Protocol of the Session on December 21, 2016

Am Beispiel der Städte und Gemeinden können wir das her vorragend nachweisen. Sie machen nämlich Druck auf ande re, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Sie sprechen aus Erfah rung!)

Vielleicht gehört dies ja auch zum kleingeistigen Teil des po litischen Geschäfts; ich weiß es nicht. Ich halte es da eher mit Ferdinand Lassalle. In der Haushaltsordnung steht es eindeu tig;

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

dort ist von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit die Re de.

Bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müsste es viel eher heißen: Tricksen, Tarnen und Täuschen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Andre as Lede Abal GRÜNE)

Das erste Täuschungsmanöver – das, was das strukturelle De fizit angeht – habe ich Ihnen, glaube ich, bereits dargelegt: Die von Ihnen verwendeten Zahlen sind völlig veraltet.

Aber wir können auch über weitere Täuschungsmanöver spre chen. Sie, Frau Ministerin, haben noch in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass alle Ressorts, um dieses an gebliche Loch zu stopfen, diese Deckungslücke zu schließen, insgesamt 370 Millionen € strukturell einsparen. Im Oktober 2016 verkündeten Sie Vollzug, und in Ihrer Pressemitteilung vom 25. Oktober 2016 hieß es:

In den Ressorts werden im kommenden Jahr 370 Millio nen € strukturell eingespart...

Ja, es gibt echte strukturelle Einsparungen, z. B. im Bildungs bereich. Im Bildungsetat werden Lehrerstellen gestrichen, und im Wissenschaftsbereich wollen Sie nicht Ausgaben kürzen, sondern im weltoffenen Baden-Württemberg ausländische Studierende abkassieren. Das, liebe Kolleginnen und Kolle gen, ist genau der falsche Weg für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir wollen uns ja mit den Daten und Fakten beschäfti gen. Wie ist es also mit den 370 Millionen € genau? Mein Kol lege Peter Hofelich wollte das genauer wissen und hat hierzu eine Anfrage an das Ministerium gestellt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Kleine Anfrage!)

Er hat bereits im November die eigentlich simple Frage ge stellt, in welchen Ressorts und auf welche Weise strukturell 370 Millionen € eingespart werden. Das Ergebnis der Anfra ge war interessant: Die Landesregierung bat um eine Verlän gerung der dreiwöchigen Antwortfrist.

(Lachen bei der SPD)

Das Finanzministerium brauche nicht drei und nicht vier, nein, acht Wochen Zeit, um dem Parlament zu sagen, wie das ei gentlich ist, was man schon im Juli verkündet hat.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Ach nee! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Frau Ministerin, dieses Ersuchen um eine Fristverlängerung zeigt, dass es hier um Politikmarketing und nicht wirklich um Politik geht.

(Beifall bei der SPD)

Gestern Abend haben Sie uns nun Ihre Liste zugeschickt. Mir war dann auch klar, warum diese Liste erst so kurzfristig vor dem heutigen Tag kam. Ich darf Ihnen ein paar Beispiele für die strukturellen Einsparmaßnahmen dieser Landesregierung nennen: 86 Millionen € weniger bei den Zinsausgaben – ein großes „Verdienst“ dieser Landesregierung.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

45 Millionen € kürzen Sie bei der Förderung der Kleinkind betreuung im FAG. Aber kürzen Sie diese Mittel tatsächlich? Denn der Sollansatz steigt von 795 Millionen € im Jahr 2016 auf 810 Millionen € im Jahr 2017. Wahrscheinlich passen Sie auch hier einfach nur die erfundenen, zu hohen Planansätze der Ausgabenwirklichkeit an.

14 Millionen € holen Sie angeblich bei Energiebewirtschaf tungskosten,

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wer hat das denn erfunden?)

die Sie für 2017 mit 110 Millionen € veranschlagen, obwohl es im Jahr 2015 nur 93 Millionen € waren. Strukturelle Ein sparungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind das nicht. Das ist Spiegelfechterei.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wer war denn damals Minister? – Gegen ruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Ich weiß nicht! Ist schon so lange her!)

Dann finden wir noch die üblichen Verdächtigen in der Haus haltsplanung, eine globale Minderausgabe von 74 Millionen €. Frau Finanzministerin, wer da davon spricht, dass man aus ei genem Verdienst jetzt einen ausgeglichenen Haushalt produ ziert, der täuscht die Öffentlichkeit. Das, was Sie betreiben, ist im besten Fall Bilanzkosmetik.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Aber ich halte diese Trickserei, dieses Täuschungsmanöver für das Weitreichendste. So, wie Sie mit der Schuldenbremse umgehen, hat sich das bisher noch niemand getraut.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Oh!)

Viele, insbesondere aufseiten der CDU, haben vielleicht noch gar nicht gemerkt, was die Folge Ihrer Handlungsweise zur Änderung der Verwaltungsvorschrift zu § 18 LHO ist. Sie, die CDU, haben im Jahr 2012 noch vollmundig kritisiert, dass die Landeshaushaltsordnung in der damaligen Fassung, nämlich

gerade mit diesem § 18, zu lasch sei. Sie haben damals gefor dert, dass man sehr viel ambitionierter an dieses Ziel heran gehen müsse.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Also!)

Herr Ministerpräsident, ich halte das, was jetzt mit der Ände rung der Verwaltungsvorschrift zu § 18 LHO gemacht wird, für einen kapitalen finanzpolitischen Fehler,

(Beifall des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

weil es ein Einstieg in eine finanzpolitische Unverantwortlich keit ist, die in späteren Jahren für Baden-Württemberg noch schwere Auswirkungen haben wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Denn was tun Sie an dieser Stelle? Durch das Umetikettieren von Sanierungsmaßnahmen als Abbau von impliziten Schul den höhlen Sie das Instrument der Schuldenbremse von innen aus. Das heißt, wenn Sie darauf „Schuldenbremse“ schreiben, dann können Sie damit irgendwann nicht mehr ernst genom men werden. Das gilt ausgerechnet für die CDU, die sich ja immer als Hüterin der Schuldenbremse bezeichnet hat, die so gar so weit ging, für sich zu reklamieren – damals war es Herr Hauk als Fraktionsvorsitzender –, die Schuldenbremse quasi erfunden zu haben.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Haben wir ge macht!)

All diese Lippenbekenntnisse werden nun ad absurdum ge führt. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wer dies tut, braucht in Zukunft nicht mehr von der Einhaltung der Schul denbremse zu reden, sondern ist Teil einer Politinszenierung, die für die nachfolgenden Generationen in Baden-Württem berg unverantwortlich ist.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich habe Ihnen vorhin et was von dem Dreiklang aus Investieren, Konsolidieren und Sanieren gesagt. Wir sind nicht der Meinung, dass das Land nicht in die Sanierung gehen sollte. Wir sind aber der Mei nung – und genau diesen Fall trifft § 18 der Landeshaushalts ordnung –, dass, wenn die Einnahmen exorbitant gut sind, so wohl in die Sanierung gegangen werden kann als auch gleich zeitig in die Schuldentilgung; konkret sollte für das kommen de Jahr mit 300 Millionen € in die Schuldentilgung gegangen werden. Aber keinen müden Euro an Schulden tilgen Sie tat sächlich, Herr Hauk und Herr Reinhart. Wo ist denn jetzt die CDU als Hüterin der Schuldenbremse? Jetzt, da es ernst wird, schlagen Sie sich in die Büsche.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Herr Hauk hat ja im Rahmen der Nebenabsprachen – wir wis sen es – 20 Millionen € mehr für das ELR bekommen. Las sen sich die Erfinder der Schuldenbremse tatsächlich mit so wenig Schweigegeld mundtot machen? Das ist ein Armuts zeugnis, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Es kommt aber noch besser. Wenn man nämlich genauer hin schaut, dann stellt man fest, was alles implizite Schulden sind. Denn die selbst ernannten Erfinder der Schuldenbremse til gen nicht nur keine Schulden – selbst wenn die Steuereinnah men so hoch sind, dass wir gesetzlich dazu verpflichtet sind, Schulden zu tilgen. Nein, damit Ihr rechtswidriges Verhalten überhaupt möglich wird, tricksen Sie bei der Verwaltungsvor schrift zu § 18 und deklarieren z. B. die 123 Millionen €, die Sie für auflaufende Verluste bei der NECKARPRI zurückle gen, als Schuldentilgung.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja! Meine Güte!)

Sie bezeichnen das als Tilgung impliziter Schulden. Wir erin nern uns an den EnBW-Deal von CDU und FDP/DVP, das „Geschäft der schwäbischen Hausfrau“.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Das Stopfen von schwarzen Löchern als Schuldentilgung zu deklarieren ist grotesk, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.