Protocol of the Session on July 18, 2012

grund des Emissionshandels die Preise für Stein- und Braun kohle stetig steigen werden.

Alles zusammen führt im Ergebnis dazu, dass die Preise fos siler Brennstoffe im Trend massiv ansteigen werden und die Wahrscheinlichkeit von Preissprüngen und krisenhaften Zu spitzungen steigt. Um es ganz klar zu sagen: Die gewohnt si chere Versorgung mit billigem Öl, billigem Erdgas und billi ger Kohle gehört ein und für alle Mal der Vergangenheit an.

Würden wir den Kritikern der Energiewende folgen und un ser Energiesystem erhalten, wie es ist, lediglich das marode Energienetz erneuern und ein paar effizientere fossile Groß kraftwerke aufstellen, müssten wir daher mit massiv steigen den Preisen, mangelnder Versorgungssicherheit bis hin zu Re zessionen, mit Konflikten um Energie sowie einem forcierten Klimawandel rechnen. Das kann also keine vernünftige Al ternative zur Energiewende sein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Selbstverständlich gehört auch zur Wahrheit, dass die Ener giewende nicht zum Nulltarif zu haben ist. Aber im Gegen satz zum „Weiter so!“ sind die Kosten und die Folgen der Energiewende beherrschbar. Langfristig werden die Preise womöglich sogar sinken. Denn der alte Satz, dass die Sonne keine Rechnung schickt, ist richtig.

Das Leipziger Institut für Energie, das auch schon von unse rer Vorgängerregierung beauftragt wurde, kommt in einem ak tuellen Gutachten zum Thema Preisentwicklung zum Ergeb nis, dass im Zeitraum von circa zehn Jahren für energieinten sive Industriebetriebe, wenn überhaupt, dann nur mit einem äußerst moderaten Anstieg der Preise zu rechnen ist bzw. so gar auch ein Rückgang der Strompreise um 2,5 % möglich ist.

Für Privathaushalte gehen die Gutachter von einem Anstieg der Strompreise um 22 % bis 2020 aus, also insgesamt von ei ner Steigerung um gut 5 Cent pro Kilowattstunde. Das ist ein geringerer Anstieg als im gleichen Zeitraum in der Vergan genheit, ein Anstieg, der zudem durch verschiedene Maßnah men vollständig ausgeglichen werden kann: erstens durch ei ne bessere Nutzung des Wettbewerbs und den Wechsel zu ei nem günstigeren Stromanbieter, zweitens durch Erschließung der Potenziale der Energieeffizienz und -einsparung; denn am preiswertesten ist natürlich die Energie, die nicht gebraucht wird.

Außerdem ist es falsch, die Energiewende ausschließlich un ter dem Gesichtspunkt der Kosten zu betrachten; denn Kos ten sind ja zugleich Investitionen. Es lohnt sich, sich noch ein mal vor Augen zu führen, was wir für unsere Investitionen be kommen:

Wir bekommen ein Energiesystem, das uns schrittweise von Öl und Gas und damit auch von der Preisentwicklung dieser Güter unabhängig macht. Wir bekommen ein Energiesystem, das langfristig preiswerter ist als das bestehende fossile Ener giesystem. Wir bekommen ein Energiesystem, das unsere Volkswirtschaft widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger macht. Wir bekommen ein Energiesystem, das den Klimawan del eindämmt. Wir bekommen ein Energiesystem, mit dem wir – wie Barack Obama es einmal formuliert hat – nicht mehr

die Energie der Vergangenheit importieren müssen, sondern die Energie der Zukunft exportieren können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das ist eine Riesenchance für unsere Wirtschaft. Wir bekom men ein Energiesystem, bei dem wir nicht mehr die Rechnun gen der Ölscheichs bezahlen, sondern selbst Wertschöpfung generieren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Wir bekommen ein Energiesystem, das dezentraler gestaltet ist – also näher bei den Menschen –

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

und das deshalb ein großes Potenzial der Mitgestaltung bein haltet, ein Energiesystem, das allerdings hochkomplex ist und dessen Steuerung eine große Herausforderung ist – nicht nur technisch und wirtschaftlich. Es macht aus reinen Verbrau chern Akteure, die sich in vielfältiger Weise beteiligen kön nen.

Bei uns in Baden-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kol legen, hat neues und zukunftsgerichtetes Denken bekanntlich Tradition. Baden-Württemberg ist ein starkes Land mit gewal tigen Ressourcen. Unser Land verfügt allerdings über wenig natürliche Rohstoffe. Daher haben die Menschen hier schon immer auf ihr handwerkliches Können und ihre geistigen Kräfte gesetzt. So ist Baden-Württemberg zum Land der Er findungen, der Tüftlerinnen und Tüftler geworden.

Bei uns wurden das Fahrrad und das Auto erfunden; das Luft schiff und der Dübel stammen von hier.

(Heiterkeit)

Auch das Urmodell moderner Windkraftanlagen wurde zuerst 1957 auf der Schwäbischen Alb errichtet. Dieser Erfindergeist ist noch immer mehr als lebendig. Bei den Patenten liegen wir bekanntlich ganz vorn. Überall im Land sehe ich Menschen, die an innovativen, neuen Projekten und Produkten arbeiten.

Deswegen können wir uns auch bei der Art und Weise, wie wir zukünftig Strom und Wärme produzieren, wie wir unsere Autos antreiben und wie wir unsere Häuser dämmen, auf den selben Erfinder- und Tüftlergeist verlassen, der unser Land schon immer ausgemacht hat.

Dieser Geist und diese Tatkraft unserer Menschen sind gewal tige Schätze, die es für die Umsetzung der Energiewende zu gewinnen und einzusetzen gilt. Alle Talente sind gefragt, und wir wollen alle in das neue Energiezeitalter mitnehmen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Thomas Blenke CDU)

Was sind nun die Eckpunkte einer nachhaltigen Energiepoli tik? Meine Damen und Herren, eine gesellschaftliche Orien tierung muss auf einem langfristigen Leitszenario und auf ei nem Zielkonsens aufbauen. Deshalb sind die Eckpunkte un serer Energiepolitik – jenseits des Atomausstiegs – folgende:

Höchste Priorität hat für die Landesregierung die Versorgungs sicherheit. Eine zuverlässige Versorgung mit Strom, Gas und Wärme ist für ein Industrieland wie Baden-Württemberg le bensnotwendig. Hier werden wir die Bundesnetzagentur und die Bundesregierung unterstützen, damit der notwendige Netzausbau, verknüpft mit der Realisierung von Stromspei chern und Erzeugungskapazitäten, sowie die intelligente Wei terentwicklung der Energieinfrastrukturen rasch vorankom men.

Ein zweiter entscheidender Baustein ist der weitere forcierte Ausbau der erneuerbaren Energien. Hiermit reduzieren wir die Menge an Treibhausgasen und vermindern zugleich die Abhängigkeit von Rohstoffimporten.

Drittens wollen wir die großen Potenziale für Energieeffizi enz und zur Energieeinsparung erschließen und den Energie verbrauch in Baden-Württemberg merklich reduzieren.

Viertens verfolgen wir mit unserer Energiepolitik auch das Ziel, die Risiken steigender Preise zu minimieren. In dieser Frage nehmen wir die Sorgen der Menschen sehr ernst. Denn die soziale Ausgestaltung der Energiewende ist uns ein zent rales Anliegen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir werden daher darauf achten, dass Energiearmut und die Energiekosten weder für die privaten Haushalte noch für die Wirtschaft zum Problem werden.

Fünftens wollen wir Baden-Württemberg zur führenden Ener gie- und Klimaschutzregion entwickeln. Wir werden in einem Klimaschutzgesetz verbindliche Ziele zur Verminderung der Treibhausgasemissionen festlegen und damit unseren Beitrag zum Erreichen der nationalen und internationalen Klima schutzziele leisten.

Nicht zuletzt setzen wir auf die Bereitschaft in der Gesell schaft, die hier skizzierte Energiewende gemeinsam zu gestal ten. Die notwendigen strukturellen Umwälzungen wollen wir in der Energielandschaft nicht einfach von oben herab verord nen. Wir setzen auf den Dialog und werden Modelle für Bür gerbeteiligungen aktiv unterstützen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir wollen eine in gleichem Maß sichere, zuverlässige, um weltverträgliche und wirtschaftliche Energieversorgung, die die Bürgerschaft in unserem Land mitträgt. Dies ist unser An spruch, und dies ist die Richtschnur für unsere energie- und klimapolitischen Ziele und Aktivitäten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch einige Sätze zur EnBW sagen. So problematisch die Umstände des Erwerbs der Anteile auch gewesen sind – neben der Aufarbeitung der Vergangenheit geht es nun um die Gestaltung der Zukunft. Dazu möchte ich drei Anmerkungen machen.

Erstens: Wir stehen zur EnBW und zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Ihre große Kompetenz ist das große Pfund dieses Unterneh mens.

(Zuruf von der CDU: Es wird Zeit, dass Sie das sa gen!)

Vor ihrer Leistung habe ich großen Respekt. Das schließt aus drücklich auch die Beschäftigten in den Atomkraftwerken ein.

(Zuruf von der CDU: Auf einmal!)

Ihr Know-how und ihr Verantwortungsbewusstsein sind für eine sichere Auslauf- und Rückbauphase unabdingbar.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Zweitens: Wir wollen, dass die EnBW ein wichtiger Teil und dynamischer Treiber der Energiewende wird. Auf diesem Weg ist die EnBW bereits ein gutes Stück vorangekommen. Der Energiemix des Unternehmens wird nachhaltiger, etwa durch mehr erneuerbare Energien oder durch den Bau eines hochef fizienten Gaskraftwerks in Düsseldorf.

Drittens: Die EnBW hat gute Perspektiven. Wir, die Landes regierung, werden unseren Beitrag dazu leisten, dass sie zu einem Vorzeigeunternehmen der Energiewende wird.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Durch die Energiewende verändert sich die komplette Struk tur des Energiemarkts. Bisher funktionierte der Markt in eine Richtung: Von wenigen zentralen Energieerzeugungsorten wurden die Menschen versorgt. Jetzt bekommen wir einen Markt, in dem die Zahl der Erzeuger deutlich zunimmt. Wir bekommen also einen Markt von vielen zu vielen. Wir sind zuversichtlich, dass die EnBW das erste große Versorgungs unternehmen sein wird, das dieser neuen Welt am Energie markt gewachsen ist. Die EnBW hat die Kreativität, das Know-how, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Un terstützung ihrer Anteilseigner, um sich zu einem Versorger neuen Typs zu entwickeln.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wo liegt der aktuelle Handlungsbedarf? Meine Damen und Herren, ich sagte bereits, dass wir der Versorgungssicherheit höchste Priorität beimessen. Wir werden darauf achten, dass der Umbau des Energieversorgungssystems so erfolgt, dass jederzeit die Sicherheit der Versorgung gewährleistet bleibt.

Eine Kernaufgabe sehen wir darin, die Nachfrage nach Ener gie mit der Erzeugung aus erneuerbaren Energien zu synchro nisieren, und zwar durch flexible Erzeugung, durch Speicher und durch steuerbare Lasten. Dazu brauchen wir effiziente Gaskraftwerke, die flexibel die erneuerbaren Energien ergän zen. Wir benötigen Speicher, die in Zeiten überschüssiger Er zeugung den Strom aufnehmen und bei Bedarf wieder abge ben. Wir müssen die Lasten in Industrie, Gewerbe und Han del – langfristig natürlich auch in den Haushalten – steuern können. Stromkunden sollen davon profitieren, wenn sie ihre Nachfrage an das Angebot anpassen. Wir benötigen eine in telligente Netzstruktur, um die genannten Komponenten effi zient miteinander zu verknüpfen.

Der Markt honoriert derzeit nur die verkaufte Kilowattstun de, nicht die hergestellte Kilowattleistung und die Stabilität