Wer den Schüler zu Höherem führen möchte, ist nicht immer beliebt, zumindest nicht bei den bösen Buben. Auch in unse rer Gesellschaft haben die Lehrer nicht das ganz hohe Anse hen. Langfristig geht es also bei dieser Sache, die wir heute diskutieren, um das Ansehen des Lehrerberufs.
Der Mangel daran wirkt sich aus. Er zeigt sich heutzutage, wenn beispielsweise junge Lehrer in den Sommerferien Hartz IV beantragen dürfen. Dann entscheiden sich immer weniger jun ge Menschen für den Lehrerberuf. Die Zahl der Absolventen der Lehramtsstudiengänge ist drastisch zurückgegangen: 22 % Minus von 2011 auf 2015, also in nur vier Jahren. Die Zahl der Seminarteilnehmer ist in dieser Zeit von 2011 bis 2015 in der gleichen Größenordnung gesunken, und diese Zeit war, wie wir alle wissen, die Zeit der grünen Landesregierung und des von der SPD geführten Kultusministeriums.
Schauen wir noch einmal zu Wilhelm Busch. Lehrer sind ge nügsame Menschen. Sie brauchen nicht viel, um gute Arbeit zu leisten. Deswegen:
Einstens, als es Sonntag wieder und Herr Lämpel, brav und bieder, in der Kirche mit Gefühle saß vor seinem Orgelspiele,...
Was braucht der Lehrer, was braucht die Schule am meisten? Ruhe, um ungestört arbeiten zu können. In der vergangenen Legislaturperiode war diese Ruhe nicht gegeben. Der Schul friede war und, wie wir heute zur Kenntnis nehmen durften, ist gestört. Ideologische Streitigkeiten und Strukturreformen haben sich ausgewirkt.
Die Ruhe wird gestört. Wir, die wir hier sitzen, haben inzwi schen alle das Alter der bösen Buben hinter uns gelassen.
Sagen wir mal so: Wir haben auch die Seiten gewechselt, neh men wir mal an. Nun stehen wir auf der anderen Seite, auf der Seite des Lehrers. Wir sind bereit, Autoritäten anzuerkennen – zumindest die meisten von uns. Doch nicht alle. Bei SPD und Grünen gibt es immer noch Schwierigkeiten mit dem An erkennen von Autoritäten.
Was kann einem da Besseres in den Sinn kommen, als zu be schließen, dass es Lehrer gar nicht mehr in der erforderlichen Stückzahl braucht? Genau das taten Sie im Jahr 2011, als Sie an die Regierung kamen. Sie haben dies natürlich anders be gründet: Sie lasen aus der Statistik heraus, dass die Schüler zahlen zwangsläufig sinken würden – und schon hatte man ei nen Grund, um Lehrerstellen in großer Zahl zu streichen. Und wie beim Lehrer Lämpel:
Das Stichwort Wissenschaft hatten wir heute schon öfter. – Ja, wer denn? Die Lernbegleiter natürlich und die Sozialar beiter. Da hat man das Autoritätsproblem nicht mehr.
Ich höre so oft: Die moderne Schule, die Gemeinschaftsschu le, da hat man dann die Kinder vor den Bildschirmen sitzen. Wir alle erinnern uns an die Fotos von Kindern in cockpitähn lichen Einzelzellen, vom Bildschirm unterrichtet, von Pro grammen geleitet. Vielleicht ist deswegen den Grünen die Di gitalisierung auch so wichtig. Die Misere wird aber deutlich.
Und was macht die SPD, die genau dafür verantwortlich ist? Sie inszeniert sich in der Öffentlichkeit als Partei, die sich für eine bessere Lehrerversorgung einsetzt. Oder wie sonst sind die vielen Berichtsanträge – praktisch flächendeckend – zum Thema Unterrichtsversorgung zu erklären?
Meine Damen und Herren, sparen Sie sich die Tinte dafür! Es ist allgemein bekannt, dass Sie in der vergangenen Legislatur den Minister stellten und dass Sie für die Situation bei der Lehrerversorgung, bei der Unterrichtsversorgung verantwort lich sind.
Entsprechendes gilt für die Grünen, die in dieser Frage merk würdig still sind und die Geschäfte durch eine CDU-Kultus ministerin führen lassen – eine CDU-Ministerin, die vor zwei
Wochen von ihren Parteikollegen bei der Vorstellung des Ge setzentwurfs zur gymnasialen Oberstufe an Gemeinschafts schulen nur sehr geringen Applaus bekam.
Sehr geehrte Herren von der CDU – „sehr geringen“, habe ich gesagt –, ich finde, da hätten Sie ruhig etwas charmanter sein dürfen.
Meine Damen und Herren, es fehlt überall an Lehrkräften. Das Kultusministerium rechtfertigt dies damit, dass es diese Leh rer derzeit nicht gebe. Ist das eine Schutzbehauptung? Es gibt immer die Möglichkeit, Lehrkräfte weiterzubilden und fort zubilden. Es gibt auch die Möglichkeit, Lehrer an anderen Schulformen einzusetzen. Gymnasiallehrer können, sofern sie zustimmen, an einer Grundschule eingesetzt werden, oder sie können an beruflichen Gymnasien unterrichten – das Loblied auf diese Schulform haben wir heute auch schon gehört.
Wir haben gehört, wie dramatisch der Bewerberrückgang in den letzten vier Jahren war. Dies ist nicht allein mit der de mografischen Entwicklung zu rechtfertigen. Wenn der Lehrer beruf attraktiv ist und gesellschaftliche Akzeptanz genießt, dann werden wir auch Bewerber bekommen, und dann kön nen wir auch Hochschulabsolventen ohne Lehramtsstudium mit einem Aufbaustudium weiterbilden. Dann können wir aber auch – daher die entsprechenden Anträge – durch Zulagen Lehrer in Mangelfächern und in Mangelregionen gewinnen.
Die Grundvoraussetzung ist jedoch, dass der Lehrerberuf als solcher attraktiv ist. Was aber haben wir derzeit? Eine Sozi alpädagogisierung in den Schulen, Sozialpädagogen als Leh rer.
Das Ergebnis ist eine in Watte gepackte Jugend, die sich nicht mehr zutraut, sich Herausforderungen zu stellen,
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Wir sind doch keine Wattestäb chenwerfer!)
weil man sie nie mit Herausforderungen konfrontiert hat. Ty pisch hierfür ist der jetzige Vorfall an einer Gemeinschafts schule in Bad Urach: Offensichtlich hat eine Lehrkraft den Umschlag mit den Prüfungsaufgaben vorsichtig geöffnet. Viel leicht brachte sie oder er es nicht übers Lernbegleiter-, Sozi alpädagogen- oder Pädagogenherz, die Schüler so ganz un vorbereitet in diese Prüfung rauschen zu lassen.
Wir müssen den Schülern – das ist die Ableitung daraus – wie der mehr zutrauen, und dazu brauchen wir professionellen Lehrernachwuchs, keine weichgespülten Pädagogen und schon gar nicht den angedachten Einheitslehrer. Wir haben nichts gegen Sozialpädagogen an den Schulen, aber diese können den Lehrer nicht ersetzen.
Der in der vergangenen Legislaturperiode unternommene Ver such, den Einheitslehrer zu bilden, läuft genau in die falsche Richtung. Wir brauchen den hoch professionellen Lehrer, den Lehrer, der die Schüler auf hohem fachlichen Niveau unter richtet und selbst auf einem entsprechenden Niveau weiterge bildet wird.
Grüne und SPD sind es auch, die in ihrem Konzept die Inklu sion als Zweipädagogenprinzip befürworten. Natürlich kann man Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischen Förder bedarf nicht ohne Hilfestellung in eine normale Klasse setzen. Doch wenn man versucht, dieses Zweipädagogenprinzip durch zusetzen, braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich der Lehrereinstellungsbedarf vergrößert und man diesen Bedarf nicht decken kann.
„Max und Moritz“ halte ich für ein gutes Beispiel für diese Thematik. Wenn Sie einmal in die ältere und weniger witzige Literatur gehen, werden Sie noch viel mehr ähnliche Beispie le finden. Aber ich meine, dieses Beispiel eignet sich für die ses Thema ganz hervorragend. Nehmen Sie es einfach mit als Stoff zum Nachdenken.
Die Landesregierung kaschiert die Lehrermisere mit mangeln der Transparenz bei der Darstellung von Lehrerstellen. Der Berufsschullehrerverband sprach situationsabhängig von un terschiedlichen Sprachregelungen oder von „Luftbuchungen“ und „kreativer Buchführung“. Man könnte auch von Taschen spielertricks bei den Lehrerstellen sprechen. Wenn ein Leh rer, dessen Zeitvertrag ausläuft, einen neuen Zeitvertrag be kommt, dann ist dies kein Stellenzuwachs; das ist jedem von uns klar. Wenn eine Stelle mit k.w.-Vermerk – künftig weg fallend – noch nicht abgebaut wird, so ist dies auch kein Stel lenzuwachs. Der Berufsschullehrerverband spricht von über 400 fehlenden Stellen allein bei den beruflichen Schulen. Aber vielleicht ist dies ja auch Absicht; vielleicht tauchen ja diese Stellen wieder auf – wenn es um die Gemeinschaftsschulen geht.
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass sich hin ter dem Lehrermangel eine tief greifende Krise verbirgt: ein Mangel an Anerkennung von Autoritäten und ein Mangel an Wertschätzung beim Lehrerberuf.