Protocol of the Session on November 14, 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über aktuelle euro papolitische Themen – nur zur Erinnerung.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Josef Frey GRÜ NE und Daniel Karrais FDP/DVP – Abg. Josef Frey GRÜNE: Sehr gut!)

Das tun wir in diesem Hause zum Glück regelmäßig. Ein klei nes bisschen geht es mir dann schon so, dass ich immer an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ denken muss.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Guter Film!)

Die Grünen loben die Landesregierung. Die CDU erwähnt an irgendeiner Stelle Günther Oettinger.

(Heiterkeit)

Der rechte Teil dieses Hauses beweist wiederholt, dass sie nicht einmal den Staatsaufbau verstanden haben.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Rüdiger Klos AfD: Gehen Sie doch nicht so hart mit sich ins Gericht!)

Ich gehe fest davon aus, dass der Kollege Karrais nachher auf die wirtschaftspolitische Bedeutung Europas eingehen wird, z. B. anhand der „Vier Motoren“.

(Heiterkeit bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Beifall bei der SPD)

Mittendrin steht ein Vertreter der Sozialdemokratie, der nicht müde wird, zu erwähnen, dass unser Schicksal an der Euro päischen Union hängt: Frieden, Freiheit, Wohlstand, Stabili tät, Sicherheit – all das geht nur mit einer starken Europäi schen Union, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie der Abg. Andrea Bogner-Unden und Josef Frey GRÜNE – Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: So hat jeder seine Rolle!)

Zu diesem Murmeltiertag gehört auch, dass wir jedes Mal, wenn ich über Europa sprechen darf, noch immer über den Brexit reden müssen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich würde lieber sagen: dass wir noch über den Brexit reden dürfen. Denn jeder Tag, an dem Großbritannien in der Euro päischen Union bleibt, ist ein guter Tag für Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Egal, wie in Großbritannien dieses Drama, das manchmal auch eine Komödie ist,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Tragödie!)

weitergeht, egal, wie oft sie dort noch abstimmen, egal, wie oft sie noch wählen: Wir hoffen einfach, dass am Ende ein Weg aufgezeigt wird. Wir hoffen, dass Großbritannien ein Freund Europas bleibt, dass es am Ende des Tages vielleicht sogar Teil der Europäischen Union bleibt. Das wäre wichtig.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP – Abg. Daniel Born SPD: Bravo!)

Lieber Kollege Frey, Sie haben zu Recht die Frankreich-Kon zeption angesprochen, ein ausgesprochen wichtiges Thema gerade für uns hier in Baden-Württemberg, wenn wir uns mit Europapolitik beschäftigen. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann ich teilen – das Lob an die Landesregierung aber ausdrücklich nicht. Warum? Zu Beginn des Jahres wurde die Frankreich-Konzeption vollmundig als ein Leuchtturmprojekt für Europa und für Baden-Württemberg angekündigt.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Hier ist alles Leuchtturm!)

Von diesem Leuchtturm haben wir bisher leider nur Luft schlösser gesehen. Uns wurde aufgezeigt – auch bei allen möglichen Anfragen, die wir dazu gestellt haben –, dass es da zu viel Prosa und gute Ideen gibt. Das Konkrete fehlt aber noch immer.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Wie alles bei Ihnen!)

Warum fehlt das noch? Weil Sie, die Regierungsfraktionen und die grün-schwarze Landesregierung, sich leider selbst bei diesem Thema beharken.

Ich möchte, wenn ich darf, Sie, lieber Kollege Stächele, sehr gern zitieren. Sie haben nämlich im Juli in der „Südwest Pres se“ gesagt: Warum das Thema Frankreich-Konzeption im Staatsministerium angesiedelt sei und nicht beim überaus en gagierten Europaminister, sei Ihnen schleierhaft.

Diese Debatten zeigen, woran es hakt. Es fehlt nämlich nicht nur an Mitteln – wonach wir im Haushalt gerade noch ver zweifelt suchen; wenn wir richtig geschaut haben, sind 1,2 Millionen € vorgesehen; 10 Millionen € würde man für eine vernünftige Umsetzung brauchen –, sondern es fehlt vor al lem auch an einem gemeinsamen Geist. So wird das nichts mit Leuchttürmen für Europa.

(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Willi, über dem Tisch klatschen! – Heiterkeit)

Abschließend: Ich nehme sehr gern auf, lieber Kollege Be cker, was Sie mit Ausblick auf die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands gesagt haben. Dieser Ausblick lohnt sich. Ge rade aus Baden-Württemberg müssen tatsächlich Impulse kommen. Was machen wir mit dieser Ratspräsidentschaft?

Ich habe einen konkreten Vorschlag für Sie. Nehmen Sie den Bericht des Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung, den wir hier gemeinsam gelesen haben. Schlagen Sie Seite 56 auf. Dort werden Sie sehen, dass Herr Dr. Blume vorschlägt, die EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland zu nutzen, um einen europäischen Kampf gegen Antisemitismus, gegen die Radikalisierung des Internets, gegen Hate Speech und gegen Desinformationen aufzunehmen. Das ist ein Appell, den wir nicht nur begrüßen, sondern den wir unterstützen. Ich freue mich, wenn wir in Zukunft darüber diskutieren – dann auch gern wieder über den Brexit und andere Themen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die FDP/DVP spricht Herr Abg. Karrais.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Die „Vier Motoren“ nicht vergessen! – Vereinzelt Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Fink, ich fand Ihren Beitrag unterhaltsam, und ich habe tatsächlich auch etwas zur Wirtschaftspolitik mitgebracht – aber nicht nur. Ei ne Bemerkung erlaube ich mir dann doch: Angesichts dessen, was auch die SPD in der Bundesregierung zu verantworten hat, ist es dringend notwendig, in diesem Haus auch über Wirt schaftspolitik zu sprechen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Nicolas Fink SPD: Zum Beispiel?)

Zu den Beispielen komme ich noch.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Ganz am Ende! – Gegen ruf des Abg. Reinhold Gall SPD: So viel Zeit haben wir!)

Ein erster und wichtiger Punkt ist ein Thema, das wir ange sichts der Diskussion, die wir bezüglich des Brexits und der neuen Kommissionsbesetzung führen, ab und zu mal verges sen. Es geht darum, dass sich die Zahl der Ankünfte von Flüchtlingen und Asylanten oder Asylbewerbern in Griechen land in diesem Jahr um 29 % erhöht hat. Das muss uns inso fern beschäftigen und auch Sorgen machen, weil das heißt, dass der Türkei-Deal, den die Bundeskanzlerin mit der Tür kei geschlossen hat, offensichtlich nicht mehr so funktioniert, wie er funktionieren sollte. Das ist deshalb ein Problem, weil Deutschland und auch Baden-Württemberg noch immer nicht vollständig darauf vorbereitet sind, wie prozediert wird, wenn so viele Menschen in unser Land kommen.

Als wir heute Morgen über das Handwerk gesprochen haben, wurde ganz groß skandiert: „Wir wollen das Handwerk stär ken“ usw. Ein großes Problem besteht aber doch darin, dass viele Handwerkerinnen und Handwerker, viele Unternehmer Asylbewerbern eine Chance geben, ihnen einen Ausbildungs platz bieten, ihnen Arbeit geben und dann, wenn sie sie aus gebildet haben oder sie ausbilden wollen, der Abschiebungs bescheid kommt. Dann ist der ganze Einsatz des Handwer kers perdu.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Warum hat man sie nicht gleich zurückgeschickt?)

Das darf es eigentlich nicht sein. Denn wir brauchen für das Handwerk in diesen Punkten eine gewisse Verlässlichkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Josef Frey GRÜNE)

Wir brauchen insbesondere – auch das hat die Bundesregie rung aus CDU und SPD bisher verschwitzt – ein solides Ein wanderungsgesetz, das diesen Namen auch verdient, und nicht das, was das Fachkräftezuwanderungsgesetz sein soll.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist garantiert nicht an uns gescheitert!)

Dann komme ich zu den wirtschaftlichen Ausführungen, die ja schon erwartet wurden – das ist auch schön. Für die gesam te EU wird für die Jahre 2020 und 2021 ein Wirtschaftswachs tum von 1,1 bis 1,2 % erwartet. Das sind natürlich die heuti gen Schätzungen. Man weiß nicht so genau, was am Schluss dabei herauskommt,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Wie immer bei Ihnen!)

aber es geht auf jeden Fall in diese Richtung. Dabei haben wir in Deutschland, wie in diesen Tagen vermeldet wurde, die De finition einer Rezession gerade knapp vermieden, indem wir ein ganz, ganz leichtes Wachstum von 0,1 % im dritten Quar tal haben.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Noch!)

Das zeigt, dass wir in Deutschland im Gegensatz zum Rest der EU den Aufschwung beendet haben und jetzt in einer Sta gnation feststecken. Es muss uns doch ein wichtiges Signal sein, wenn Europa an sich wächst, Deutschland im Wirt schaftswachstum aber stagniert und es in Baden-Württemberg vielleicht sogar noch schlimmer aussieht. Das heißt dann doch, dass im Regierungshandeln entsprechende Impulse ge

setzt werden müssen, indem z. B. eine Unternehmensteuerre form angepackt wird, indem z. B. der Soli vollständig abge schafft wird und nicht eine Reichensteuer durch die Hintertür eingeführt wird, liebe SPD.