All das soll nicht nur Theorie bleiben. Das ist bei dem Gesetz entwurf von der Textpassage her auch klar, sodass es entspre chend umgesetzt werden kann. Ich bin hier sehr zuversicht lich, weil in der JVA Freiburg und auch in Bruchsal die Arbei ten entsprechend diesen Vorgaben schon vorangehen.
Meine Damen und Herren, wir sind hier in einem sehr sensib len Bereich tätig. Es gilt immer sorgfältig zwischen dem Be dürfnis der Öffentlichkeit und der Gesellschaft nach Sicher heit und einem schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit des Betroffenen – der dann kein Strafgefangener mehr ist –, des Untergebrachten abzuwägen. Da ist es völlig richtig, das Ziel auszugeben, die Lebensbedingungen so weit wie möglich an die Bedingungen in Freiheit anzugleichen.
Zwei Aspekte möchte ich noch anführen, die zwar für Fach leute selbstverständlich sind, aber nichtsdestotrotz ausgespro chen gehören:
Die Sicherungsverwahrung ist keine Ersatzpsychiatrie. Wer psychiatrische Hilfe benötigt, muss in einer psychiatrischen Einrichtung von Personal, das dazu fachlich in der Lage ist, therapiert werden.
Das Zweite, was ich noch anbringen möchte, ist ganz bewusst nicht nur an das Hohe Haus gerichtet, sondern auch an die Presse. Bei allem Verständnis, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat, darüber informiert zu werden, wenn es trotz aller Präventionsarbeit zu entsetzlichen Verbrechen kommt, würde ich es mir sehr wünschen, gelegentlich auch einmal die Mel dung zu lesen, dass die Kriminalität in Baden-Württemberg seit Jahren rückläufig ist, insbesondere bei Kapital- und Tö tungsdelikten und Sexualverbrechen. Die leichtere Nachrich tenübermittlung sorgt dafür, dass die Verbrechen trotz gerin ger Anzahl immer stärker in die Öffentlichkeit kommen. Die beste Vorbeugung zur Verhinderung von Kriminalität ist eine gute Sozialpolitik. Kam es bereits zu Straftaten, ist die Reso zialisierung die beste Form, um neue Straftaten zu verhindern.
In diesem Sinn: Lassen Sie uns das Gesetz zur Weiterberatung an den zuständigen Ausschuss verweisen.
Ich danke für die bei diesem Entwurf schon geleistete Vorar beit, die vorzüglich war, und ich danke für die Aufmerksam keit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wie wir gehört ha ben, zwingt uns das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Handeln, zwingt nun Bund und Länder und die Vollzugs praxis zum Umdenken. Mit diesem Urteil war jedoch nicht erst seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 zu rechnen. Bereits im Jahr 2004 hat sich das Bundesverfassungsgericht intensiv mit der Sicherungsverwahrung beschäftigt und eine am Re sozialisierungsgedanken ausgerichtete menschenwürdige Aus gestaltung ihres Vollzugs gefordert.
Wenngleich die konkrete Ausgestaltung der Sicherungsver wahrung im Jahr 2004 noch für verfassungskonform erachtet wurde, hat das Bundesverfassungsgericht schon damals die Einhaltung des Abstandsgebots zur Vorgabe gemacht. Die richtigen Konsequenzen daraus hat man in der Folgezeit lei der nicht gezogen.
Umso erfreulicher ist es, dass uns heute ein Gesetzentwurf vorliegt, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts konsequent und mit Augenmaß umsetzt und dabei die Sicher heitsinteressen der Gesellschaft angemessen berücksichtigt.
Ich bin Herrn Minister Stickelberger dankbar, dass BadenWürttemberg bei diesem sehr sensiblen Thema keinen Allein gang gewagt hat, sondern sich im Rahmen einer Länderar beitsgruppe mit den anderen Bundesländern auf konstrukti ver und fachlicher Ebene auf Musterregelungen verständigt hat. So ist ein bundesweit möglichst einheitlicher Vollzugs standard gewährleistet.
Ich bin auch der Auffassung, dass der vorliegende Gesetzent wurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gut um setzt. Dies zeigt sich auch daran, dass er im Anhörungsver fahren durchweg auf positive Resonanz gestoßen ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass viele Vorschläge und Anregungen aus der Praxis aufgegriffen wurden.
Wichtig ist dabei, dass stets die Sicherheitsbelange der Ge sellschaft nicht außer Acht gelassen werden; denn letztlich soll der Vollzug der Sicherungsverwahrung nach wie vor vor rangig dem Schutz der Bevölkerung dienen. Dieser Schutz darf sich aber nicht in einem bloßen „Verwahrvollzug“ er schöpfen. Vielmehr sind den Sicherungsverwahrten schon aus verfassungsrechtlichen Gründen durch entsprechende Ange bote und Maßnahmen die Voraussetzungen für eine gute Zu kunft zu ermöglichen, und zwar so, dass sie nie mehr – hof fentlich nie mehr – mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Natürlich bleibt abzuwarten, ob die gesetzlichen Vorgaben dann auch von der Vollzugspraxis so umgesetzt werden. An gesichts des bereits Veranlassten bin ich aber sehr zuversicht lich, dass dies gelingt.
Hilfreich bei der Umsetzung der künftigen gesetzlichen Re gelungen wird sein, dass sich das Justizministerium schon frühzeitig mit der zuständigen Justizvollzugsanstalt Freiburg Gedanken darüber gemacht hat, um eine gemeinsame Kon zeption für den dortigen Vollzug dann auch umsetzen zu kön nen.
Für personelle Verstärkung in den beiden Anstalten Freiburg und Bruchsal ist ebenfalls gesorgt. Das lässt hoffen, dass die Umsetzung relativ kostengünstig erfolgen kann.
Als Strafvollzugsbeauftragter werde ich den weiteren Prozess jedenfalls beobachten und konstruktiv begleiten.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesem so komplexen und derart grundrechtssensiblen Thema führt der Gesetzentwurf der Landesregierung die be rechtigten Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit auf der ei nen Seite und die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf der an deren Seite in überzeugender und ausgleichender Weise zu sammen. Daher bitte ich Sie um breite Unterstützung für die sen Entwurf.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine zunächst einmal wirk lich traurige Tatsache, dass es eine bestimmte Zahl von Men schen gibt, bei denen Therapiemaßnahmen auch kurzfristig keinen Effekt haben werden – darin sind sich eigentlich alle einig; leider –, sondern letzten Endes nur die Möglichkeit bleibt, die Allgemeinheit vor diesen Menschen zu schützen. Das ist bedrückend, wird aber heute von keinem Experten mehr bezweifelt. Für diese Menschen müssen wir – das ist keine Frage – eine angemessene Lösung finden.
Dies betrifft in Baden-Württemberg etwa 70 Menschen. Man kann also sagen: Es sind etwa 1 % der Inhaftierten, auf die das Kriterium zutrifft, dass man die Menschen eigentlich nur vor ihnen schützen kann. Es ist natürlich gleichzeitig nicht unbe dingt allzu viel Euphorie hinsichtlich therapeutischer Maß nahmen angesagt. Das muss man auch offen ansprechen.
Die Rechtsgrundlagen für die Sicherungsverwahrung wurden in den letzten Jahren ausgebaut. Das muss man sagen. Dieses Instrument wurde bundesweit sogar verstärkt, natürlich auch unter dem Eindruck erheblicher Verbrechen und der Frage der Menschen: Wie schützt uns eigentlich der Rechtsstaat? Es ist bekannt, dass ich an dieser Diskussion mit in der vordersten Reihe beteiligt war.
Jetzt gibt es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das auf eine Änderung der Praxis drängt. Dieses Urteil – das muss man ganz klar sagen – ist zu respektieren, keine Frage. Aber mir geht dabei noch mehr durch den Kopf. Es ist manchmal fast ein bisschen wie bei Schiedsrichterentscheidungen: Es ist ganz klar, dass dieses Urteil zu respektieren ist, aber man muss auch – das darf ich in Klammern auch einmal sagen – nicht
mit allem einverstanden sein. Ich erlaube mir zumindest den Hinweis, dass die Praxis, die wir in Jahren aufgebaut haben, lieber Herr Kollege Kopp, vom Bundesverfassungsgericht eben nicht beanstandet wurde, weil wir die Sicherungsver wahrung bisher auch schon ein Stück weit anders vollstreckt haben als den normalen Vollzug.
Das Thema ist nicht erst seit heute bekannt. Tatsache ist, dass das Bundesverfassungsgericht die frühere Praxis zunächst ab gesegnet hatte und dann – so kann man sagen – in gewisser Weise im Sog des Europäischen Gerichtshofs für Menschen rechte in Straßburg seine Rechtsprechung geändert hat. Das ist zu respektieren, obwohl ich mir dazu die Bemerkung er laube: Wenn ich Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wäre,
dann wäre ich wahrscheinlich froh, wenn in ganz Europa die selben Standards im Strafrecht, im Strafprozessrecht und im Strafvollzugsrecht verwirklicht wären wie hier in der Bundes republik Deutschland.
Aber wir unterstützen das vorliegende Gesetz. Wir setzen fraglos diese Rechtsprechung um, die die Verhältnisse für die Täter ein Stück weit verbessert.
Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen: Angesichts der Drucksache, die ich in den letzten Tagen gelesen habe, in der die künftige Finanzierung der Opferschutzstiftung ein bisschen infrage gestellt wird, kann ich nur appellieren: Wenn wir schon dieses Urteil umsetzen – wir diskutieren nicht dar über –, dann würde ich nicht gleichzeitig noch die Opfer schutzstiftung abschaffen. Ich habe in der angesprochenen Drucksache gelesen, es hätte eine Anschubfinanzierung von der Baden-Württemberg Stiftung gegeben. Ich sage schon hier und werde es auch an anderer Stelle tun: Das stimmt nicht. Die Opferschutzstiftung war von der Stunde null an als Dau ereinrichtung geplant. Ich hoffe nicht, dass diese Landesre gierung diese Veranstaltung beendet.
Jetzt noch ein Wort zur Umsetzung – das wird man auch sa gen dürfen –: Es ist ja immer wieder von „Erblast“ und Ähn lichem die Rede. In diesem Fall besteht die Erblast – –
Herr Kopp hat bisherige Versäumnisse in der Umsetzung angemahnt. – Weil Sie auch sonst immer gern dieses Argu ment bemühen, darf man auch darauf verweisen, dass in die sem Fall die Landesregierung eine perfekt geeignete Liegen schaft geerbt hat. Sie stand genau so da – sie ist nun einmal unter der früheren Regierung gebaut worden –, wie man sie für die neue Sicherungsverwahrung
braucht, sprich für eine Unterbringung der Betroffenen in Ein zelräumen im Rahmen eines stufenweise aufgebauten Behand
Insofern glaube ich schon, dass wir – natürlich im Rahmen der Möglichkeiten der früheren Rechtsprechung – das Prob lem ordentlich gelöst haben. Das ändert nichts daran, dass wir mit Ihnen bereit sind, diese neue Rechtsprechung umzuset zen.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/2450 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so be schlossen und Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des Polizeigesetzes – Drucksache 15/2451
Meine Damen und Herren, die Landesregierung verzichtet auf eine mündliche Begründung. Das Präsidium hat festgelegt, dass in der Ersten Beratung keine Aussprache geführt wird.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/2451 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so be schlossen und Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.