Protocol of the Session on April 11, 2013

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Paul Nemeth CDU: Das ist unverschämt!)

Stichwort „Privilegierte Letztverbraucher oder Befreiung der Industrie“. Ich habe vorhin gesagt: Es wird von keinem der Beteiligten infrage gestellt, dass die energieintensiven Bran chen, die im internationalen Wettbewerb stehen, weitgehend von der EEG-Umlage befreit werden. Was heißt das? Sie be zahlen in der Regel 0,05 Cent – wir bezahlen 5,227 Cent. Das ist die Situation heute.

Der Punkt ist nur: Man muss hinterfragen, ob all das, was heu te unter diese Privilegierung fällt, gerechtfertigt ist. Wie sieht das konkret aus? Es sieht so aus, dass der Umfang an Privile gierung etwa 4,4 Milliarden € – wenn ich es recht im Kopf habe; nageln Sie mich nicht darauf fest – beträgt. Wenn man dies umlegt – der Kollege Glück hat die Zahl vorhin genannt –, entspricht das etwa 1 Cent von den 5,2 Cent EEG-Umlage, die heute auf die Privilegierung entfallen.

Jetzt frage ich Sie anhand eines Beispiels: Wodurch ist es ge rechtfertigt, dass der Braunkohletagebau privilegiert ist? Was ist daran gerechtfertigt? Steht er im internationalen Wettbe werb? Droht der Braunkohletagebau abzuwandern oder unter Druck zu kommen?

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Aus meiner Sicht – das sage ich einmal ganz deutlich – ist der Braunkohletagebau aus der Privilegierung herauszunehmen. Wir reden hier über etwa 180 Millionen €, die das ausmacht. Das möchte ich einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Hier muss man ehrlicherweise sagen: Es gibt unterschiedlichs te Länderinteressen, und zwar von Schwarz bis Rot.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! Genau!)

Da brauchen wir uns nichts vorzumachen; das ist einfach so.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: NRW!)

Nicht nur NRW, es sind auch Länder im Boot, in denen die FDP mitregiert.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sachsen!)

In Sachsen hat man sich massiv für die Beibehaltung stark gemacht. Aber aus meiner Sicht muss man dieses Thema bei der großen EEG-Novelle noch einmal angehen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Glück?

Ja, bitte.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der hat aber Glück!)

Herr Minister Untersteller, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen.

Über die Frage, ob der Braunkohletagebau wirklich von der EEG-Umlage befreit werden muss, kann man vielleicht dis kutieren.

(Abg. Ernst Kopp SPD: Frage!)

Es geht aber in der heutigen Debatte, die von den Grünen be antragt wurde, um Strompreise. Sie sagen, die gesamte Aus nahmeregelung für im internationalen Wettbewerb stehende energieintensive Unternehmen macht 1 Cent der gesamten EEG-Umlage aus. Das bedeutet aber auch, dass Sie, selbst wenn Sie alles streichen würden – nicht nur die Förderung der Braunkohleindustrie –, eben nur diesen einen Cent sparen könnten. Bei einer Betrachtung der Entwicklung vom letzten zu diesem Jahr würde das eine Steigerung der EEG-Umlage um 1,7 % bedeuten. Das wäre ein Effekt, der innerhalb eines Dreivierteljahres abgevespert wäre. Darin steckt doch keine Musik, oder sehen Sie darin einen größeren Effekt?

Herr Kollege Glück, ich widerspreche Ihnen hier nicht. Nur: Der Vorschlag des Kollegen Altmaier macht einen Bruchteil dieses einen Cents aus. Das ist doch der Witz, über den wir reden. Der Vorschlag des Kollegen Altmaier – er wurde übrigens gemeinsam mit Rösler abgestimmt – macht einen Bruchteil dieses einen Cents aus. Die Einsparung von 1 Cent je Kilowattstunde würde für eine vierköpfige Familie mit einem Verbrauch von 4 000 kWh im Jahr theoretisch ei ne Entlastung von 40 € im Jahr bedeuten. Bei den Vorschlä gen von Herrn Altmaier und Herrn Rösler sprechen wir über eine Entlastung von 15 € im Jahr.

Jetzt frage ich Sie: Ist es wert, diese Debatte der letzten Mo nate wegen dieser 15 € zu führen? Ich gebe Ihnen die Ant wort: Sie ist es nicht wert, sondern Sie gefährden damit die Investitionssicherheit in Deutschland. Das hat die Kollegin Sitzmann vorhin deutlich gemacht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Als Allerletztes möchte ich noch kurz auf eine Äußerung des Herrn Nemeth eingehen. Herr Kollege Nemeth, Sie geben den Ministerpräsidenten verkürzt wieder. Hier bitte ich Sie, doch richtig zu zitieren. Wenn Sie jemanden wiedergeben oder zi tieren, dann geben Sie ihn bitte richtig wieder. Was hat der Herr Ministerpräsident denn in den angesprochenen Äußerun gen gesagt? Er hat gesagt: Langfristig,

(Abg. Paul Nemeth CDU: Was ist „langfristig“?)

langfristig gesehen können die Preise sinken.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Langfristig sind wir alle tot!)

Warum können sie sinken? Das ist doch logisch. Um das zu erkennen, muss man in Mathe nicht gut gewesen sein. Wenn wir ein Energieversorgungssystem haben, das zunehmend we niger von Brennstoffkosten abhängig ist – Solar- und Wind energie haben nun einmal keine Brennstoffkosten; ihre Brenn stoffkosten liegen bei null –, dann ist es logisch, dass die Ener giekosten, die Stromkosten, langfristig auch wieder sinken. Ich bitte Sie, solche einfachen Gedankengänge zukünftig ein fach einmal zu berücksichtigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nach § 60 Absatz 3 der Geschäfts ordnung soll die Redezeit verlängert werden, wenn die Regie rungsvertreter 50 % der Gesamtredezeit der Fraktionen über schreiten. Dies war der Fall.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort noch einmal dem Kollegen Nemeth.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der hat doch seine Re dezeit auch schon massiv überschritten!)

Meine Damen und Herren, wenn die Regierung so lange redet und dann auch noch die Behaup tung aufstellt, dass der energiepolitische Sprecher der CDULandtagsfraktion für die Versorgungssicherheit in Deutsch land verantwortlich sei,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nein, eine Gefahr!)

dann muss man schon einmal kurz antworten. Denn Sie tra gen die Verantwortung für die Versorgungssicherheit.

Vor drei Wochen, beim EnBW-Kommunaltag, bei dem Sie in Vertretung für den Ministerpräsidenten selbst da waren, hat der Vorstandsvorsitzende der EnBW Regional AG, Herr Dr. Bruder, gesagt – er ist verantwortlich für die Verteilnetze in vielen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg –: „Der rasante, zu schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien ist ei ne Gefahr für die Verteilnetze. Es muss entschleunigt werden; es geht zu schnell.“ Deshalb sind S i e ein Risiko, das zu einem Blackout in Baden-Württemberg führen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Lachen bei Abgeordneten der Grünen – Zu rufe von den Grünen: Oh!)

Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Soziale Gerechtigkeit durch Steuerge rechtigkeit – Steuerbetrug bekämpfen auch von BadenWürttemberg aus – beantragt von der Fraktion der SPD

Auch hier beträgt die Gesamtredezeit 40 Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich an den vorgege benen Redezeitrahmen zu halten. § 60 Absatz 4 der Geschäfts ordnung verlangt freie Rede.

Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Eine weltweite Kooperation von Journa listen hat unter dem Stichwort Offshore-Leaks ein aufwendi ges System von Scheinfirmen, Stiftungen offengelegt, das ein zig und allein der aggressiven Steuervermeidung, der Steuer hinterziehung und der Geldwäsche dient. Die Deutsche Steu er-Gewerkschaft schätzt das weltweite Hinterziehungsvolu men allein bei deutschen Steuerhinterziehern auf ca. 400 Mil liarden €. Das entspricht etwa dem Zehnfachen des Landes haushalts von Baden-Württemberg. Die Europäische Union schätzt, dass in der EU pro Jahr 1 Billion € durch Steuerhin terziehung und Steuerumgehung verloren gehen.

Man sieht, es handelt sich nicht um Peanuts, sondern um ge waltige Summen. Deshalb geht es nicht um Einzeltatbestän de, sondern um Strukturen und Systeme, mit denen jedenfalls wir Sozialdemokraten uns nicht länger abfinden wollen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wenn man dem begegnen will, bedarf das zunächst einer kla ren Haltung, einer inneren Einstellung und einer klaren Ansa ge, dass wir Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen nicht als Kavaliersdelikte betrachten und ihnen keinen Schon raum und keine Schonfrist einräumen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb war es ein grandioser Fehler der Bundesregierung und des Bundesfinanzministers – übrigens mit Unterstützung der baden-württembergischen CDU und FDP –, zu versuchen, die Daten, die man aus sogenannten Steuer-CDs gewinnen kann, nicht zu gewinnen, sondern Schonräume und Schonfris ten einzuräumen. Wir sind der Landesregierung sehr dankbar, dass sie im Verbund mit anderen, befreundeten Landesregie rungen für den Zugriff auf diese Daten gesorgt hat, sodass man damit Steuersünder in Baden-Württemberg und in Deutsch land verfolgen kann.