Protocol of the Session on July 11, 2012

(Zurufe: Da! – Mehrere Abgeordnete deuten in Rich tung Regierungsbank.)

Frau Staatsrätin, dieser Versuch, das Scheitern des Filderdia logs jetzt den Projektpartnern in die Schuhe zu schieben, ist wirklich durchsichtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

An der Volksabstimmung konnten alle Baden-Württemberger teilnehmen. Fast 3,7 Millionen Menschen haben von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, und 2,1 Millionen haben für Stuttgart 21 gestimmt. Beim Filderdialog wurden überhaupt nur 4 750 von 7,5 Millionen Wahlberechtigten angeschrieben. 74 haben sich zur Mitwirkung bereit erklärt.

(Zuruf: Wahnsinn!)

Nur ein Teil ist dabei geblieben. Am Ende haben sage und schreibe 63 von 109 Personen für die sogenannte HermannVariante gestimmt. Aber nicht einmal die sind sich einig, wo für sie eigentlich votiert haben. Jetzt soll das Votum von 63 Menschen das Votum der Volksabstimmung außer Kraft set zen, das Votum von zwei Millionen Menschen? Niemals. Das wäre absurd und zutiefst undemokratisch.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Frau Staatsrätin, soll das wirklich der Grundstein für ein neu es Denken und für neue Verfahren bei Verkehrsprojekten sein? Es ist doch eindeutig: Das Scheitern dieses Filderdialogs hat die Landesregierung selbst zu verantworten. Das ist ein Schei tern mit Ansage. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Es ist nicht nur so, dass die Beteiligung schlecht war; Sie haben so gar Befürworter und Gegner so weit auf die Palme gebracht, dass sie sich verärgert abgewandt haben, weil die Prämissen nicht klar waren.

Die Grünen haben den Menschen Alternativen vorgegaukelt, die es nie geben konnte, weil sie keine rechtlichen Grundla gen haben, und Sie haben den Filderdialog zu einem absur den Theater und die Menschen zu Marionetten Ihrer eigenen Interessen gemacht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Am 8. Dezember 2011 haben Sie, Herr Minister, hier nach der Volksabstimmung Folgendes gesagt – ich zitiere –:

Ich sage Ihnen ganz klar: Erstens akzeptiere ich das Er gebnis, und zweitens ist es in einer direkten Demokratie selbstverständlich, dass man in der Regierung Mehrheits positionen akzeptieren muss.

Wir hatten schon damals erhebliche Zweifel, und diese Zwei fel haben sich heute bestätigt. Es ist erschreckend, wie weit Sie zwischenzeitlich von der Wahrheit und der Transparenz entfernt sind. Ihre Variante hatte nie eine rechtliche Grundla ge. Es konnte sie also niemals geben. Trotzdem haben Sie viel Geld für Gutachten im Hinblick auf Varianten ausgegeben, die weder dem Finanzierungsvertrag noch dem Ergebnis der Volksabstimmung entsprechen.

Was das Schlimmste ist: Sie haben versucht, das Ganze zu vertuschen und geheim zu halten.

(Zuruf: Nein!)

Im Antrag des Kollegen Kunzmann, Drucksache 15/1728, wurden Sie gefragt, welche baulichen Maßnahmen zur Gäu bahn-Anbindung an den Tiefbahnhof notwendig wären und welche konkreten Pläne hierzu vorliegen, und auf diese Fra ge haben Sie am 27. Juni geantwortet:

die Landesregierung –

bittet um Verständnis, dass sie den Beratungen in diesem Rahmen nicht vorgreifen wird und entsprechend... zu dis kutierende Varianten und deren bauliche Realisierungs parameter hier vorab nicht näher analysieren wird.

Die Antwort ist – nach dem, was wir heute wissen – schlicht unwahr, Herr Minister. Kein Wort zu einer Machbarkeitsstu die, die Sie übrigens bereits im März in Auftrag gegeben hat ten. Kein Wort zu drei weiteren betrieblichen Untersuchun gen der SMA. Erst in einer Sitzung des Verkehrsausschusses haben Sie unter massivem Druck zugegeben, dass es eine Un tersuchung gibt; die anderen drei haben Sie weiter verschwie gen.

Fakt ist: Es gibt vier Gutachten. Sie haben dann in der Presse nachgeschoben, die Projektpartner wären eingebunden gewe sen. Die haben dann ganz schnell dementiert und klargestellt, dass es nicht der Fall ist. Dann frage ich uns: Warum das al les?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: „Dialüg“!)

Ich sage es Ihnen: Sie haben eine rechtswidrige Variante pro pagiert, die die Volksabstimmung missachtet.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Stimmt doch gar nicht!)

Sie haben Gutachten in Auftrag gegeben, die nicht das von Ih nen gewünschte Ergebnis ergeben haben. Dann haben Sie die Rahmenbedingungen so oft verändert und verdreht, bis beim dritten endlich das herauskam, was Sie wollten; aber das hat schon lange nicht mehr

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Wie war das mit dem Schlichterspruch?)

Stuttgart 21 und den Vorgaben entsprochen.

Herr Minister, Ihre eigenen Worte holen Sie heute ein. Sie hin tertreiben die Beschlüsse der Volksabstimmung,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Quatsch!)

Sie agieren hinter dem Rücken der Projektpartner, des Parla ments und des Volkes sowie auch hinter dem Rücken Ihres ei genen Koalitionspartners. Sie haben die Projektpartner ge täuscht, Sie haben das Parlament getäuscht, und Sie haben die Menschen hier im Land getäuscht.

(Widerspruch bei den Grünen)

Wir erwarten von Ihnen heute eine Erklärung.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Abg. Peter Hauk CDU: Der SPD ist das peinlich!)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Sitzmann.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Das ist schon ein starkes Stück, was hier vonseiten der Opposition abgeliefert wird.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Vom Ver kehrsminister! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Die Wahrheit ist das! – Weitere Zurufe)

Ich muss Sie daran erinnern, dass Sie diejenigen waren, die nie in Sachen Stuttgart 21 und mögliche Planungen an Bür gerbeteiligung gedacht haben, sondern alles getan haben, um genau das zu verhindern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)

Daraus resultiert auch, dass die Bürgerbeteiligung auf den Fil dern viel früher hätte stattfinden müssen, nämlich zu einem Zeitpunkt, als die Planungen noch nicht fix und fertig dala gen, zu einem Zeitpunkt, als es noch Gestaltungs- und Mit sprachemöglichkeiten gegeben hat. Das haben Sie nicht zu gelassen. Das ist das Problem an der ganzen Geschichte, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt kommen Sie hier immer mit irgendwelchen Gutachten. Ich habe mich einmal – wir waren ja auch lange genug in der Opposition – zum Thema Gutachten kundig gemacht. In ei ner Mitteilung des Rechnungshofs wird belegt, dass die ehe malige CDU-FDP/DVP-Landesregierung im Zeitraum zwi schen 2000 und 2004 336 Gutachten mit einem Volumen von 22 Millionen € vergeben hat –

(Abg. Winfried Mack CDU: Was hat das mit der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 zu tun? – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Dokumentationspflichten durchgängig vernachlässigt. 2006 und 2007 waren es auch noch einmal Hunderte von Gutach ten. Mindestens 99 % dieser Gutachten sind bis heute nicht öffentlich geworden, meine Damen und Herren, sondern ge heim in den Schubladen der damaligen Ministerien geblieben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Hört, hört! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also war es ein Ge heimgutachten! – Weitere Zurufe)

So viel zu dem Tamtam, das Sie hier veranstalten. Sie haben Gutachten nie öffentlich gemacht.

Ministerien haben das Recht, sich in den Fragen, in denen sie es für nötig halten, gutachterlich beraten zu lassen. Gutachten – wie das, auf das Sie sich beziehen – einzuholen ist legitim. Es steht übrigens auf der Homepage des Ministeriums und kann eingesehen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin Sitzmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kunzmann?

Nein, zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

(Zuruf von der CDU: Weil Sie zu feige sind! – Unru he bei den Grünen und der SPD)

Die Kritik von Ihnen in Sachen Bürgerbeteiligung und die Kri tik am Filderdialog weisen wir zurück, meine Damen und Her ren.