Protocol of the Session on December 17, 2020

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Unterstützung der Sicherstellung der haus ärztlichen Versorgung in Bereichen des öffentlichen Be darfs in Baden-Württemberg (Landarztgesetz Baden- Württemberg) – Drucksache 16/9492

Zur Begründung erteile ich Herrn Minister Lucha das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass uns die Pan demie gezeigt hat, welch wichtiges Gut Gesundheit ist, die wir erhalten und schützen müssen. Die Gesundheit geht auch mit der Versorgungslage im Land einher. Diese ist noch im

mer vergleichsweise gut. Aber die Versorgungslage hat sich selbstverständlich auch in Baden-Württemberg, wie auch in anderen Teilen der Bundesrepublik und der Welt, vor allem im ländlichen Raum, im Vergleich zu der Lage vor zehn oder 15 Jahren nicht verbessert.

Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf gemäß der Kabi nettsvorlage „Studienplätze Humanmedizin“ bzw. „Landarzt quote“ vor. Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetzentwurf zur Einführung einer Landarztquote bei der Zulassung zum Me dizinstudium – die CDU-Fraktion, die Fraktion GRÜNE, das Wissenschaftsministerium und das Sozialministerium haben sehr intensive Debatten dazu geführt – jetzt einen sehr guten Vorschlag vorlegen.

Mit der Landarztquote schaffen wir ein – ein! – zusätzliches Instrument, um einen Beitrag zur Sicherstellung der hausärzt lichen Versorgung zu leisten und auf lange Sicht gegen das Praxissterben anzugehen. In Abstimmung haben wir Ihnen nun den Entwurf vorgelegt, den wir jetzt in Erster Beratung behandeln. Unser großes Ziel ist, dass noch in dieser Legisla turperiode das Bewerbungsverfahren für die Zulassung von 75 Bewerberinnen und Bewerbern zum Wintersemester 2021/2022 beginnt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Keck FDP/DVP)

Diese Bewerberinnen und Bewerber verpflichten sich, nach Abschluss des Studiums und fachärztlicher Weiterbildung ei ne hausärztliche Tätigkeit in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebiet für einen Zeitraum von zehn Jahren aufzunehmen.

Hier die wesentlichen Regelungen:

Erstens: Für die Festlegung einer Vorabquote bedarf es einer besonderen Begründung, da hier die Vereinbarkeit mit den Grundrechten auf Gleichbehandlung und Berufsfreiheit rele vant ist. Die Feststellung einer Unterversorgung oder einer drohenden Unterversorgung trifft der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen.

Zweitens: Das Gesetz umfasst auch Regelungen zum Bewer bungs- und Auswahlverfahren, zur Verpflichtungserklärung, zur Vertragsstrafe und zum Zeitraum, für den sich die Bewer berinnen und Bewerber zu einer hausärztlichen Tätigkeit ver pflichten. Näheres wird in einer Verordnung geregelt.

Drittens: Für die Durchführung und Kontrolle der Aufgaben wird es eine zuständige Stelle geben. Wir schlagen das Regie rungspräsidium Stuttgart mit dem Landesprüfungsamt für Me dizin und Pharmazie vor, das schon heute über die notwendi ge Expertise bei Gesundheitsberufen verfügt.

Meine Damen und Herren, eines ist klar: Dies ist, wie ich sag te, e i n e Maßnahme. Es sind mehrere, sehr viele Maßnah men notwendig.

(Zuruf)

Wir brauchen verschiedene Maßnahmen, um gute Versorgung weiterzuentwickeln und anzubieten.

Erstens: Studienplatzausbau um zusätzlich 150 Plätze und da mit verbunden die inhaltliche Entwicklung an den medizini schen Fakultäten durch das Wissenschaftsministerium mit der

deutlich an der Patientenversorgung im Sozialraum orientier ten curricularen Verbesserung von Medizin 2020; daran war auch das Land beteiligt.

Zweitens: Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Hier haben wir mit vielen Projekten maßgeblich dazu beigetragen, die medizinische Versorgung auf dem Land zu stärken und zu modernisieren. Dazu gehören unsere Primärversorgungszen tren, die genossenschaftlich organisierten Arztpraxen und im Übrigen auch die sektorenübergreifende Versorgung sowie im weiter gehenden Sinn auch die nicht ausschließliche Konzen tration auf die Medikalisierung in der Gesundheitsversorgung – viel mehr Addition als Delegation.

Drittens: Das, was sich gerade jetzt in Baden-Württemberg positiv bemerkbar macht, ist das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg. Wir bringen innovative Impulse für die medizinische Versorgung auf dem Land. Allein unser letztes Programm – ich sehe die Kolleginnen Niemann und Wehin ger – für die Primärversorgung und die sektorenübergreifen de Versorgung in der Geburtshilfe ist ein wichtiger Aspekt, damit eine Grundversorgung erhalten bleibt.

Das Landärzteprogramm des Sozialministeriums hat seit 2012 über 150 Praxisübernahmen, -neugründungen oder Anstellun gen von Ärztinnen und Ärzten in der hausärztlichen Versor gung im ländlichen Raum gefördert.

Hinzu kommen natürlich der ganz wesentliche Punkt – wir haben gestern hier im Haus darüber gesprochen – der besse ren Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifi kationen und nicht zuletzt der deutliche Ausbau, die Stärkung telemedizinischer Anwendungen horizontal wie vertikal, tech nisch und therapeutisch. Sie wissen, Baden-Württemberg war hier ein Vorreiterland.

Wir haben jetzt also mit einem ganzen Strauß von notwendi gen Maßnahmen der sogenannten Landarztquote einen wei teren Baustein intelligent angefügt.

Herzlichen Dank für die gute Arbeit und diese Vorlage.

(Beifall)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Frau Abg. Krebs.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode zahlreiche Initiativen angestoßen, um die hausärztliche Versorgung insbesondere im ländlichen Raum zu stärken. Der Herr Minister hat ja gerade schon eini ges genannt. Das ist auch wirklich richtig so.

Denn die Hausärztinnen und Hausärzte in Baden-Württem berg sind die erste Anlaufstelle für Gesundheitsprobleme der Menschen. Mit welchem Engagement sie sich da reinhängen und welche Herausforderungen sie dabei meistern, sehen wir vor allem jetzt in der Gesundheitskrise in der gegenwärtigen Pandemie.

Dafür gebührt den Hausärztinnen und Hausärzten und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unser Dank. – Es lohnt sich, dafür hier auch einmal zu klatschen.

(Beifall)

Gerade auch angesichts des prognostizierten steigenden Man gels an Hausärztinnen und Hausärzten vor allem in ländlichen Regionen – ich komme selbst aus einer sehr ländlichen Regi on – ist es wirklich wichtig, die Hausarztmedizin zu stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier hat die Landesregie rung wirklich etwas geleistet und geliefert. So wurden im Sommer dieses Jahres 150 neue Studienplätze in der Human medizin beschlossen. 75 von diesen 150 neuen Studienplät zen kommen jetzt über das Landärzteprogramm. Es ist kein Geheimnis: Wir Grünen haben dazu eine sehr skeptische Hal tung. Wir stehen dem skeptisch gegenüber. Das habe ich schon einmal gesagt.

(Zuruf: Gekämpft!)

Wir haben gerungen, aber jetzt ist es uns wichtig, vor allem die Versorgung mit Hausärztinnen und Hausärzten hinzube kommen, und das am besten mit einer systematischen Stär kung der medizinischen Leistungen wie z. B. durch das Land arztförderprogramm; auch das hat der Herr Minister schon an gesprochen. Dazu gehört auch das neu eingeführte Neigungs profil „Ländliche Hausarztmedizin“ und eine stärkere Vernet zung mit den akademischen Lehrkrankenhäusern und Lehr praxen. Dieser Ausbildungszweig steht nämlich allen Medi zinstudierenden, also 1 650 Medizinstudienanfängerinnen und -anfängern zur Verfügung. Darin sehen wir wirklich ein gro ßes Potenzial. Wir setzen dabei auf positive Anreize im ge stärkten Praxisbezug im Studium. Diese Maßnahmen wirken schnell und effektiv.

Zusammenfassend möchte ich zum Schluss nur noch sagen: Ich glaube, die Kombination aus all dem, was der Herr Mi nister genannt hat, und dem, was ich jetzt genannt habe, und auch dem Landärzteprogramm sehe ich als eine Entwicklung, die die Hausärzte über Jahrzehnte hinweg stärken wird. Vie len Dank dafür.

Zum Ende des Jahres auch von mir noch einmal: Bleiben Sie gesund über den Jahreswechsel hinweg!

Vielen Dank.

(Beifall)

Jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich meine Maske hingesteckt habe.

In die Tasche; ich habe es ge sehen.

(Zuruf: In die Hosentasche!)

In die Tasche. Vielen Dank.

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abg. Neumann-Martin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Kern aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge gehört für uns eine gute medizinische und pflegerische Versorgung. Die Gestal tung eines Gesundheitswesens, das sich an Qualitätskriterien orientiert und damit das Wohl der Patienten in den Mittelpunkt stellt, muss unser Anspruch sein. Jeder muss die medizinische

und pflegerische Unterstützung erhalten, die er in seiner kon kreten Situation benötigt.

(Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Dies gilt vor allem für den ländlichen Raum, wo schon jetzt – im Gegensatz zu den meisten Städten – ein gravierender Hausärztemangel herrscht. Hier ist die Politik gefragt und ver pflichtet, zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen. Ei ne umfassende und sektorenübergreifende Betrachtung unse rer Versorgungsstrukturen ist hierfür eine zwingende Voraus setzung. Was gilt, ist die Nutzung regionaler Gestaltungsmög lichkeiten, um das hohe Versorgungsniveau im Land nicht nur zu halten, sondern gar auszubauen.

Trotz allem kann man sagen, dass die vertragsärztliche Ver sorgung in Baden-Württemberg nach wie vor gut ist und die Ärzte dort eine hervorragende Arbeit leisten.

Derzeit gilt die Faustformel, dass für zwei ausscheidende Ärz te drei Ärzte nachrücken müssen, um den bestehenden Ver sorgungsumfang aufrechtzuerhalten. Mehr Ärzte werden da her dringend gebraucht. Aus diesem Grund haben wir be schlossen, dauerhaft 150 zusätzliche Studienplätze für Hu manmedizin an den Universitäten im Land einzurichten.

(Beifall)

Dieser Ausbau wird allerdings an Bedingungen geknüpft, um sicherzustellen, dass die zusätzlichen Studienplätze zumin dest zur Hälfte verbindlich den schlechter versorgten Regio nen im Land zugutekommen.

(Zuruf: Sehr gut!)