Protocol of the Session on June 19, 2013

(Zurufe von der CDU und der SPD: Nein! – Zuruf des Abg. Alexander Schoch GRÜNE)

dass diese Erkenntnis, die offenkundig ist, in einer Plenarde batte ausgesprochen werden muss?

Für die CDU im Land und, wie ich gleich noch ausführen wer de, auch für die Union auf Bundesebene lässt sich feststellen, dass wir in dieser Frage außerordentlich engagiert waren und sind. Das gilt auch für die drei der Union angehörenden Bun destagsabgeordneten, die am Bodensee tätig sind, die Kolle gen Jung und Riebsamen, sowie den Kollegen Dr. Müller von der CSU. Sie haben die Position der CDU/CSU-Bundestags fraktion in dieser Frage deutlich vorangebracht. Erst auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode – um jetzt einmal ge nau den Punkt zu beschreiben, um den es geht – kam es dann aufgrund fehlender Einigung mit der FDP nicht zu einer ent sprechenden Gesetzesnovelle. Die FDP wollte zwar auch den Schutz des Bodensees und seines Einzugsgebiets, aber nicht den der übrigen Trinkwasserspeicher.

Diese Einigung ist also nicht zustande gekommen, was uns aber aus zwei Gründen nicht übermäßig schmerzt. Zunächst einmal: Wir können jetzt sagen, was wir eigentlich wollen, und das tun wir. Die Union wird in ihr Wahlprogramm, des sen Elemente bereits feststehen, das von den Spitzen abgeseg net ist und das am nächsten Sonntag dann von den Vorstän den beschlossen wird, eine Passage aufnehmen, die ich Ihnen einfach einmal vorlesen darf. Das bezieht sich jetzt auf die Bundesebene; deswegen spreche ich von den beiden Ebenen.

(Minister Franz Untersteller: Machen wir jetzt Wahl kampf?)

Wir wollen in unserem Wahlprogramm festhalten – ich zitie re wörtlich –:

Im Hinblick auf eine Gewinnung von Gas durch das so genannte Fracking ist für CDU und CSU klar: Gefahren für die Menschen und unser Trinkwasser müssen dabei ausgeschlossen werden, die Sicherheit hat für die Union absoluten Vorrang.

Jetzt kommt der entscheidende Satz:

Eine Gasgewinnung mittels gesundheitsgefährdender Chemikalien lehnen wir ab.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine ungemein klare Botschaft. Das heißt auf Deutsch: kein Fracking mit Chemie, und zwar nicht nur nicht im Um feld des Bodensees oder anderer Trinkwasserspeicher, son dern generell. Das heißt zugleich: Solange keine chemiefreie Methode entwickelt ist – es gibt Chancen dafür, dass sie ent wickelt wird; diese Chancen, dass da technische Fortschritte

erzielt werden, sollten auch gefördert werden –, so lange wird es Fracking in Deutschland nach unserer Vorstellung nicht ge ben. Abgesehen davon: Wenn dieses Problem gelöst ist, wer den natürlich im Übrigen auch noch aufwendige Prüfverfah ren zu durchlaufen sein.

Deshalb: Wiedervorlage am 23. September dieses Jahres auf verschärfter Basis und mit einer gestärkten Union.

Zweitens: Meine Damen und Herren, es ist keine Gefahr im Verzug. Zum einen liegen gar keine Anträge vor – in Deutsch land hat es bisher nur in Hessen einen einzigen Antrag gege ben; er ist dann übrigens abgelehnt worden –, und zum ande ren haben wir schon heute ein gültiges Instrumentarium, das dafür sorgt, dass nichts übers Knie gebrochen wird. Im Übri gen verweise ich auf den Umfang der Vorkommen in Deutsch land. Sie sind nun auch wieder nicht so groß, als dass sie den ganzen Ärger lohnen würden. Das war jedenfalls die Aussa ge eines ausländischen Geowissenschaftlers auf einer Tagung, an der ich neulich teilgenommen habe. Er würde für Deutsch land nicht empfehlen, sich in diese Diskussion zu stürzen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lehmann?

Ja, bitte.

Vielen Dank, Herr Kol lege Müller. – Eine Frage: Halten Sie es angesichts der Ener giewende, des Umstiegs auf erneuerbare Energie und der ho hen Siedlungsdichte in Deutschland überhaupt für zeitgemäß, dieses Verfahren weiterzuverfolgen?

Sofern es keine Risiken und kei ne Nachteile gibt, kann man die Möglichkeit, die damit ver bunden ist, natürlich nutzen.

Ich glaube, eine solche Aussage kann man jederzeit treffen, und da bin ich übrigens nicht der Einzige; darauf wollte ich noch zu sprechen kommen. Die wissenschaftlichen Aussagen sind zwar skeptisch, aber differenziert. Die Position, die ich gerade vorgetragen habe, geht über die Position von manchem Wissenschaftler hinaus. Ich erinnere an Aussagen beispiels weise des Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Ich erinnere an Aussagen des Bundesver bands der Deutschen Industrie. Ich erinnere übrigens auch an die Position von Hannelore Kraft, die sich noch im Februar erstaunlich positiv zum Fracking geäußert hat. Mittlerweile tut sie dies nicht mehr; sie war in Kanada.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ich will nur sagen: Wenn Fracking nicht mit Problemen ver bunden wäre, sähe ich ein Totalverbot um alles auf der Welt als relativ unsinnig an.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Man muss die Probleme vermeiden, aber muss nicht unbe dingt alles verbieten.

(Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Kollege Müller, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Reuter?

Ja, noch lieber.

Kollege Müller, ich bedanke mich. – Kollege Müller, pflichten Sie mir bei, dass gerade dem Gas eine besondere Bedeutung beim Übergang zu erneuerba ren Energien zukommt?

Ich betrachte die Frage als rhe torisch und kann sie daher nur mit Ja beantworten. Das gilt übrigens speziell für die EnBW – das nur nebenbei –, die sich zukünftig im Gasgeschäft besonders engagieren will.

Deswegen sage ich noch einmal: Unter bestimmten Voraus setzungen, die klar risikoorientiert sind – aber wirklich nur dann –, würde nichts dagegen sprechen, diesen Bodenschatz genauso zu heben wie andere.

Generell, meine Damen und Herren, lässt sich sagen, dass die wissenschaftlichen Studien der letzten Monate – ich hatte es gerade schon gesagt – zwar ein skeptisches, aber durchaus dif ferenziertes Bild zeichnen. Gemessen daran geht unsere Po sition, die „Kein Fracking mit Chemie“ lautet, über diesen wissenschaftlichen Erkenntnisstand noch hinaus.

Ich will es unter dem Gesichtspunkt der politischen Kontinu ität einmal so sagen: Wir haben in den Boden- und Gewässer schutz nicht jahrelang Milliarden von Euro gesteckt, um uns anschließend die Erfolge dieser unserer Umweltpolitik durch irgendwelche Risiken kaputt machen zu lassen. Nicht mit uns!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP und des Abg. Martin Hahn GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kollege Schoch.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Da men und Herren! Wir sprechen heute über das Fracking, nicht weil es keine Probleme gibt, sondern eben weil es Probleme gibt und weil sich die Menschen vor Ort Sorgen machen. Ins besondere in der Bodenseeregion machen sich die Menschen Sorgen, dass es die Bundesregierung nicht geschafft hat, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Das ist schlecht.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD – Abg. Rosa Grünstein SPD: Das ist gut so!)

Wir haben in diesem Haus – das wurde schon mehrfach er wähnt – vor einem Jahr über das Thema Fracking diskutiert und einen gemeinsamen Antrag verabschiedet, in dem wir ei ne Änderung des Bergrechts und die Einführung einer Um weltverträglichkeitsprüfung sowie ein Moratorium gefordert haben. Das wäre zu diesem Zeitpunkt richtig gewesen, wobei ich persönlich der Meinung bin, dass ein Fracking-Verbot ei gentlich der richtige Weg wäre.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

In Baden-Württemberg gibt es große Flächen, die Konzes sionsfelder darstellen könnten, z. B. bei Konstanz, Bad

Saulgau, Wangen und Biberach. Die Konzessionsinhaber sind natürlich daran interessiert, diese Flächen zu verwerten.

Die Menschen in dieser Region machen sich zu Recht Sorgen, weil Fracking ein aufwendiges und problematisches Verfah ren ist. Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass in den USA Fracking schon seit zehn Jahren erfolgreich betrieben werde. Ergebnis ist jedoch, meine Damen und Herren, dass Trinkwasserbrunnen verseucht und dass Menschen krank wer den. Das wollen wir in unserer Region nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Seit einigen Jahren werden auch in Deutschland, insbesonde re in Norddeutschland, Probebohrungen durchgeführt. Dem Konzern ExxonMobil wurden schon 2008 Probebohrungen genehmigt. Man rechnet damit, dass in Europa – das muss man natürlich ganz deutlich sehen – im Schiefergestein 50 Millionen m3 Gas gebunden sind. Daher kann es natürlich ein lukratives Geschäft sein, und es kümmern sich auch eini ge Konzerne um die Claims in Europa und insbesondere in Deutschland; auch hier gibt es mit Blick darauf interessante Regionen, wie ich bereits erwähnt habe. Die Konzerne erhof fen sich natürlich Milliardengewinne für ihr Engagement.

Aber angesichts der Tausenden Tonnen an Chemikalien, die – dies sage ich aufgrund der Erfahrung, die man in den USA gemacht hat – mit der Fracking-Methode in den Boden ge pumpt werden, ist das problematisch. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das Trinkwasser verseucht wird und krebs erregende Stoffe in die Umwelt geraten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das will doch nie mand von uns!)

Das will vielleicht niemand, aber da es momentan keine ge setzliche Regelung gibt, die Fracking verbietet, ist dies mög lich. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sa gen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich habe Ihnen gesagt, dass sich die Menschen vor dem Hin tergrund Sorgen machen, dass nichts passiert ist. Diese Sor gen, die in der Bodenseeregion geäußert werden, muss man ernst nehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

In anderen Ländern, sehr geehrte Damen und Herren, hat man sich darum gekümmert; dort wird mit Fracking sehr kritisch umgegangen. So wurden z. B. in Großbritannien, in den Nie derlanden und in der Schweiz Moratorien erlassen. In Bulga rien und Frankreich wurden Verbote verhängt, Fracking durch zuführen. Die Internationale Bodenseekonferenz hat beschlos sen, dass am Bodensee Fracking nicht durchgeführt werden soll. Ich denke, diese Entscheidung der Internationalen Boden seekonferenz sollten wir ernst nehmen und darauf hinwirken, dass es zu einem Fracking-Verbot auch bei uns kommt.

Danke schön.