchen sehen die Steu er, wie gesagt, als eine Art Mitgliedsbeitrag an. Da würde man gern davon absehen, irgendwelche Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge, sonstige Zwangsgelder und was es sonst im Steuerrecht alles gibt, zu erheben. Vielleicht hat der eine oder andere das alles schon einmal persönlich erlebt. Ich ken ne das aus meiner beruflichen Tätigkeit: Da freut man sich im mer, wenn man es nur mit Kirchensteuer zu tun hat; da gibt es so etwas nämlich nicht.
Nun gab es eine Änderung bei der Kapitalertragsteuer. Auf grund des Datenschutzes darf der Steuerpflichtige ankreuzen, dass seine Religionszugehörigkeit der Bank nicht mitgeteilt wird. Die Bank kann dann keine Kirchensteuer für ihn abfüh ren. Denn sie weiß nicht, ob er oder sie in der Kirche ist. Für diese Fälle gibt es eine Steuererklärungspflicht. Diese Leute müssen dann die Kapitalerträge für die Kirchensteuer selbst erklären,
weil es niemand anderer für sie macht. Diese Erklärungs pflicht war ja bisher nicht vorhanden und wurde neu einge führt. In der Abgabenordnung wurde keine Änderung vorge nommen, sodass diese grundsätzlich auch für solche Fälle gilt. Zunächst einmal: Verspätungszuschläge sind festzusetzen, wenn man mehr als 14 Monate nach Jahresende die Steuerer klärung nicht abgegeben hat. Das ist jetzt eine sehr wichtige Erleichterung.
Die Änderung betrifft zwar nicht sehr viele Menschen, aber für diejenigen, die es betrifft, ist es eine Erleichterung, dass
die Kirchen darauf verzichten, dass der Staat Verspätungszu schläge für die nicht abgegebene Kirchensteuererklärung er heben darf, erheben soll, erheben muss. Das ist damit vorbei.
Die Frau Staatssekretärin hat es ja noch einmal gesagt: An sonsten wurden noch ein paar Wörter geändert, damit das Ge setz leichter verständlich ist. Es ist sowieso schon kompliziert, und man hat es jetzt ein bisschen einfacher gemacht. Vielleicht gibt es jetzt noch ein paar Menschen mehr, die es verstehen. Darüber freuen wir uns. Deswegen werden wir diesem Ge setzentwurf zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Der parlamentarische Vorgang ist schlicht und von eher technischer Natur. In der aktuellen Gesetzesänderung geht es um die Abschaffung der Erhebung von Verspätungszuschlägen im Besteuerungsverfahren. Dies wurde bereits ausgeführt.
Die Änderung geht auf den Wunsch der Kirchen zurück. Der Nutznießer der Steuer regt hier eine konkrete Änderung des Gesetzestextes an. Dem kann entsprochen werden. Die dar aus resultierende Übergangsvorschrift im FAG ist nur folge richtig. Die CDU-Fraktion stimmt dem zu. So weit, so schlicht.
Lassen Sie mich jedoch noch ein paar grundsätzliche Ausfüh rungen ergänzen, weil das Thema gern auch grundsätzlich dis kutiert wird. Die Kirchensteuer wird von dem einen oder an deren als ein Relikt aus vergangener Zeit empfunden und da mit auch zum Teil kritisch beäugt, bisweilen auch wirklich ak tiv kritisiert.
Das Kirchensteuergesetz spiegelt zum einen die historische Dimension der Trennung von Kirche und Staat wider. Unser Grundgesetz, wie schon zuvor die Weimarer Verfassung, hat diese besondere Ausprägung des Staatskirchenrechts mit dem sogenannten Weimarer Staatskirchenkompromiss begründet. Immerhin wird dieser in Kürze 100 Jahre alt und ist heute ei ne gute Grundlage der Kooperation von Staat und Kirche.
Lassen Sie mich klarstellen: Wir halten an der Konzeption und an der Aufgabenstellung der mit der Kirchensteuer verbunde nen Zusammenarbeit von Staat und Kirche fest.
Die kirchlichen Institutionen und ihre Eigenständigkeit brau chen eine verlässliche, vom Staat zu bewerkstelligende Finan zierungsgrundlage. Staat und Kirche sind in unserer Kultur getrennt. Das ist auch gut so. Ich bin überzeugt, dass der Ge danke, dass die weltliche und die geistliche Gemeinde nicht deckungsgleich sind, die erste Keimzelle dessen ist, was un sere Demokratie hervorgebracht hat.
Scholastik, Humanismus und die Aufklärung sind ohne diese gedankliche Trennung nicht denkbar. Trennung heißt aber nicht, die gegenseitige Existenz in der gleichen Sphäre zu ne gieren wie im Laizismus. Trennung heißt schon gar nicht ag
gressives Bekämpfen wie in den beiden deutschen Unrechts staaten. Lassen Sie mich festhalten und in Erinnerung rufen: Unsere Gesellschaft wäre ohne das Wirken unserer Kirchen ärmer.
Caritas, Diakonie, kirchliche Kindergärten und Schulen in kirchlicher Trägerschaft bereichern unser kulturelles und so ziales Angebot. Unsere Bildungslandschaft wäre ärmer und unsere Gesellschaft wäre kälter, wenn es das Wirken unserer Kirchen nicht gäbe.
Sozialstationen und Krankenpflegevereine geben unserer Ge sellschaft mehr als reine Pflege. Menschliche Zuwendung zum Nächsten und der oft gemeinsame Blick auf ein Leben nach der Krankheit, nach dem Tod stärken und ermutigen ganze Fa milien. Dabei geht es nicht nur um das kirchliche Ehrenamt, das hier Gutes bewirkt. Gerade die aufgezählten Beispiele sind vornehmlich aus der professionellen Arbeit, denn auch hier zählt der Geist, mit dem Kinder betreut werden, Kranke ge pflegt werden und sozial Schwachen geholfen wird, mit den christlichen Parametern aus Einfühlungsvermögen, Hinwen dung, Gemeinschaft. Der Christ sieht den Menschen im Mit telpunkt, und das ist das Wesentliche kirchlich organisierter Arbeit.
Aber auch der Kirchturm in der Mitte unserer Städte und Ge meinden – und dessen Erhalt – ist ein Fingerzeig auf unsere kulturelle Herkunft und damit auch uns Verpflichtung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der frühere Verfas sungsrichter Böckenförde hat uns einmal ins Stammbuch ge schrieben:
Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Vorausset zungen, die er selbst nicht garantieren kann.
Die Kirchen und Religionsgemeinschaften schaffen dieses so ziale Kapital, das unser Staat zum Gedeihen benötigt.
Es ist wichtig, dass wir uns diese Ergänzung, ja, Mahnung im mer wieder bewusst machen. Wir sind dafür dankbar.