Protocol of the Session on February 9, 2017

Ich beginne mit einer anderen großen Linie, bevor ich auf die Einzelheiten des Haushalts eingehe. Wir befinden uns bekann termaßen am Beginn des großen Reformationsjahrs. Ein wirk lich spannender Aspekt der Reformation ist, dass die Glau bensreformation von Anfang an auch eine Bildungsreforma tion war, also eine Bewegung, die für mehr Selbstbestimmung und mehr Bildung für alle gekämpft und dabei auch immer sehr bewusst für kritische und selbstbewusste Wissenschaft gestritten hat.

Einer der engsten Gefährten Luthers war Philipp Melanch thon, der in unserem Land geboren ist und in Heidelberg und Tübingen studiert hat. Lassen Sie mich deshalb mit einem Zi tat dieses großen Reformers beginnen – ein schönes, eindring liches Zitat –:

Und schreckliche Finsternisse werden in der ganzen bür gerlichen Gesellschaft die Folge sein, wenn man das Stu dium der Wissenschaften vernachlässigt.

Ich finde, er hatte recht, und dieses Zitat gilt bis heute. Aber wenn man sich heute in der Welt umschaut, dann sieht man, dass diese Einsicht nicht selbstverständlich geworden ist. Wis senschaft hat heute mit vielerlei Problemen zu kämpfen, und sie steht vielfältig unter Druck.

(Abg. Anton Baron AfD: Wissenschaft mit Ideologie verwechselt!)

Lassen Sie mich dabei nicht einfach auf die Frage des be grenzten Geldes und der begrenzten Ressourcen verweisen in einer Situation – dies wurde bereits vielfach ausgeführt –, in der Wissenschaft und Hochschulen enorm gewachsen sind. Viel stärker bedroht die Stellung der Wissenschaft ein um sich greifender, grassierender Antiintellektualismus – ich möchte es einmal so nennen –, der von weltweit erstarkenden, sozu sagen postfaktischen und neurechten Bewegungen genährt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Wir haben die meisten Doktoren!)

Baden-Württemberg steht dabei als herausragender Wissen schaftsstandort mit seinen traditionsreichen und exzellenten Universitäten und einer vielfältigen und stark ausgeprägten Hochschullandschaft für das genaue Gegenteil: für eine Ge sellschaft, deren Wohlstand, deren Zuversicht und deren Er neuerungsfähigkeit auf der Basis wissenschaftlicher Erkennt nisse gedeihen.

Mich freut es sehr, dass es in diesem Haus in den letzten Jah ren immer wieder einen weitreichenden Konsens gab, dass

Baden-Württemberg ein Standort exzellenter Wissenschaft ist und bleiben muss. Nicht nur das: Es gibt einen weitgehenden Konsens – ich hoffe, dieser bleibt erhalten –: Gerade in Zei ten wachsender Abschottung und des wachsenden Nationalis mus sind unsere Hochschulen wichtige Gegenpole, weil un sere Hochschulen Orte des kosmopolitischen Geistes sind,

(Abg. Anton Baron AfD: Deswegen lassen Sie aus ländische Studierende bezahlen!)

Orte der Diplomatie, der Offenheit, der Neugier und des Re spekts gegenüber dem Argument des anderen. Sie sind Orte, in denen das Denken im globalen Kontext und in der globa len Verantwortung gelebte Praxis ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Deswegen bin ich allen Kolleginnen und Kollegen hier im Haus dafür dankbar, dass ihre Unterstützung entscheidend da zu beiträgt, dass unsere Hochschulen und Forschungseinrich tungen ihre Qualität erhalten, sie verteidigen und weiter ver bessern können – und dies gerade auch im nationalen und in ternationalen Vergleich.

Der Einzelplan 14 des Landeshaushalts wird – das ist heute bereits angedeutet worden – im Ausgabenvolumen um 174 Millionen € deutlich steigen auf ein Niveau von insgesamt 5,2 Milliarden €. Das ist eine Steigerung um 3,4 %; diese Steige rung fällt also deutlich höher aus als die durchschnittliche Steigerung des Landeshaushalts insgesamt; dieser wächst um etwa 2 %.

Das Wissenschaftsministerium wird trotzdem die in der Lan desregierung vereinbarten Beiträge zur Konsolidierung des Landeshaushalts in voller Höhe erbringen. Dies werden wir durch gezielte Ausgabenreduktion einerseits und die Gewin nung zusätzlicher Einnahmen andererseits erreichen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch nicht versäumen, zu betonen, dass uns die Schuldenbremse, die wir miteinander einhalten wollen und müssen, durchaus Spielräume nimmt. Wir haben einen sehr hohen Bedarf an Investitionen – in die Forschungsinfrastruktur, in den Baubereich. Wir haben große Baustellen im Personalbereich, Stichwort: Verlässlichkeit aka demischer Karrieren. Wir haben viel zu tun in Sachen Digita lisierung. Big Data stellt die Hochschulen, die Wissenschaft vor neue Herausforderungen, aber auch vor ganz neue Mög lichkeiten. Da ist enorm viel zu tun.

Wissenschaft und Forschung werden daher auch in Zukunft ein stark wachsender Bereich sein. Wissenschaft ist in den letzten Jahren – darauf ist bereits verwiesen worden – enorm gewachsen. 65 % mehr Studierende seit der Jahrtausendwen de; die eingeworbenen Drittmittel haben sich verdoppelt; wir haben 40 % mehr Personal.

Deswegen muss man der Ehrlichkeit halber schon sagen: Trotz der starken Anstrengungen, die wir hier im Land getätigt ha ben und die wir im nächsten Haushalt auch wieder tätigen werden, konnten die Investitionen im Vergleich mit dem Wachstum nicht Schritt halten. Deswegen sind unsere Wis senschaftseinrichtungen gefordert, sich sehr anzustrengen, mit den begrenzten Ressourcen gut umzugehen.

Jetzt will ich hier aber nicht vor Finsternis warnen – um auf Melanchthon zurückzukommen –, sondern nur festhalten, dass wir, auch im Hinblick auf die nächsten Jahre, wissen müssen und uns klarmachen müssen: Wir müssen aufpassen, dass wir einen sehr dynamischen Bereich, wie es die Wissenschaft ist, nicht spürbar ausbremsen. Wir dürfen in unseren Anstrengun gen für gute und noch bessere Wissenschaft nicht nachlassen.

Forschung und Lehre sind die Grundlage unseres Wohlstands. Wir brauchen innovative Ideen und gut ausgebildeten Nach wuchs, und zwar mehr denn je.

Lassen Sie mich, falls Sie sich schon gewundert haben, dass ich nur über Wissenschaft rede, bei dieser Gelegenheit anmer ken: Ich habe mit meiner Staatssekretärin vereinbart, dass ich über Wissenschaft rede und sie im Anschluss daran über die Kulturaspekte – für die im Grundsatz all das ebenfalls gilt, was ich hier für die Wissenschaft reklamiere.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Lassen Sie mich auf ein paar wichtige Highlights und Punk te dieses Haushalts eingehen, die ich noch einmal vertiefen möchte.

Erstens das Thema Exzellenzinitiative/Exzellenzstrategie, das wir in diesem Haushalt noch einmal sehr stark mit Ressour cen unterlegt haben: Wir werden zusätzlich zu den bisher ein gestellten Ressourcen noch einmal 11 Millionen € in die Hand nehmen, um unsere Universitäten bei der Antragstellung für die Exzellenzstrategie zu unterstützen. Denn die Phase, die hier vor uns liegt, hat enorme Bedeutung. Die Struktur der Universitätslandschaft in Deutschland wird sich auf lange Sicht mit der Exzellenzstrategie verändern, sich vielleicht dau erhaft in einer größeren Unterschiedlichkeit etablieren, als wir sie heute haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Erfol ge, die wir bisher in der Exzellenzinitiative in Baden-Würt temberg erzielt haben, jetzt, in der neuen Phase, die eine ent scheidende sein wird, in dieser Runde, mindestens wiederho len müssen. Genau genommen müssen wir sie ausbauen. Nur dann haben wir den Erfolg der letzten zehn Jahre auch für die Zukunft verstetigt.

Mit den zusätzlichen 11 Millionen € werden wir die Antrags skizzen, die zurzeit erarbeitet werden, und die Ausarbeitung der Vollanträge im nächsten Jahr zusammen mit 500 000 € für jeden Antrag unterstützen. Jetzt zählt es für unsere Universi täten. In den letzten Jahren war es schon wichtig, aber jetzt zählt es wirklich. Denn die Strukturen der Zukunft werden jetzt definiert.

Daneben gilt es auch bei unseren Hochschulen für angewand te Wissenschaften jetzt alles dafür zu tun, dass sie bei dem Bundeswettbewerb „Innovative Hochschule“ erfolgreich mit dabei sein können. Auch hier unterstützen wir die Hochschu len in der Phase der Antragstellung, damit sie sich optimal aufgestellt präsentieren können.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich hier für die schöne und sinnvolle Initiative der Regierungsfraktionen bedanken, eine Erfolgsprämie für die Hochschulen für angewandte Wis senschaften auszubringen, um noch einmal zu verstärken, dass wir uns auch von ihnen eine erfolgreiche Teilnahme am Wett bewerb erhoffen.

Lassen Sie mich ein paar Ausführungen zum Stichwort Digi talisierung machen. Wir haben über alle Ressortgrenzen hin weg das Thema Digitalisierung als Schwerpunktthema in die ser Legislaturperiode in Bearbeitung. Digitalisierung ist ein zentrales Thema, auch für das Wissenschaftsministerium. Un sere Hochschulen sind nicht nur gefordert, sich technisch und in der Infrastruktur den neuen Aufgaben zu stellen, sondern unsere Hochschulen sind zentrale Orte, an denen Digitalisie rung erfunden und weitergedacht wird und an denen sich die Technologien von morgen erst entwickeln. Das Thema „Künst liche Intelligenz“ nimmt dabei z. B. eine Schlüsselrolle ein.

Deswegen möchte ich zwei Projekte, die in diesem Zusam menhang von besonderer Bedeutung sind, herausstellen: Das eine ist das erwähnte Projekt Cyber Valley, und das zweite ist unsere Verpflichtungsermächtigung für den Höchstleistungs rechner.

Den Startschuss zum Cyber Valley haben wir Ende des ver gangenen Jahres getätigt. Wir werden im laufenden Jahr zu sammen mit unseren Partnern, der Max-Planck-Gesellschaft, den Universitäten Stuttgart und Tübingen und der Industrie, insbesondere Bosch, Daimler, Porsche, ZF Friedrichshafen, die konkrete Umsetzung in Angriff nehmen. Wir werden eine Research School der Max-Planck-Gesellschaft mit insgesamt zwölf Promotionsstellen unterstützen. Darüber hinaus werden wir den beiden beteiligten Universitäten Professuren gewäh ren und neue ausbringen. Mittelfristig werden wir auch einen Neubau für die Forschung an der Schnittstelle Mensch und Maschine erstellen.

Zweites Thema, der Höchstleistungsrechner: Wir brauchen laufend Ressourcen und erhebliche Ressourcen, um dafür zu sorgen, dass die nächste Generation des Höchstleistungsrech nens auch wieder in Baden-Württemberg aufgebaut wird. In Baden-Württemberg ist neben Jülich und München einer von drei Orten, eines von drei Zentren in Deutschland, wo Höchst leistungsrechner installiert sind.

Das ist eine enorme Investition, die da getätigt ist, und auch eine Investition, die sich permanent erneuern muss. Wir ha ben im Haushalt Verpflichtungsermächtigungen mit einer Summe von 70 Millionen € für die kommenden sieben Jahre ausgebracht, um diese Erneuerung auch zu stemmen. Das ist ein großer Kraftakt. Es ist aber ein Schlüsselthema für die er folgreiche Weiterentwicklung unserer Forschungslandschaft.

Digitalisierung ist nicht nur ein Thema für die Leuchttürme, sondern auch für die Breite. Deswegen haben wir Mittel im Zusammenhang mit der Digitalisierungsoffensive des Landes eingestellt, um verschiedene Programme für die Digitalisie rung in unserem Hochschulbereich voranzubringen. Machen Sie, Frau Abg. Rolland, sich daher keine Sorgen: Wir haben auch bei der Digitalisierung das Thema Lehre fest im Blick. Wir fördern heute schon innovative Projekte im Bereich Smart Learning, Better Teaching,

(Abg. Gabi Rolland SPD: Ja, Projekte! Es geht aber um eine Strategie!)

und wir haben weitere Förderlinien ausgebracht, um das The ma „Digitalisierung in der Lehre“ voranzubringen.

Daneben investieren wir, um die Hochschulen beim For schungsdatenmanagement zu unterstützen. Das ist ein kom

pliziertes und aufwendiges neues Feld, das sich im Zusam menhang mit Big Data entwickelt. Wir helfen unseren Hoch schulen auch, ihre Verwaltungsinfrastruktur und IT-Infrastruk tur zu modernisieren.

Das Stichwort Hochschulfinanzierungsvertrag wurde bereits angesprochen. Lassen Sie mich dazu noch ein paar Dinge klar stellen. Wir haben im vergangenen Doppelhaushalt den mit den Hochschulen abgeschlossenen Vertrag in den Haushalt in tegriert. Wenn wir jetzt in das dritte Jahr der Umsetzung, das mit dem Haushalt 2017 angebrochen ist, blicken, lässt sich ei ne erste Zwischenbilanz ziehen: Wir haben mit diesem Ver trag die Grundfinanzierung unserer Hochschulen sukzessive und verlässlich erhöht. Im bisherigen Zeitraum dieses Vertrags steigt die Grundfinanzierung der Hochschulen in unserem Land um insgesamt 500 Millionen €. Das ist eine Steigerung der Grundfinanzierung um rund 22 % in den letzten drei Jah ren bzw. um über 7 % pro Jahr. Wir haben im Zusammenhang mit dieser enormen Steigerung der Grundfinanzierung die Möglichkeit eröffnet, Stellen auszubringen, um insbesondere die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse dort, wo es mög lich ist, zu verringern und die Zahl der festen Arbeitsverhält nisse zu steigern.

(Beifall des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

In der Summe haben wir seit 2014 durch diese Konstruktion – jetzt hören Sie gut zu! – über 2 200 Stellen in unserem Hoch schulbereich fest etablieren können. Das ist eine Bilanz nach drei Jahren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sehr gut!)

Wir geben mit diesem Vertrag den Hochschulen mehr Verläss lichkeit, und wir geben ihnen mehr Spielräume, um in Wahr nehmung ihrer Autonomie und Strategiefähigkeit selbst zu entscheiden, wo sie ihre Profile ausbilden wollen und welche Schwerpunkte sie stärken wollen. Genau dieser Freiraum, den wir ihnen gewähren, ist der Schlüssel dazu, dass unsere Hoch schulen international wettbewerbsfähiger werden.

Frau Abg. Rolland, Sie haben versucht, den Erfolg, den Sie letztes Jahr noch gelobt haben, an dieser Stelle kleinzureden. Dieser Kraftakt, den wir damals ja noch miteinander auf die Reise gebracht haben –

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

es gibt keinen Grund, das kleinzureden; das gibt es bundes weit nicht noch einmal –, kommt allen Hochschulen zugute. Selbstverständlich sind Wünsche nach oben offen. Ich verste he das auch. Ich verstehe, dass in den Hochschulen nicht das Paradies ausgebrochen ist, wahrlich nicht. Das ist aber kein Grund, das, was wir auf den Weg gebracht haben, zu zerreden oder noch Schöneres zu fordern, ohne auch nur mit einem Wort zu sagen, wo das Geld herkommen soll. Da macht man es sich wirklich zu billig.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Geld ist doch da!)

Zum Thema Gründen bzw. Gründerkultur: Wir haben mitei nander in dieser Landesregierung verabredet, dass wir das Thema Gründen verstärken wollen. Denn Baden-Württem

berg ist zwar das Innovationsland Nummer 1, auch im euro päischen Vergleich. Baden-Württemberg ist aber nicht das Gründerland Nummer 1. Aus vielen Gründen gibt es hier An lass, die Anstrengungen zu verstärken.

(Unruhe)

Wir werden vonseiten des Wissenschaftsministeriums für den Hochschulbereich daran arbeiten, schon sehr früh die Studie renden auf den Geschmack zu bringen, ihnen Erfahrungen zu vermitteln, Experimentierräume aufzustellen, da voranzukom men. Auch da gibt es frisches Geld für frische Ideen. Ich freue mich über das Interesse und die Bereitschaft der Hochschu len, hier etwas zu unternehmen.