Protocol of the Session on June 8, 2016

Ja, ich weiß, das tut euch weh.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Schaufenster reicht nicht!)

Ja. Ich sage gerade: Es ist mehr als Schaufenster, es ist auch mehr als Symbolik. Es ist eine klare Ansage, dass Wirtschafts politik in Baden-Württemberg ab sofort wieder höchstes Ge wicht hat. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Ja! – Dazu wird die Wirtschaftsministerin, die aus einem mittelständischen Betrieb kommt, sicherlich ihren Beitrag bringen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, Wachstum und Wohlstand brauchen Wege, Straßen und Schienen ebenso wie leistungs fähige Datenleitungen. Wir müssen den Investitionsstau auf lösen. Mit 320 Millionen € für den Breitbandausbau und mit 500 Millionen € für Straße, Schiene und Hochschulbau sor gen wir dafür, dass die Infrastruktur im Land Schritt hält mit einer mobilen und auch vernetzten Welt, digital und analog. Diese Schlüsselressourcen müssen wir nutzen. Auch dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wenn wir bei Schlüsselressourcen sind: Der wichtigste Roh stoff in dieser Welt sind Wissen und Bildung, Grips und Geist. Sie ermöglichen, dass wir in unserem Land nicht nur zu Op fern, sondern zu Gestaltern der digitalen Welt, des digitalen Wandels werden. Es ist kein Geheimnis: Auf dem zentralen landespolitischen Feld der Bildungspolitik gibt es seit jeher auch viel Trennendes zwischen den Parteien, auch zwischen CDU und Grünen, und ich sage auch voraus: Hier wird es in nerhalb der nächsten fünf Jahre sicherlich noch innerkoaliti onären Abstimmungsbedarf geben.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Ah! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Völlig logisch! – Zuruf des Abg. Sa scha Binder SPD)

Ja. – Aber wir sind gemeinsam bereit, zum einen Brücken über bildungspolitische Gräben zu bauen und zum anderen auch pragmatische Lösungen anzugehen. Es ist nun einmal – auch gerade jetzt – die Zeit der Kompromisse. Wir haben im mer gesagt: Wir werden die Gemeinschaftsschule nicht ein fach wieder von der Bildungslandkarte löschen. Denn Schüler, Eltern und Lehrer haben einen Anspruch darauf, dass bil dungspolitische Grundsatzentscheidungen länger als eine Wahl periode Bestand haben und dass an den Schulen nicht ständig hin- und herreformiert wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Aber wir haben hier vieles vom ideologischen Sockel herun tergeholt.

(Lachen des Abg. Andreas Stoch SPD)

Wir beenden auch die Verkündigung nur einer Schulart wie der Gemeinschaftsschule als Dogma. Wir ordnen sie ein in ein ohnehin vielfältiges Bildungswesen der vielen Wege, und wir

überwinden damit die quälenden Strukturdebatten und kon zentrieren uns auf Unterrichtsqualität und Bildungserfolg in passgenauen Angeboten. Mehr über Qualität und weniger über Strukturen – das ist unser Motto, mit dem wir an die Bildung herangehen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das bedeutet für uns neben der Einführung des Kinderbil dungspasses, neben passgenauen Ganztagsangeboten – auch hier hat sich die Gesellschaft verändert; wir dürfen das nicht nur rückwärtsgewandt diskutieren – das klare Bekenntnis zum Gymnasium. Es bedeutet für uns die Stärkung der Realschu le mit einem zukunftsgerichteten Profil als weiterhin tragen de Säule der Sekundarstufe I und die weitere Profilierung auch der beruflichen Bildung auf Augenhöhe. Das ist unser Weg, den wir verfolgen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Dabei ist uns wichtig, dass auch die erfolgreichen beruflichen Gymnasien keine unnötige Konkurrenz bekommen. Deshalb will ich schon einen Punkt betonen, weil der so oft diskutiert wurde: Eine Oberstufe wird es in Zukunft gerade einmal an zehn von über 290 Gemeinschaftsschulen geben.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: So steht es aber nicht drin!)

Das sind maximal 3 % der Gemeinschaftsschulstandorte. Des halb muss man die Zahl schon hinzufügen, wenn man über dieses Thema spricht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Wo stehen die Zahlen?)

Mit dieser festen Obergrenze sichern wir die Existenz der Gymnasien, Herr Kollege Stoch, an denen ja auch Ihnen sehr viel gelegen ist, wie ich weiß.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD)

Hierfür, verehrte Kolleginnen und Kollegen, steht auch unse re neue Kultusministerin Susanne Eisenmann. Wir sind über zeugt davon, dass wir gerade auch in der Bildungspolitik wei ter Verlässlichkeit und vor allem Zuversicht in die Schulen vermitteln, damit Schüler, Lehrer und Eltern Gewissheit ha ben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Königsrecht des Parla ments ist das Budgetrecht.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Deshalb gehört zum Beginn einer Legislaturperiode auch ei ne ehrliche und eine ordentliche Eröffnungsbilanz des Staats haushalts. Das Land hat übrigens vor allem in den vergange nen fünf Jahren Rekord um Rekord bei den Steuereinnahmen eingefahren. Zwischen 2010 und 2016 verbuchte der Finanz minister ein Einnahmeplus von 40 %, nämlich von 24,8 Mil liarden € auf zuletzt 34,8 Milliarden €. In dieser Zeit der spru delnden Steuerquellen haben acht Bundesländer damit begon

nen, Altschulden zurückzuzahlen. Bei uns hat sich der Schul denberg aber erhöht und damit das Haushaltsloch vergrößert. Ich meine, hier haben wir eine große Chance vertan und auch wertvolle Zeit verspielt. Wir könnten heute noch besser daste hen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Nun steht die neue Koalition vor der Aufgabe, den Haushalt zu sanieren und die Deckungslücke von fast 2 Milliarden € zu schließen, allerdings unter deutlich schwierigeren Bedingun gen. Denn die Zuwächse bei den Einnahmen werden sich in den nächsten Jahren nicht so fortsetzen. Der Steuerregen ist ja leider der einzige Regen, der oft schon verdunstet ist, be vor er den Boden erreicht hat. Aber wir stehen – das will ich hier schon sagen – zur haushaltspolitischen Verantwortung. Wir bekennen uns, wie der Kollege Schwarz zu Recht ausge führt hat, zur Schuldenbremse, und wir wollen die Erblast für die Generation unserer Kinder endlich auch wirksam begren zen. Auch das ist ein Auftrag, dem wir uns stellen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Mit dem Einzug der AfD in dieses Parlament – wir haben es vorhin vom Kollegen Meuthen gehört, und ich habe es heute erst recht so vorausgesehen – werden wir noch viel über po litische Kultur im Land und in diesem Haus zu sprechen ha ben.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf von der AfD: Sie kön nen noch was lernen! – Gegenruf von der CDU: Man muss nicht alles lernen!)

Da sind wir uns sicherlich alle einig.

Wir müssen uns fragen, welches Bild von Baden-Württem berg wir den Menschen, auch der Welt vermitteln wollen. Ein Thema liegt mir da besonders am Herzen, und das ist Europa. Baden-Württemberg liegt nicht nur im redensartlichen Sinn, sondern ganz real und geografisch mitten in Europa. Bei uns kreuzen sich die großen kontinentalen Verbindungsachsen von Rotterdam nach Genua, von Paris nach Budapest. Die Unter nehmen in unserem Land exportieren aktuell Güter und Wa ren im Wert von fast 100 Milliarden € im Jahr allein in die Länder der Europäischen Union. Das ist immerhin die Hälfte der gesamten baden-württembergischen Ausfuhr. Bei den Wa ren aus dem Hochtechnologiesektor ist der Anteil der Expor te sogar noch deutlich höher.

Das zeigt: Wir in Baden-Württemberg sind nicht nur Europä er, wir leben auch von Europa. Wenn jemand von der europä ischen Integration profitiert hat und weiter profitiert, dann sind das wir. Europa steht in vielen Fragen am Scheideweg. Aktu ell bin ich überzeugt davon: Für die großen Themen – globa le Flüchtlingskrise – brauchen wir erst recht europäische Lö sungen statt Nationalismus. Das ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Als europäische Region mit weltweiten Verflechtungen ist für uns deshalb eine Zukunft ohne ein offenes Europa überhaupt nicht denkbar. Hierfür steht gerade unser neuer Justiz- und

Europaminister Wolf; denn er hat diese Aufgabe übernommen und wird sie ebenfalls erfolgreich in diesem Land als Bot schaft weiter hinaustragen.

Gerade unter dem Eindruck der europäischen Krise und gera de an die Adresse aller, die jetzt die europäische Idee infrage stellen, sage ich deshalb: Ein Land wie Baden-Württemberg kann sich billige Antieuropareflexe auch von der AfD schlicht und einfach nicht leisten, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Europa ist ein Kontinent!)

Wer hier seine Heimat wirklich liebt, der steht zu Europa. Al les andere schadet diesem Land. Es ist letztlich ziemlich ein fach, klarzumachen, was Sie von uns unterscheidet. Das wur de auch in Ihrer heutigen Eingangsrede deutlich. Ihr Selbst verständnis ist es, Zukunftsangst zu schüren. Unseres ist es, Zukunftsfähigkeit zu schaffen. Das ist der Unterschied zwi schen uns beiden.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Nicole Razavi CDU: Ge nau!)

Und wir, die Union, sind die Alternative zur Alternative für Deutschland.

(Lachen bei der AfD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir sind die wirklich freundlichen Patrioten in diesem Land, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD – Vereinzelt Heiterkeit)

Ich will in die Schlussrunde kommen. Adenauer, unser erster Bundeskanzler,