Protocol of the Session on April 10, 2013

(Abg. Peter Hauk CDU: Oder Zuspitzung auf den Punkt!)

Die „Superheld“- oder die „Superstar“-Rhetorik und die „Dschungelcamp“-Rhetorik sind keine Zuspitzung auf den Punkt, sondern das Schielen – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber der Einheitslehrer!)

Aber wessen Rhetorik ist das denn, Herr Abg. Rülke?

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ihre!)

Nein, das ist sie nicht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Einheits lehrer“ kommt von Ihnen!)

Herr Rülke, ich glaube, Sie verwechseln da etwas.

(Abg. Helen Heberer SPD: Kulturelle Bildung!)

Lassen Sie mich einmal mit der Frage beginnen – um uns kurz darauf zu konzentrieren, worin eigentlich das Interesse liegt –, warum wir die Lehrerbildung im Land weiterentwickeln wollen und müssen.

Baden-Württemberg verfügt ohne Zweifel über gute Schulen sowie über gute Lehrerinnen und Lehrer.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Noch!)

Wir können uns darauf aber nicht ausruhen. Wir müssen un sere Lehrerbildung weiterentwickeln, und wir müssen unsere Ausbildung auf die neuen Herausforderungen einstellen, wenn wir die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg op timal fördern wollen.

Es ist bereits angedeutet worden: Wir wissen, dass die Unter schiedlichkeit von Schülerinnen und Schülern zugenommen hat. Das ist keine Herausforderung für einzelne Schularten,

sondern diese Herausforderung gilt für alle Schularten – von der Förderschule bis zum Gymnasium. Wir wissen außerdem, dass das für Lehrer erforderliche Wissen für die Vermittlung enorm zugenommen hat, aber auch die Geschwindigkeit, in der wir Schülern Wissen präsentieren. Daher stellt das Wis sen, das sprunghaft zugenommen hat, auch unsere Ausbildung vor neue Herausforderungen.

Deshalb hat die Landesregierung eine Expertenkommission beauftragt, Empfehlungen zu erarbeiten, wie wir die Lehre rinnen und Lehrer in unserem Land auch künftig optimal auf das vorbereiten, was sie in der Schule erwartet.

Wir brauchen ein leistungsstarkes Bildungssystem, und wir brauchen ein gerechtes Bildungssystem, das alle jungen Men schen optimal fördert und ihnen unabhängig von ihrer sozia len Herkunft beste Bildungschancen bietet. Wir wollen und müssen in einem Land wie Baden-Württemberg alle Talente fördern und Potenziale heben. Deswegen müssen wir die Leh rerinnen und Lehrer darauf vorbereiten, dass sie sowohl die Leistungsstärksten als auch diejenigen, die Schwächen haben, optimal und individuell fördern, sodass sie ihre Stärken und Schwächen erkennen und sich auf diese einstellen können. Deswegen kann man nicht jedem Schüler dieselbe Fördermaß nahme zuteilwerden lassen, sondern man muss sich auf die Individualitäten und die Unterschiede einstellen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja eben! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig, ja! Da stimme ich ausdrücklich zu!)

Ohne hervorragend ausgebildete und hervorragend motivier te Lehrerinnen und Lehrer werden wir dies nicht bewältigen können. Wir brauchen ein Ausbildungssystem, das diesen ge wachsenen Anforderungen optimal gerecht wird.

Im Wesentlichen geht es dabei um den Umgang mit Hetero genität und um die Inklusion. Diese Aspekte sind nicht Nach teile eines Bildungssystems, sondern Potenziale und Chancen, mit denen man Produktivität entfalten kann und muss.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer, die junge Menschen optimal unterstützen, die sie für Lerninhalte begeistern, die sie zum Lernen motivieren und die ihnen das Zutrauen geben, dass sich Anstrengungen in Bildungsprozessen lohnen, dass sie sich individuell und für die gesamte Gesellschaft auszah len.

Die gewachsene Vielfalt an unseren Schulen – also auch an den Gymnasien – ist eine Realität, der sich die Lehrerinnen und Lehrer stellen müssen. Das Kultusministerium und das Wissenschaftsministerium haben deshalb gemeinsam eine Ex pertenkommission ins Leben gerufen, die sich aus externen Bildungsexperten zusammensetzt und durch ständige Gäste aus Baden-Württemberg begleitet wird, die Rückmeldungen zu den baden-württembergischen Erfahrungen und Traditio nen geben können.

In diese Expertenkommission haben wir beispielsweise auch Herrn Professor Baumert berufen, der von der früheren Lan desregierung gern gefragt und gern zitiert wurde. Wir haben ein breites Spektrum an Experten eingeladen, um den gesam

ten Wissensfundus der Bildungsexpertise dieses Landes zura te ziehen zu können. Wir sind froh über die Empfehlungen, die die Expertenkommission kürzlich vorgelegt hat.

Ich freue mich über die heutige Aktuelle Debatte. Sie haben dadurch gezeigt, dass Sie erkannt haben, dass die Weiterent wicklung der Lehrerbildung ein elementar wichtiges Thema ist, wenn es um die Zukunft unseres Bildungssystems geht.

Man muss aber sagen, dass Sie mit dieser Aktuellen Debatte ein bisschen früh dran sind;

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wieso? Die Kommission ist doch fertig!)

denn bislang liegen uns lediglich die Ergebnisse der Arbeit der Expertenkommission vor, die kürzlich vorgestellt wurden. Wir reden heute also nur über die Empfehlungen der Exper tenkommission.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben sich doch denen angeschlossen!)

Wir treten jetzt ein in eine Phase der Bewertung und der De batte mit denjenigen, die in Hochschulen und Schulen Schu le machen. Wir treten ein in eine Debatte mit Lehrern und Bil dungsexperten. Bis zum Sommer werden wir im Kabinett ent scheiden, wie wir mit diesen Empfehlungen umgehen.

Vielleicht wundert Sie das. Unser Herangehen an die Arbeit einer Kommission funktioniert so, dass wir, die Regierung, der Kommission nicht vorgeben, welche Ergebnisse sie zu produzieren hat,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein! Noch nie passiert!)

sondern wir lassen sie Empfehlungen erarbeiten. Danach wür digen und bewerten wir diese und setzen sie in unserer Poli tik um.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Sie geben auch keine Kommentare ab! – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Dafür hat man eine neue Regierung, Herr Abg. Birk.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie haben doch die Ergeb nisse der Expertenkommission kommentarlos entge gengenommen! Sagen Sie doch etwas zum Einheits lehrer!)

In der Tat haben wir – ich glaube, bei der Präsentation wa ren auch Vertreter Ihrer Faktion anwesend – die Empfehlun gen zur Kenntnis genommen und nicht bewertet, weil wir uns für den Prozess der Bewertung in den nächsten Monaten Zeit nehmen werden. Wir werden entsprechende Fachforen ein richten und Gelegenheit zur Rückmeldung geben. Wir freuen uns über jede konstruktive und kritische Rückmeldung in der Sache, um unsere Rückschlüsse daraus zu ziehen und dann über die nächsten Schritte zu entscheiden.

Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen, welche Ziele der Weiterentwicklung der Lehrerbildung wir ins Auge gefasst

haben und zu welchen Zielen wir die Kommission gebeten haben, ihre Empfehlungen vorzulegen.

Erstens geht es darum, dass die Lehrerinnen und Lehrer in un serem Land besser vorbereitet werden müssen, um individu ell fördern zu können, um Inklusion und aktive Teilhabe an der Schulentwicklung bewerkstelligen zu können.

Zweitens geht es darum, die Lehramtsausbildung in unseren Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg – sie sind ja ein bundesweiter Sonderweg – und die Lehramtsausbildung in den Universitäten besser zusammenzuführen und die Stär ken beider Einrichtungen besser zu verschränken.

Drittens geht es darum, die Einführung der gestuften Studien struktur zu überprüfen, die mittlerweile in der Mehrzahl der Bundesländer zum Standard geworden ist.

Viertens geht es darum, dass wir bundesweite Anschlussfä higkeit sicherstellen, damit die jungen Menschen ohne Prob leme von einem Bundesland in ein anderes umziehen können. Auch dies ist uns ein wichtiges Anliegen.

Ich hoffe, dass Sie die Empfehlungen der Expertenkommis sion inzwischen gelesen haben und sie nicht nur reflexartig kommentieren und Ihre Befürchtungen dazu formulieren, son dern dass Sie sich mit dem, was vorliegt, auseinandersetzen. Die Ergebnisse sind öffentlich zugänglich.

Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, hier noch einmal die wesentlichen Grundgedanken der Expertenkommission und die wesentlichen Empfehlungen dieser Kommission darzu stellen.

Erstens empfiehlt die Kommission eine Umstellung der Lehr amtsstudiengänge auf ein gestuftes Studium mit Bachelor- und Masterabschluss. Auf ein sechssemestriges Bachelorstudium soll künftig ein viersemestriges Studium „Master of Educa tion“ aufgesetzt werden. Dies ist ein zentrales Element des Bolognaprozesses und ein wesentlicher Baustein des europä ischen Hochschulraums. Es geht darum, eine Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse herzustellen sowie Anschlussfähigkeit und Flexibilität über die Bundesländer und die Landesgren zen hinweg zu sichern.

Damit fängt man in Baden-Württemberg auch nicht bei null an. Die Reformen der früheren Landesregierung, die Refor men aus den Jahren 2010 und 2011, haben dazu wichtige Vor arbeiten geliefert. Die Studiengänge sind schon heute weitge hend modularisiert. Im beruflichen Lehramt haben wir schon heute Bachelor- und Masterstudiengänge.

Wir stehen diesem grundsätzlichen Anliegen positiv gegen über. Es gibt zahlreiche Fragen, die wir in der Folge zu prü fen und zu klären haben. Da geht es insbesondere, wie Herr Abg. Lehmann schon sagte, um das Thema Polyvalenz: Wel che Möglichkeiten gibt es, nach einem Bachelorstudium um zusteigen und andere, ähnlich gelagerte Berufe zu ergreifen, um, wenn man zu der Erkenntnis gelangt ist, dass man viel leicht doch nicht Lehrerin oder Lehrer werden will, de facto nicht mit einem Studienabbruch dazustehen, sondern erfolg reich ein anderes Studium anschließen zu können?

Es geht auch um die Frage der einheitlichen Studiendauer und um Fragen des Laufbahn- und Besoldungsrechts, die wir in

aller Ruhe und mit der nötigen Zeit prüfen werden. Dies tun wir übrigens zusammen mit den anderen Bundesländern, die mit denselben Fragen konfrontiert sind.