Protocol of the Session on April 25, 2012

Schließlich: Meine Mutter ist als Sozialpädagogin für die Sprachförderung von Kindern mit und ohne Migrationshin tergrund verantwortlich. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass jedes Kind, das eine Sprachförderung braucht, diese auch bekommt. Ich wünsche mir, dass jeder unabhängig vom finan ziellen und akademischen Hintergrund der Eltern, wenn er es denn möchte, Staatsanwalt, Oberarzt oder Politiker werden kann.

(Beifall)

Wie eingangs erwähnt stehe ich heute zum 60-Jahr-Jubiläum hier und darf von meinen Hoffnungen und Wünschen für Ba den-Württemberg erzählen. Ich bin gespannt, wo Baden-Würt temberg und ich beim 70- und 80-Jahr-Jubiläum sein werden.

Vielen Dank.

(Beifall)

Julian Rapp: Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesver fassungsgerichts, sehr geehrter Herr Präsident des Landtags, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr geehrten Da men und Herren!

Wird man als junger Baden-Württemberger gefragt, wie man es denn mit seinem Bundesland halte, so kennt jeder die Mär von der Zwangsheirat zwischen Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, die im Dezember 1951 ih ren Lauf nahm. Beachtung wird man dieser Entwicklung nicht mehr zuwenden. Ich glaube, junge Menschen gehen weniger mittels geschichtlicher Parameter an ihre Identitätsbestim mung heran – anders, als dies noch vor 30 Jahren der Fall ge wesen sein mag.

Trotz anhaltender Unkenrufe gegen Straßburg und Brüssel glaube ich, dass die Perspektive der jungen Generation eine europäische ist.

(Beifall)

Meine Generation, die 1989 nicht bewusst erlebt hat und die nur die nahezu unbeschränkte Freizügigkeit der Schengener Abkommen bzw. deren Nachfolger in den europäischen Ver trägen kennt, begreift ihre Heimat weniger in lokaler Abgren zung, sondern vielmehr als Teil innerhalb der europäischen Gemeinschaft.

Lokale Abgrenzungen, werden sie auch aus Lokalkolorit bis weilen noch hochgehalten, spielen nicht mehr die Rolle, die man ihnen gemeinhin zuspricht. Ich als Freiburger Student weiß, wovon ich spreche – man ist schließlich Badener, Süd badener, Breisgauer, um genau zu sein.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

Denn junge Menschen, die nur ein vereintes und befriedetes Europa kennen, haben das Glück und die Chance, sich nicht primär als Landeskinder, sondern als Unionsbürger zu begrei fen.

Eine dahin gehende Entwicklung haben sich die Väter der Landesverfassung selbst zur Prämisse gesetzt. So lesen wir in ihrem Vorspruch, dass man entschlossen sei, Baden-Württem berg in einem vereinten Europa zu gestalten und an der Schaf fung eines Europas der Regionen sowie der grenzüberschrei tenden Zusammenarbeit mitzuwirken. Welche Region würde diesem Ausdruck mehr gerecht als Baden-Württemberg? Es ist im Herzen Europas gelegen, bewegt in der oftmals leidvol len Geschichte dieses Kontinents und nunmehr fest verankert in der europäischen Gemeinschaft, tief verwurzelt in der eu ropäischen Geistesgeschichte und dennoch offen allen auslän dischen Bürgern gegenüber, die sich entschlossen haben, hier zu leben.

Dies ist auch kein abstraktes Wunschdenken, sondern mani festiert sich für mich greifbar jeden Tag, sei es im Gespräch mit ausländischen Studierenden an den erwähnten badenwürttembergischen Universitäten, sei es mit Blick auf den in terkulturellen Austausch junger Studierender innerhalb ganz Europas, sei es nur beim Spaziergang am Rhein mit der Mög lichkeit, ganz ohne Kontrollen und ohne Pass schnell in Frank reich einen Kaffee zu trinken. Der Blick über den nationalen Tellerrand hinaus war nie so einfach wie heute.

Trotz dieser stetigen Entwicklung ist eine Identifikation auf die lokale, greifbare Heimat für mich nicht obsolet geworden. Je offener nationale Grenzen sind, je größer die mobile Frei heit in ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Dimension ist, desto bestimmender bleibt die Kenntnis der eigenen Wurzeln, wenn auch nicht primär als Landeskind, sondern als Bewoh ner einer Region Europas. Denn oftmals erkennt man erst in der Fremde, was einen selbst besonders geprägt hat.

Eine Identifikation als zufriedener Bewohner dieses Bundes lands ist und bleibt daher auch nach 60 Jahren Essential der eigenen, lokalen Identitätsbestimmung, einerseits in der be wussten Erhaltung lokaler Besonderheiten und Errungenschaf ten – sei es die Sprache, die Mentalität, die Wirtschaftsleis tung oder die Wissenschaft; auch Speis und Trank seien nicht vergessen, an dieser Stelle natürlich auch die Spätzle –,

(Vereinzelt Heiterkeit)

andererseits in der Erkenntnis, Teil eines Europas der Regio nen zu sein, deren Einheit und Vielfalt es zu erhalten gilt. Ich persönlich wünsche mir, dass dieses faszinierende Gegenspiel – Integration einerseits, Tradition andererseits – erhalten wird, und sehe darin einen Auftrag an alle jungen Menschen in Ba den-Württemberg für die Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall)

Schlusswort

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir ein ehrliches Anliegen, allen, die heute zu uns gesprochen haben – insbesondere und in erster Linie Ih nen, verehrter Herr Professor Dr. Voßkuhle –, sehr herzlich für ihre Ausführungen zu danken. Sie haben uns eine klare Handlungsempfehlung zum Erhalt unseres Selbstverständnis ses und auch unseres Selbstbewusstseins mit auf den Weg ge geben. Sie haben da und dort aufgezeigt, dass Baden-Würt temberg auf einem guten Weg ist und vielfach auch Speerspit ze dieses Selbstbewusstseins ist, dass es auf diesem Weg aber auch noch viel zu tun gibt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen des Landtags, das muss an diesem 60. Geburtstag auch Moti vation und Verantwortung für uns sein, das Selbstbewusstsein des Landtags, des Parlaments, der vom Volk gewählten Ab geordneten auch in die Zukunft zu tragen und Wert darauf zu legen, dass dies so bleibt und besser wird.

(Beifall)

In gleicher Weise möchte ich unseren jungen Gästen herzlich danken. Ich bin froh, dass wir uns entschieden haben, Lisa Schell, Christoph Wiest und Julian Rapp zu uns einzuladen. Ich finde, es waren erfrischende O-Töne. Ich habe ein biss chen Sorge: Während die Hochschulen eher „badenlastig“ ab gebildet wurden,

(Heiterkeit)

waren die Hinweise auf die kulinarischen Genüsse doch sehr „schwabenlastig“:

(Heiterkeit)

Maultaschen und Spätzle. Der guten Ordnung halber möchte ich anfügen: Schäufele und Kartoffelsalat ist auch nicht schlecht.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

Meine Damen und Herren, ich finde, es war notwendig und wichtig, dass wir uns als Abgeordnete auch den Spiegel vor halten lassen und uns von jungen Menschen, die im Leben ste hen, ein Stück weit aufzeigen lassen, was sie fühlen, was sie empfinden, wie sie sich Politik dieses Landes vorstellen. Ganz herzlichen Dank Lisa Schell, Christoph Wiest und Julian Rapp.

(Beifall)

Ich danke Ihnen, Herr Ministerpräsident, und den Mitgliedern der Landesregierung für Ihr Mitfeiern.

Ich danke den drei Musikanten Hans-Peter Ockert, Martin Hu eber und Hansmartin Eberhardt. Mir hat besonders gut gefal len, dass diesem Hohen Haus einmal mehr deutlich geworden ist: Hier spielt die Musik!

(Heiterkeit und Beifall)

Bevor wir jetzt ein abschließendes Musikstück hören, darf ich Sie zum anschließenden Empfang einladen, den wir natürlich auch mit unseren Geburtstagskindern feiern wollen. Da neh men wir unser Geburtstagskind aus dem Parlament, lieber He ribert Rech, dem Landesjubiläum eine Nasenlänge voraus, mit hinein.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie gekommen sind, dass Sie an diesem Festakt teilgenommen haben. Ich freue mich auf gute Gespräche beim anschließenden Empfang.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Das Bläsertrio Ockert/Hueber/Eberhardt spielt Op. 6 No. 6 Sonata in re minore, Vivace, von Arcangelo

Corelli.

(Anhaltender Beifall)

Schluss: 11:34 Uhr