Protocol of the Session on May 11, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Gäste, liebe Kolleginnen und Kol legen! Im Bewusstsein der großen Ehre, die mir heute als Al terspräsident zuteilwird, eröffne ich die 1. Sitzung des 16. Land tags von Baden-Württemberg und begrüße Sie alle recht herz lich.

Insbesondere begrüße ich die Damen und Herren Abgeordne ten, die am 13. März 2016 durch das Volk von Baden-Würt temberg in diesen Landtag gewählt worden sind. Ich gratulie re Ihnen zu dieser Wahl und wünsche Ihnen, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen, für die Ausübung dieses so verant wortungsvollen Amtes Gesundheit und Tatkraft, die Bereit schaft zu respektvollem und sachlichem Austausch, aber auch Geduld und Demut, um die vielen Aufgaben zum Wohle von Baden-Württemberg wahrnehmen zu können.

Was uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg verbindet, ist das Bemühen um die Entwicklung in unserem schönen Land. Hierin sind wir Vertreter aller Bürgerinnen und Bürger. Wir sind nicht an Weisungen und Aufträge gebunden und nur un serem eigenen Gewissen unterworfen.

Die Würde dieses Hauses und die hohen Erwartungen, die die Bürgerinnen und Bürger an uns alle stellen, gebieten ein fai res und achtungsvolles Miteinander, selbst bei hitzigen De batten und strittigen Auseinandersetzungen. Getragen von ei ner aufrechten demokratischen Gesinnung kann und muss dies gelingen.

Gemäß Artikel 30 Absatz 3 der Verfassung des Landes BadenWürttemberg tritt der Landtag spätestens am 16. Tag nach Be ginn der Wahlperiode zusammen. Diese hat am 1. Mai begon nen. Daher stelle ich fest, dass die in der Verfassung vorge schriebene Frist eingehalten ist.

Die 15. Wahlperiode des Landtags wurde von Herrn Präsident Wilfried Klenk abgeschlossen. Im Namen aller Abgeordneten möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Klenk, für Ihre engagierte Arbeit als Landtagspräsident in der abgelaufenen Wahlperiode herzlich danken und schließe in diesen Dank aus drücklich auch Ihre Mitarbeiter ein.

(Beifall im ganzen Haus)

Unsere Landesverfassung sieht auch vor, dass die erste Sit zung einer neuen Wahlperiode vom Alterspräsidenten einbe rufen und geleitet wird. Der Präsident des 15. Landtags, Herr Kollege Klenk, hat mir mit Schreiben vom 15. April 2016 mit geteilt, dass ich das älteste Mitglied des am 13. März 2016 ge wählten 16. Landtags bin. Es fällt mir daher in meiner ersten Plenarsitzung gleich eine sehr verantwortungsvolle und eh rende Aufgabe zu.

Als ältestes Mitglied des Landtags habe ich die heutige kon stituierende Sitzung einberufen. Für diese Sitzung bestelle ich Frau Abg. Petra Häffner und Frau Abg. Sabine Wölfle zu vor läufigen Schriftführerinnen. – Ich darf Sie nach oben bitten.

(Die vorläufigen Schriftführerinnen nehmen ihre Plät ze ein.)

Ich freue mich, dass heute, an diesem besonderen Tag, ein Ge burtstagskind unter uns ist. Herr Abg. Jürgen Walter feiert heu te Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich Ihnen, sehr geehrter Kollege Walter, herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich darf anfügen: Ich habe im Protokoll gelesen, dass auch vor fünf Jahren die Eröffnungssitzung des Landtags am 11. Mai stattfand, und auch damals durfte Herr Walter die Gratulatio nen entgegennehmen.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gäste sind die Zierde eines Hauses. Dieser alte Spruch gilt auch heute, viel leicht sogar erst recht angesichts dieses neuen, modernen Hightechambientes hier im Plenarsaal. Speziell in diesem Sinn blicke ich jedenfalls respektvoll auf die Zuhörertribüne und sage Ihnen allen, die unserer konstituierenden Sitzung bei wohnen, ein herzliches Willkommen.

Viele davon begleiten uns Abgeordnete heute als Familienan gehörige, Partner, Freunde oder direkte Mitarbeiter gespannt und ganz persönlich bei der Aufnahme unserer parlamentari schen Arbeit. Ihren Rückhalt werden wir in den kommenden fünf Jahren unabdingbar brauchen. Deswegen nenne ich sie als Erste, obwohl das protokollarisch vielleicht nicht ganz kor rekt ist.

Möglicherweise ein bisschen neidvoll, aber garantiert spezi fisch berührt werden sich die früheren Hausherren umblicken. Zugleich stellvertretend für alle ehemaligen Abgeordneten kolleginnen und -kollegen begrüße ich deshalb mit besonde rer Freude die Landtagspräsidenten a. D., die Herren Dr. Gaa, Schneider und Straub, sowie meinen Vorgänger als Altersprä sident, Herrn Traub.

(Beifall im ganzen Haus)

Namentlich Sie, Herr Straub, als einst unermüdlicher Werber für eine umfassende bauliche Erneuerung des Landtagsgebäu des werden jetzt etwas empfinden, das mit „Genugtuung“ nicht völlig falsch umschrieben sein dürfte.

(Alterspräsident Dr. Heinrich Kuhn)

Ebenso danke ich selbstverständlich den früheren stellvertre tenden Landtagspräsidentinnen, Frau Vossschulte und Frau Fauser, sowie dem früheren stellvertretenden Landtagspräsi denten, Herrn Birzele, dass sie ihre nicht verblasste Verbun denheit zum Landtag sichtbar zum Ausdruck bringen.

(Beifall im ganzen Haus)

Die Konstituierung eines demokratisch gewählten Landespar laments ist – substanziell wie symbolisch – ein wichtiger Tag für die Identität und die Eigenstaatlichkeit der Länder und da mit für die Vitalität unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen, fö deralen Grundordnung insgesamt. Umso mehr freue ich mich über alle Repräsentanten des öffentlichen Lebens, die der In stitution Landtag, aber auch uns Abgeordneten und unseren Aufgaben in dieser Stunde die Reverenz erweisen.

Ich begrüße mit dankbarer Hochachtung den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Herrn Stilz, so wie in gleicher Weise die Präsidentin des Städtetags, Frau Bosch, und den Präsidenten des Gemeindetags, Herrn Kehle, als Vertreter der Kommunen und – mehr denn je – als zentra le Partner der operativen Landespolitik.

(Beifall im ganzen Haus)

Mein besonderer Dank und Gruß geht an Sie, Herr Bischof Dr. Fürst, und an Sie, Herr Landesbischof Professor Dr. Cor nelius-Bundschuh, für Ihren ökumenischen Gottesdienst, in dem Sie uns innehaltend zusammengeführt haben, und für die ermutigenden, aber auch mahnenden Worte, die uns von Ihnen ans oder, vielleicht besser gesagt, ins Herz gelegt worden sind.

Nicht weniger dankbar begrüße ich Sie, Herr Erzbischof Bur ger, und Sie, Herr Landesbischof Dr. July.

Höchst geschätzte Gäste sind uns ebenso Herr Suliman, Vor sitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Herr Landesrabbiner Wurmser von der Israelitischen Religi onsgemeinschaft Württembergs, Herr Karakul von der Alevi tischen Gemeinde in Baden-Württemberg und Herr Dr. Haq, Landesbeauftragter von Ahmadiyya.

Der Unfrieden in der Welt und die globale Ungleichheit be treffen auch die Landespolitik unmittelbar. Eine entscheiden de Herausforderung lautet, internationale Lösungen zu unter stützen und für sie konsequent zu werben. Die Anwesenheit der Vertreterinnen und Vertreter des Konsularischen Korps setzt bereits, so gesehen, ein wohltuendes Zeichen. Ich begrü ße die Generalkonsulin der Schweiz und die Generalkonsuln Frankreichs, der Türkei, Spaniens, Kroatiens und Ungarns.

(Beifall im ganzen Haus)

Sozialer Zusammenhalt, Bildungs- und Chancengerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen – was sich hinter diesen Stichwor ten verbirgt, wird in den kommenden Jahren auch zu unseren Hauptaufgaben hier im Landtag zählen. Deswegen begrüße ich als Vertreterinnen der Gewerkschaften erfreut die Landes bezirksleiterin von ver.di, Frau Breymaier, und die Landes vorsitzende der GEW, Frau Moritz.

(Beifall im ganzen Haus)

Beim ökumenischen Gottesdienst sorgte unser Landtagschor musikalisch und atmosphärisch für einen bemerkenswerten

Akzent. Sein gelungenes Mitwirken verdient, wie ich finde, zunächst einen Applaus.

(Beifall im ganzen Haus)

Darüber hinaus sollten wir erkennen, dass unser Landtagschor etwas Optimistisches, ja Vorbildliches verkörpert. Er demons triert nämlich eindrucksvoll: Kräftige Stimmen und unter schiedliche Stimmlagen müssen nicht in Dissonanzen enden, sie können „stimmige“ Werke hervorbringen.

Abschließend möchte ich noch besonders die beiden anwe senden Parteivorsitzenden begrüßen, Herrn Strobl von der CDU und Herrn Hildenbrand von Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall im ganzen Haus)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Alterspräsident bin ich gehalten, nach diesem ersten Teil der Regularien eini ge persönliche Worte an Sie zu richten. Dem möchte ich gern nachkommen – allerdings enthalte ich mich dabei der aktuel len politischen und auch gesellschaftlichen Themen, was Sie mir, der ich ein Neuling auf diesem Parkett bin, sicher nach sehen können.

Lassen Sie mich mit einem Zitat aus Schillers Antrittsvorle sung in Jena aus dem Jahr 1789 beginnen, in der er über die Notwendigkeit des Studiums der Universalgeschichte gespro chen hat:

Es zieht sich... eine lange Kette von Begebenheiten... bis zum Anfange des Menschengeschlechts..., die wie Ursa che und Wirkung ineinandergreifen.

Aus der Summe dieser Begebenheiten hebt der Universalhis toriker diejenigen heraus, welche auf die heutige Gestalt der Welt und den Zustand der jetzt lebenden Generation einen we sentlichen, unwidersprechlichen und leicht zu verfolgenden Einfluss gehabt haben.

Dennoch, so Schiller weiter:

Ganz und vollzählig überschauen kann sie nur der unend liche Verstand; dem Menschen sind engere Grenzen ge setzt.

Und er fährt fort:

Selbst dass wir... hier zusammenfanden,... ist das Resul tat vielleicht aller vorhergegangenen Weltbegebenheiten: die ganze Weltgeschichte würde wenigstens nötig sein, dieses einzige Moment zu erklären.

Diesem Gedanken möchte ich im Kleinen folgen, wenn ich jetzt in einigen Punkten – und vielleicht auch etwas laienhaft – auf die Entwicklung des Parlamentarismus im Südwesten Deutschlands eingehe, wobei ich mich nur als an der Ge schichte Interessierter verstehe.

Dem vermeintlich oder wirklich Absoluten, aber auch den Egoismen Einzelner und von Gruppen musste der Gedanke an das Wohl des Ganzen abgerungen werden. So auch schon vor gut 500 Jahren, als im Tübinger Vertrag – dessen Jubilä um vor zwei Jahren feierlich begangen wurde – die Ehrbar keit der Landschaft dem Herzog die Allgemeinherrschaft ein schränkte. Dieser Vertrag war durchweht von einem hohen

(Alterspräsident Dr. Heinrich Kuhn)

Maß an protestantischem Ethos und einer demokratischen Grundhaltung. Allerdings war die Landbevölkerung nicht mit einbezogen, was in der Folge immer wieder zu Aufruhr An lass gab.

Dennoch hat sich im ganzen Südwesten, möglich durch die Machtbegrenzung der einzelnen kleinen Herrschaften, ein Du alismus von Herrschaft und Landschaft, von Feudalismus und Kommunalismus herausgebildet – sichtbar auch in der ausge prägten kommunalen Selbstverwaltung im Südwesten. Gera de der Tübinger Vertrag kann als Beginn des Parlamentaris mus in Württemberg angesehen werden, denn ohne die Zu stimmung der Landschaft konnte der Herzog keine öffentli chen Aufgaben tätigen.