Protocol of the Session on April 11, 2013

Manchmal tut man so, als würden die Strompreise erst seit der Energiewende steigen. Das ist natürlich mitnichten so. Wir hatten beispielsweise im Jahr 1973 Durchschnittserlöse aus der Stromabgabe in Höhe von 10,63 Pfennig. Neun Jahre spä ter, im Jahr 1982, lagen die Erlöse nicht mehr bei 10,63 Pfen nig, sondern bei 18,41 Pfennig. Innerhalb von neun Jahren hatten wir praktisch eine Steigerung um 80 %. Damals dach te noch niemand an die Energiewende. An Fotovoltaik dach ten damals nur ein paar – ich sage einmal so – grüne Technik freaks.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na! Rote waren da auch dabei! Hermann Scheer! – Abg. Martin Rivoir SPD: Damals gab es noch gar keine Grünen!)

Damals waren Begriffe wie „Ölpreiskrise“ und „Ausbau der Kernenergie“ – der übrigens seinerzeit vom Staat kräftig sub ventioniert wurde – hochaktuell.

Außerdem, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir nicht nur den Strompreis betrachten, sondern insgesamt die Energiepreise – Wärmepreise, Mobilitätspreise – betrachten und hierauf ein stärkeres Augenmerk legen.

(Abg. Peter Hauk CDU: Wird es denn dann besser?)

Letztendlich bedeutet die Energiewende für uns – deswegen plädiere ich hier dafür, dass wir sachlich mit dieser Thematik umgehen –,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann fan gen Sie doch an!)

dass wir unabhängiger werden von Energieimporten, von fos silen Brennstoffen und auch von rasanten Preissteigerungen bei fossilen Energieträgern. Diese Preissteigerungen wird es in den kommenden Jahren auch weiterhin geben, ungeachtet der Entwicklung, wie wir sie in den USA mit Shale gas erle ben.

Denn eines ist klar: In einer Situation, in der die Ressourcen weltweit knapper werden, aber Länder wie Indien, China und andere große Nationen stärker zugreifen, werden diese Prei se weiter steigen. Man ist gut beraten, sich von dieser Ent wicklung abzukoppeln, soweit dies nur irgendwie möglich ist. Deswegen ist es eine richtige Entscheidung von Deutschland, die Energiewende einzuleiten

(Abg. Paul Nemeth CDU: Aber mit Verstand!)

und eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien auf 80 % bis zum Jahr 2050 anzustreben. Deswegen ist es eine richtige Entscheidung, das EEG auch weiterzuentwickeln, um auf diesem Pfad in Richtung 2050 in den nächsten Jahren hier

weiterzukommen und nicht etwa abzustoppen, Herr Kollege Nemeth.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Was würde es bedeuten, wenn wir sagen würden: „Wir hauen bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien die Bremse rein“? Was würde das bedeuten? Dann müssten wir verstärkt auf fos sile Energieträger setzen oder wieder zurück zur Kernenergie gehen. Ich gehe einmal nicht davon aus, dass Sie das wollen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na?)

Wir müssten wieder verstärkt auf fossile Energieträger setzen. Glauben Sie allen Ernstes, dass wir damit billiger davonkom men?

(Abg. Paul Nemeth CDU: Sie machen Ihren Strom auch mit fossilen Energieträgern!)

Ich mache meinen Strom nicht mit fossilen Energieträgern.

(Abg. Paul Nemeth und Abg. Peter Hauk CDU: Na türlich! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was denn sonst?)

Was soll denn das? Das ist doch einfach Unsinn. Wir haben in Baden-Württemberg einen Anteil von um die 20 %, und die restlichen 80 % teilen sich auf nukleare und fossile Energie träger auf.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Also! – Abg. Edith Sitz mann GRÜNE: Der Umweltminister macht den Strom auch nicht selbst!)

Wir brauchen doch hier keine Trivialitäten. Was soll denn das?

(Abg. Paul Nemeth CDU: Die bringen Sie seit über zehn Minuten! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu der Frage des Stel lenwerts des Strompreises bei der Industrie: Es ist wichtig, im Blick zu haben, dass die Industrie bezahlbare Strompreise hat. Das ist selbstverständlich.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Ich betone auch immer wieder in Gesprächen mit der Indust rie, dass wir das im Blick haben.

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Paul Nemeth CDU)

Aber auch da lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen: Welchen Stellenwert haben die Strompreise heute in der In dustrie? Wenn man auf die Branchen schaut, die wir in Ba den-Württemberg haben – Automobilwirtschaft, Maschinen bau, Anlagenbau, Elektrotechnik –,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Gärtnereien! – Abg. Paul Nemeth CDU: Bäckereien!)

werden Sie Folgendes feststellen: Die Stromkostenanteile an den Bruttoproduktionskosten in diesen Branchen liegen in der Regel bei 1 %, 2 % und 3 %.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Zulieferer! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wie hoch ist die Ge winnmarge?)

Noch einmal: Ich rede nicht über die energieintensiven Bran chen, sondern über die Kernbranchen in Baden-Württemberg. Wenn Sie mit diesen Unternehmern reden – und das mache ich als Minister logischerweise sehr oft –, stellen Sie fest, wir haben ein Problem: Energieeffizienzmaßnahmen werden so lange gemacht, wie es um Amortisationszeiten von einem Jahr, von anderthalb Jahren geht, aber dann nicht mehr. Energieef fizienzmaßnahmen mit Amortisationszeiten von zwei Jahren landen meist schon in der Schublade.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch nicht wahr! Wo leben Sie denn?)

Warum ist das so? Das liegt daran, dass die Anteile der Strom kosten heute in der Industrie zwischen 1 %, 2 % und 3 % lie gen.

Kommen wir zu den energieintensiven Unternehmen in Deutschland. Es ist völlig richtig, dass die energieintensiven Branchen von der EEG-Umlage entlastet sind.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ein Teil!)

Ich möchte auch eine Grafik zeigen, Kollege Glück.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Die Grafik zeigt, dass die Preise bei den energieintensiven Un ternehmen sinken. Diese Grafik stammt aus einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, erstellt vom EWI, dem Energiewirtschaftlichen Institut in Köln. Warum sinken die Preise?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Guter Wirt schaftsminister!)

Ganz einfach: Die Preise an der Strombörse sinken, die Zer tifikatspreise sind zerfallen, die energieintensiven Unterneh men zahlen keine EEG-Umlage und so gut wie keine Netz kosten – Stichwort: Entlastung wegen § 19 der Stromnetzent geltverordnung –, keine KWK-Umlage, keine Stromsteuer. Ich frage Sie: Wo sollen wir sie denn noch entlasten? Sie sind von allem entlastet. Den energieintensiven Branchen in Deutschland geht es an der Energiekostenfront heute so gut wie schon lange nicht mehr.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das meine ich damit, Herr Kollege Hauk: Es gibt auf der ei nen Seite das Problem der Kommunikation – wenn Leute wie Altmaier in der Öffentlichkeit sagen, die Energiewende könn te zu Kosten von bis zu 1 Billion € führen, dann entsteht erst einmal tage- und wochenlang völlige Panik in den Medien – und auf der anderen Seite die Realität. Die Grafik stammt aus einer Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium in Auf trag gegeben hat.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Sie reden hier von 800 Un ternehmen!)

Mein Plädoyer lautet –

(Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt kommt’s)

deswegen ist diese Debatte völlig richtig –, die Energiewen de nicht zu gefährden. Wir müssen von solchen Mondzahlen – 1 Billion € –, die in die Welt gesetzt wurden, wegkommen und auf das sachliche Niveau zurückkommen und dürfen die gemeinsam von allen Parteien im Deutschen Bundestag be schlossene Energiewende nicht durch solche unsinnigen Dis kussionen, wie wir sie in den letzten Monaten gehabt haben, gefährden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, Sie hatten während Ih rer Redezeit zugesagt, eventuelle Nachfragen am Ende zu be antworten. Wollen Sie die Nachfragen der Kollegen Nemeth, Deuschle und Dr. Bullinger zulassen?

(Abg. Johannes Stober SPD: Die haben doch noch Redezeit! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP)