Protocol of the Session on March 26, 2014

(Beifall des Staatssekretärs Ingo Rust – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Der einsame Rufer in der Wüste!)

mit seiner Aufforderung:

Suchet der Stadt Bestes,...

(Abg. Winfried Mack CDU: Was hat er gefunden? Das will ich hören! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Zunächst einmal: Weshalb bedurfte es dieser Aufforderung? Diese Aufforderung richtete sich an das vertriebene Volk Is rael, sich in der Fremde nicht einfach der Lethargie zu über lassen, sondern sich Gedanken zu machen,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie kann man das Joch der Fremdherrschaft abschütteln?)

wie man sich in der Fremde einbringt und eine neue Heimat findet. Die Aufforderung, der Stadt Bestes zu suchen, hat zwingend etwas damit zu tun, den Zusammenhalt in einer Ge meinschaft, in einer Stadt, aber auch darüber hinaus in einem Gemeinwesen zu finden und Heimat zu erfahren.

Wie der Ministerpräsident bereits angedeutet hat, ist dies nicht mehr so selbstverständlich, wie das vielleicht früher der Fall war.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie sind ja religi ös inspiriert, Herr Schmiedel! – Zuruf des Abg. Win fried Mack CDU)

Unsere Gesellschaft ist mobiler, sie ist differenzierter, sie ist individualisierter. Deshalb ist es wichtig, dass wir über die Möglichkeit nachdenken, das Gemeinschaftsleben mitzuge stalten, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen und auch die Heimat zu gestalten.

Das findet natürlich in erster Linie auf kommunaler Ebene statt. Auf kommunaler Ebene sind die Menschen direkt ange sprochen. Da möchte ich noch einmal die Rolle der Gemein deräte, der Bürgermeister und Oberbürgermeister betonen, denn sie leben das.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Richtig!)

Sie leben das auch ohne formale Prozesse. Sie treffen in di rektem Dialog mit den Betroffenen, mit Organisationen Ihre Entscheidungen. Es ist doch völlig klar: Wenn Bürgermeister oder Oberbürgermeister bei einer angestrebten Wiederwahl nicht bestätigt werden, dann liegt das in aller Regel nicht da ran, dass sie fachlich nicht das Zeug dazu hätten, sondern weil sie die Nase zu weit oben tragen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zum Beispiel! – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

weil sie eben nicht den direkten Kontakt pflegen. Deshalb möchten wir das, was sich auf der kommunalen Ebene so wunderbar bewährt, auch für die Landesthemen übernehmen und auf sie ausdehnen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die hoch getragene Nase!)

Ich möchte ein Beispiel von der kommunalen Ebene anfüh ren, weil ich damit deutlich machen will, dass es wirklich um eine Haltungsfrage geht. Es geht nicht darum, hierfür das Ur heberrecht zu beanspruchen, sondern wir wollen es einfach auf Landesebene leben.

Als Beispiel von der kommunalen Ebene möchte ich meinen Besuch in Schwäbisch Gmünd anführen. Ich wollte mich dort im Vorfeld der Landesgartenschau informieren.

(Abg. Peter Hauk CDU: Beim Filterdialog, oder wo?)

Der dortige Oberbürgermeister Arnold hat mir berichtet, wie er die Gartenschau konzipiert. Er sagte, das sei eine Veran staltung, bei der nicht der Oberbürgermeister, sondern die Bür ger die Besucher empfangen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Guter Mann! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Die Bürger empfangen die auswärtigen Besucher in ihrer Stadt, in ihrer Landesgartenschau. Dazu gibt es Anreize für ehrenamtliches Engagement: Für eine bestimmte Anzahl von Stunden gibt es ein T-Shirt, für einige mehr dann einen An zug und für noch mehr Stunden zusätzlich eine Tasche.

Das Interessante an der Geschichte war: Er hat auch die in der Stadt lebenden Flüchtlinge in diesen Empfang der Gäste der Stadt mit einbezogen. Sie empfangen in ihrer Stadt die Gäs te, um sie zu informieren, was es in der Landesgartenschau alles gibt,

(Abg. Winfried Mack CDU: CDU-Oberbürgermeis ter!)

wo es Interessantes zu sehen gibt. Es wird der Ansatz verfolgt: Wir sind eine Gemeinschaft, und wir beteiligen alle Bürgerin nen und Bürger in der Stadt. Der Oberbürgermeister sagt: „Wenn Flüchtlinge zu mir in die Stadt kommen, kommen sie zu mir aufs Rathaus, weil ich wissen möchte, wer in meiner Stadt wohnt; sie bekommen dann eine Stadtführung, damit sie wissen, wo sie daheim sind.“ Diesen Ansatz gilt es unbedingt zu pflegen. Wir sollten versuchen, ihn auch auf die Angele genheiten, für die wir im Land zuständig sind, auszudehnen. Das ist der Ansatz, um Beteiligung zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU)

Herr Kollege Röhm, darum geht es bei Bildungsreformen. Es geht natürlich nicht um Beliebiges. Aber es geht darum, Be teiligung zu ermöglichen. Dabei muss es Spielräume geben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bitte schaffen!)

Diesen Spielraum haben wir eröffnet.

Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie dies in meiner Heimatstadt Ludwigsburg genutzt wird. Dort haben sich ungefähr 15 Leh rer aus allen Schularten – aus den Werkrealschulen, den Re alschulen, den Gymnasien – zusammengetan und haben in monatelanger Arbeit ein Konzept für die Gründung einer neu en Schule entwickelt, einer Gemeinschaftsschule.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ludwigsburg!)

Dies haben sie in Kontakt mit den Eltern, den Lehrerkollegen und dem Gemeinderat gemacht. Der Gemeinderat hat nun die ses Konzept übernommen und beschlossen, dass in Ludwigs burg auf der Grundlage dieses Konzepts eine neue Schule, ei ne Gemeinschaftsschule, gegründet wird.

Verstehen Sie, was dies für die Menschen, die dies machen, bedeutet? Sie gestalten einen wesentlichen Teil ihrer Stadt mit. Das macht diese Regierung möglich. Das ist der Ansatz, der sich auch in der Kommunalpolitik bewährt. Er sieht vor, dass die Angelegenheiten des Landes so gestaltet werden, dass Bür gerinnen und Bürger Möglichkeiten für eigene Gestaltungen ergreifen können.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die Aufforderung „Suchet der Stadt Bestes“

(Abg. Winfried Mack CDU: Und betet für sie!)

unterscheidet sich von anderen Passagen in der Bibel ganz wesentlich darin, dass sie offen bleibt. Sonst wird einem ganz oft gesagt, was zu tun sei. Dies ist insbesondere bei den Zehn Geboten der Fall. Dort heißt es: Tue dies, oder mache jenes nicht. In dieser Passage heißt es nun: „Suchet“. Das heißt, das ist eine ergebnisoffene Geschichte. Sie ist aber natürlich nicht wertefrei. Es geht auch nicht um blanken Pragmatismus, Herr Hauk. Die Werte, an denen wir uns ausrichten, stehen viel mehr in der Verfassung.

(Abg. Peter Hauk CDU: Genau! In weiten Teilen zu mindest!)

Dass wir unter Ihrer Regierung den Tierschutz in die Verfas sung aufgenommen haben, muss doch irgendwelche konkre ten Konsequenzen haben. Da kann man doch nicht alles so lassen, wie es ist. Sonst hätte man es nicht in die Verfassung schreiben müssen.

Jetzt beschreibe ich Ihnen einmal, wie es beim Landesjagd gesetz im Hinblick auf einen offenen Prozess gelaufen ist:

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm und Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Ja!)

Man versammelt die Beteiligten

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Zwei Jahre lang!)

in 26 Sitzungen, um die einzelnen Punkte durchzugehen. Das ist ein offener Prozess, aber natürlich mit der Werteorientie rung, dass die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung natürlich auch reale Konsequenzen haben muss. Man kann sich doch nicht vom Acker machen, wenn es konkret wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Nun ein Beispiel: Wenn bei der Frage der Tierfütterung die Jäger keine Änderung des Gesetzes wünschen, die Tierschüt zer jedoch jegliche Fütterung ablehnen

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

und das Ergebnis dann lautet, dass die Kirrung bleibt und auch eine Notfütterung erlaubt bleibt,

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

dann liegt das Ergebnis ungefähr bei 2,5, wenn ich von einer Skala von 1 für die Haltung der Jäger bis 10 für die Haltung der Tierschützer ausgehe. Da kann doch nur der von Ideolo gie reden, der zu 100 % die Jägermeinung vertritt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)