Protocol of the Session on January 22, 2014

(Zurufe der Abg. Dr. Bernhard Lasotta und Karl-Wil helm Röhm CDU)

Sie nehmen vielmehr Anleihen bei der Onlinepetition – die Rede des Herrn Hauk hat es ja auch gezeigt – „Kein Bildungs plan unter der Ideologie des Regenbogens“, die der Realschul lehrer Gabriel Stängle initiiert hat.

Wozu Sie nichts gesagt haben, Herr Hauk, ist die Frage: Wo rum geht es eigentlich? Alle zehn Jahre werden die Bildungs pläne fortgeschrieben.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist selbst verständlich!)

2004 war die letzte Fortschreibung. Deshalb sind wir jetzt ge rade im Prozess, den geltenden Bildungsplan fortzuschreiben; der neue Bildungsplan soll 2015 in Kraft treten. Seit gut ei nem Jahr arbeitet eine Kommission an dessen Erstellung. In dieser Kommission sind über 300 Menschen in 40 Fachkom missionen beteiligt. Da können Sie doch nicht sagen, dass nicht alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt gewesen seien und dass wir das im Hinterzimmer machten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Eine erste Arbeitsfassung wurde verschickt. Was steht da drin?

Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der eigenen ge schlechtlichen Identität und Orientierung auseinander mit dem Ziel, sich selbstbestimmt und reflektiert für ein ihrer Persönlichkeit und Lebensführung entsprechendes Be rufsfeld zu entscheiden. Schülerinnen und Schüler haben einen vorurteilsfreien Umgang mit der eigenen und an deren sexuellen Identitäten, entwickeln eine Sensibilität für Stereotype und können diese hinterfragen und sind fä hig, sich in einer pluralen Gesellschaft zu verorten und eine begründete Werthaltung zu entwickeln.

Wer so etwas als Bevormundung bezeichnet und befürchtet, dass dann das christliche Abendland untergeht, der hat von Bildungspolitik und von Wertepolitik wirklich keine Ahnung.

(Lebhafter Beifall bei den Grünen und der SPD)

In dieser Art und Weise soll das Thema „Akzeptanz von se xueller Vielfalt“ in den neuen Bildungsplänen Einzug halten – als ein Teilaspekt, als ein Querschnittsthema zu den fünf Leitprinzipien; mehr nicht.

Ziel ist es, in den Schulen aufzuklären, sachlich zu informie ren und dadurch ein Umfeld für Toleranz, Offenheit und ge genseitigen Respekt zu schaffen. Wer dies als Aufruf zur pä dagogischen, moralischen und ideologischen Umerziehung bezeichnet, meine Damen und Herren, wie eben der Initiator dieser Onlinepetition, schürt wissentlich Ängste und Ressen timents gegen Homosexualität und hat in unserer aufgeklär ten, toleranten Gesellschaft nichts verloren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt wissen wir, was Toleranz ist! Wir sind beeindruckt! – Weitere Zu rufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)

Gell, das tut weh. Jetzt hören Sie erst einmal zu. Dann wis sen Sie erst, worüber wir eigentlich diskutieren.

(Zurufe)

Die von der Bildungskommission vorgeschlagenen fünf Leit prinzipien sind erstens berufliche Bildung, zweitens Bildung für nachhaltige Entwicklung, drittens Medienbildung, vier tens Prävention und Gesundheitsförderung und fünftens Ver braucherbildung.

Diese Leitprinzipien werden fächerübergreifend vermittelt, und zwar unter der Rubrik „Allgemeine Erziehungsziele“. In dieser Rubrik „Allgemeine Erziehungsziele“ ist auch das Querschnittsthema „Akzeptanz von sexueller Vielfalt“ enthal ten, ein Thema, das nicht reduziert werden darf auf Sexual kundeunterricht oder Biologie, sondern vielmehr in die Sozi alerziehung als Bestandteil der Diskussion über grundlegen de gesellschaftliche Werte gehört.

Mit der Onlinepetition, die sich gegen ein Arbeitspapier des Kultusministeriums wendet, ist nun eine Diskussion entstan den, die weder inhaltlich noch sachlich dem Thema gerecht wird und die vor allem einen Teilaspekt im neuen Bildungs plan absichtlich überbetont und verzerrt.

Wir wollen, dass man in der Schule künftig kompetent über dieses Thema reden kann und dass solche Gespräche nicht un ter den Schülerinnen und Schülern auf dem Schulhof stattfin den, wo die Bezeichnungen „schwule Sau“ und „Schwuchtel“ noch immer zu den beliebtesten Schimpfwörtern gehören. Deshalb müssen wir die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen. Wir müssen sie fit machen, damit sie das Thema im Unterricht entsprechend behandeln können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Eine Studie der Humboldt-Universität zu Berlin von 2012 be legt den großen Einfluss von Lehrkräften auf das Verhalten von Schülerinnen und Schülern. Je mehr die Schüler über ver

schiedene sexuelle Identitäten wissen und je häufiger diese Fragen im Unterricht thematisiert werden, desto höher ist die Akzeptanz von Jugendlichen in Bezug auf dieses Thema. Das ist dringend notwendig, da immerhin 5 bis 10 % aller jungen Menschen eine gleichgeschlechtliche Orientierung entwi ckeln. Umfragen zeigen, dass diese Jugendlichen an der Schu le Vorurteile, Diskriminierung und Mobbing erleben. Deshalb ist die Schule in der Verantwortung, sich des Themas anzu nehmen. Daher werden wir es auch verbindlich in die Bil dungspläne implementieren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Jetzt hat Herr Kollege Hauk uns vorgeworfen, dass wir uns kritisch zu der Petition geäußert haben,

(Abg. Peter Hauk CDU: Habe ich nicht gesagt!)

und gesagt, dies sei nicht mit unserem politischen Schwer punkt vereinbar, mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kritisieren überhaupt nicht, dass es eine entsprechende Onlinepetition gibt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Oi! – Weitere Zu rufe von der CDU)

Eine solche Onlinepetition kann jeder einreichen; das ist in zwischen auch nicht mehr schwierig, Kollege Zimmermann.

Aber wenn in einer Petition Unwahrheiten behauptet und Min derheiten diskriminiert werden, dann ist es nicht nur richtig, sondern sogar notwendig, dass man sich öffentlich dazu äu ßert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Was mich wirklich erschreckt hat und weshalb ich bei der De batte auch entsetzt bin, Kollege Zimmermann, ist, mit wel cher Heftigkeit, mit welchen homophoben Untertönen und mit welchem Fanatismus diese Debatte geführt wird.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Kollege Zimmermann, hören Sie erst einmal zu, und dann schauen Sie, wer alles diese Petition unterstützt.

Offensiv werben dafür die rechtspolitische Organisation PI, Politically Incorrect, und in der Zwischenzeit auch die AfD.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was wollen Sie da mit sagen?)

Diese Reaktionen zeigen mir, dass es dringend notwendig ist, dass wir uns über dieses Thema öffentlich auseinandersetzen. Wir wollen, dass es in Baden-Württemberg selbstverständlich ist, mit Toleranz, Akzeptanz und Respekt auf unterschiedliche sexuelle Orientierungen zu reagieren und sich von homopho ben und diskriminierenden Äußerungen zu distanzieren.

(Beifall bei den Grünen)

Was macht die Opposition? Die eiert herum; anders kann man es wirklich nicht ausdrücken. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Peter Hauk, verurteilt die Petition keineswegs, im Ge

genteil: Er warnt die Landesregierung sogar davor, die Petiti on zu kritisieren. Das finde ich wahrlich eine schwache Re aktion und ein starkes Stück.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wie notwendig unsere Diskussion heute zum Thema „Akzep tanz von sexueller Vielfalt“ ist, zeigen auch die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der FDP/DVP. Für Herrn Rülke sind gleichgeschlechtliche Beziehungen „tolerabel, aber nicht gleichwertig“.

(Zuruf: Pfui!)

Herr Rülke, ich darf Sie an die Urteile der Bundesgerichte er innern,

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sagen Sie das auch zu Guido Westerwelle?)

die eindeutig aussagen, dass es eine Gleichstellung geben muss und dass dadurch der besondere Schutz von Ehe und Fa milie überhaupt nicht betroffen ist.

„Ich schäme mich für die Aussagen von Herrn Rülke.“

(Beifall bei den Grünen – Zurufe, u. a. des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das sage nicht ich, sondern das ist ein Zitat.

Ich schäme mich für die Aussagen von Herrn Rülke. Sei ne Äußerungen zur Minderwertigkeit gleichgeschlechtli cher Beziehungen sind Sand im Getriebe der neuen FDP.

Dies sagt Sebastian Gratz, der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.