Protocol of the Session on February 9, 2012

Für die FDP/DVP-Fraktion spricht Herr Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Meine Rede hat eigentlich Kollege Bernd Hitzler schon gehalten. Ich überlege gerade, ob ich es übers Herz bringen würde, die Passagen zu streichen, in de nen er mich gelobt hat. Vielen Dank.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Im Übrigen wird der Haushalt des Justizministeriums in der Tat zu Recht große Zustimmung bekommen. Ich greife des wegen nur wenige Dinge heraus und mache nur wenige Be merkungen, gerade auch zu den Diskussionen, die wir im Ständigen Ausschuss geführt haben, z. B. zu dem Zuschuss an das Netzwerk Straffälligenhilfe, das das Projekt „Schwit zen statt Sitzen“ durchführt. Das ist ein Projekt, mit dem Ba den-Württemberg mittlerweile eine komplette Vollzugsanstalt einspart, weil wir dadurch Personen, die sonst in Haft kämen,

weil sie ihre Geldstrafe nicht bestreiten können, gemeinnüt zig arbeiten lassen können.

Das Neue, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde, ist, dass es mittlerweile eine ganz systematische Struktur gibt, inner halb der sich das Ehrenamt bei uns in Baden-Württemberg im Netzwerk Straffälligenhilfe selbst organisiert und Partner des Staates wird. Es ist vorbildlich, dass das so weitergeführt wer den kann. Dass der Ansatz nicht gekürzt wird und dass von allen Fraktionen beschlossen wurde, das in der bisherigen Hö he weiterzuführen, ist sicher ganz gut so.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Jürgen Filius GRÜNE und An dreas Stoch SPD)

Ein weiterer Punkt, über den wir gesprochen haben, war die Behandlungs-Initiative Opferschutz (BIOS). Das ist eine vor bildliche Initiative. Sie hat Unterstützung verdient. Da kann ich an dieser Stelle nur noch einmal klarmachen, worum es geht. Natürlich bekommt sie auch Geld für Therapien, wie auch die Stuttgarter Ambulanz. Die Stuttgarter Ambulanz be kommt aber auch sozusagen einen institutionellen Zuschuss. Den bekommt die Karlsruher Initiative BIOS bisher nicht. Es wurde aber vom Ministerium zugesichert, dass man versucht, diesen Punkt im kommenden Haushalt unterzubringen. Auch da gibt es letzten Endes Konsens.

Ich muss sagen, dieser Haushalt sieht so aus, dass ich mir fast schon die Frage stelle, ob man dafür eigentlich den Minister hätte auswechseln müssen.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Doch! – Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Ganz sicher! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wir können ja noch einmal darüber reden!)

Mein Amtsnachfolger steht schon in den Startlöchern.

(Minister Rainer Stickelberger: Ich sitze noch!)

Nachdem nun doch auch der eine oder andere Punkt angespro chen wurde, will ich sagen: Es wird andere Debatten geben, bei denen der Konsens nicht ganz so groß sein wird. Beispiels weise tangiert das Thema Privatisierung diesen Haushalt streng genommen nicht. Aber nachdem Kollege Stoch ein paar Sät ze dazu gesagt hat, werden Sie gleich merken, dass fast nichts anderes übrig bleibt, als etwas zu diesem Thema zu sagen.

Ich sage Ihnen zunächst: Mit der Revision in Offenburg wer den Sie sich selbst nur Schwierigkeiten einhandeln, z. B. die Schwierigkeit: „Wo nimmt man 100 Stellen her? Bekommt man sie über den Haushalt, oder überträgt man sie aus den be stehenden Anstalten?“, obwohl diese Anstalt natürlich genau so funktioniert hat, wie 25 Anstalten in Frankreich – in Sicht weite – funktioniert haben. Es sind ein paar Anfangsschwie rigkeiten wirklich so aufgebläht worden, dass man meinen könnte, es hätte dort Schwierigkeiten gegeben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist die Stärke der SPD: Aufblähen!)

Jetzt werden Sie mit dem Zurückdrehen ein Problem bekom men. Ich bin übrigens völlig Ihrer Meinung, dass man nicht falsche Privatisierungsanstrengungen unternehmen sollte. Ich stimme sogar dem zu, was das Justizministerium auf Seite 2

seines Berichts zum Staatshaushaltsplan 2012 schreibt, näm lich dass man das Schicksal der Menschen nicht in die Hän de Privater legen sollte. Das geschieht übrigens bei jedem Arzt. Aber wenigstens stellen Sie selbst auf Seite 59 des Be richts fest – ich zitiere wörtlich –:

Die maßgeblichen vollzuglichen Aufgabenbereiche ver blieben in staatlicher Hand.

Jeder, der sagt, man habe irgendwelche staatlichen Funktio nen preisgegeben – davon war auch bei Ihnen, lieber Herr Hal der, die Rede –, der liegt vom Ansatz her schief; denn das Mi nisterium hat recht mit der Feststellung, dass bei dem, was ich dort in der Tat gemacht habe – was ich auch für richtig gehal ten habe, weil wir die Stellen damals nicht hätten aus dem Bo den stampfen können –,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wäsche wa schen! Bügeln!)

die maßgeblichen Vollzugsbereiche in staatlicher Hand blie ben.

Noch ein Wort zur ehrenamtlichen Bewährungshilfe. Dazu steht die Entscheidung noch aus. Ich kann Sie – das gilt in die sem Bereich noch viel mehr – nur davor warnen, einen Feh ler zu machen. Zunächst war ich leicht erschüttert. Lieber Herr Stoch, wie können Sie von profitorientierten Organisationen sprechen? Wissen Sie eigentlich, dass NEUSTART BadenWürttemberg eine gemeinnützige GmbH ist, die überhaupt keine Gewinne machen darf? Wenn sie Geld übrig hat, muss sie es an den Staat abführen, wie es bereits der Fall war.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Sie haben die alte Position des Rechnungshofs zitiert. Deswe gen möchte ich hier zu Protokoll geben: Wenn Sie zukünftig vergleichen, werden Sie feststellen, dass der damalige Ansatz des Rechnungshofs – Verzeihung, Herr Munding – der falsche Ansatz war. Sie werden schlicht und einfach Folgendes fest stellen: In der ganzen Bundesrepublik Deutschland gibt es Re formbedarf bei der Bewährungshilfe. Diesen können gerade Sie nicht leugnen.

Der Rechnungshof hat – dagegen habe ich mich gewehrt – im mer eine nicht reformierte Bewährungshilfe mit dem vergli chen, was NEUSTART macht. NEUSTART betreibt aber ei ne reformierte Bewährungshilfe. Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie die Kosten von dem, was NEUSTART jetzt macht, mit den Kosten vergleichen, die anfielen, wenn diese Aufga ben wieder vom Land wahrgenommen würden, dann werden Sie wahrscheinlich Ihr blaues Wunder erleben. Meines Erach tens kommt NEUSTART in der Diskussion schlecht weg. Ge hen Sie bitte dorthin, und überzeugen Sie sich. NEUSTART leistet eine vorbildliche Arbeit, und dies zu Konditionen, die Sie beim Land wahrscheinlich gar nicht erreichen könnten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich bezeichne dies ohnehin nicht als Privatisierung. Wenn Sie das Privatisierung nennen, dann müssten Sie alles, was Sie den Kirchen, der Liga der freien Wohlfahrtspflege und selbst der AWO an Sozialarbeit übertragen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Vereine ab schaffen!)

als Privatisierung bezeichnen. Das ist meines Erachtens Un sinn.

Das zum Thema Privatisierung, was streng genommen aber nicht Thema dieser Haushaltsberatungen ist. Dies gibt aber Gelegenheit, zu sagen: Ich halte dieses Mittel nur in den Be reichen für sinnvoll, in denen dies vernünftig und zielführend ist und in denen es staatliche Funktionen nicht gefährdet, son dern möglicherweise noch verbessert.

Ich stelle erfreut fest, dass die Justiz gut aufgestellt bleibt. Bei manchen Stichworten schmunzelt man innerlich natürlich ein bisschen, etwa beim Stichwort Richterdichte. Es wird lobend erwähnt, wir hätten die geringste Richterdichte. Das weiß ich schon länger. Früher haben Sie das zum Teil anders themati siert. Ich habe Ihnen dazu jedes Mal gesagt, dass in BadenWürttemberg weniger gestritten wird als anderswo. Das ist er freulich.

Wir haben die wenigsten Polizeibeamten. Wir haben aber auch die wenigsten Delikte.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die anständigs ten Leute!)

Wir haben eine gute Struktur im Land. Wir haben auch des halb weniger Richter, weil weniger gestritten wird. Deswegen müssen die Richter aber logischerweise bei uns nicht mehr ar beiten als anderswo. Sie leisten eine sehr gute Arbeit, für die ich mich bedanke.

Ich sage es noch einmal: Die Justiz ist und bleibt gut aufge stellt. Ich hoffe, dass das auch noch der Fall ist, wenn die Ho sen enger werden, wenn es keine 2 Milliarden € an zusätzli chen Steuereinnahmen in den Haushalt hagelt.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Justizminister Stickelberger.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte möchte ich mich bei allen Fraktionen für die konstruktiven Beratungen im Finanz- und Wirtschaftsausschuss und in der heutigen Plenarsitzung ganz herzlich bedanken. Es freut mich, dass die Justiz in BadenWürttemberg die Wertschätzung des Landtags insgesamt ge nießt und alle Fraktionen bemüht sind, die Justiz zu stärken. Diese Stärkung der Justiz brauchen wir auch in Zukunft, vor allem vor dem Hintergrund schwieriger Haushalte und der Nullneuverschuldung, die wir anstreben. Deshalb brauchen wir ein solidarisches Handeln für die Justiz in diesem Land.

Eines möchte ich natürlich schon sagen, Herr Kollege Hitzler und Herr Kollege Dr. Goll. Diese Regierung hat das Justizres sort natürlich nicht aus dem Nichts übernommen, sondern ge wachsene Strukturen vorgefunden.

Ich kann natürlich verstehen, dass der Blick zurück so man ches verklärt. Aber ich möchte auch meinen Respekt den Leis tungen bekunden, die die Justiz und auch das Justizministeri

um in der Vergangenheit erbracht haben. Es könnte auch so sein, dass der eine oder andere von Ihnen – ich blicke vor al lem nach rechts – es Rot-Grün bzw. Grün-Rot nicht zugetraut hat, eine erfolgreiche Justizpolitik zu machen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie können ruhig „Rot-Grün“ sagen! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Um die ses Politikfeld haben wir uns nicht wirklich gesorgt!)

Keine Debatte ohne Zimmermann.

(Heiterkeit – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Fehlt nur noch der Zar!)

Es würde sonst etwas fehlen.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Stoch und Herr Kol lege Halder haben zu Recht auf die Personalsituation in der Justiz hingewiesen. Wir haben die wenigsten Richter, die kür zesten Erledigungszeiten, eine erfolgreiche Justiz. Die Bade ner und die Württemberger sind Gott sei Dank nicht so streit süchtig wie vielleicht die Bürgerinnen und Bürger anderer Bundesländer. Gleichwohl muss ich sagen, dass wir natürlich auch an die Grenzen der Belastbarkeit der Justiz gelangen. Ich sage das bewusst auch vor dem Hintergrund der Stellendis kussionen, die wir in der letzten Zeit geführt haben.

Wie Sie wissen, hat die Justiz weder für den Nachtragshaus halt 2011 noch für den Haushaltsplan 2012, der jetzt debat tiert wird, Stellen für das Justizministerium selbst beantragt. Wir haben keine neuen Stellen im Ministerium. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich erwähnen.

Wir werden jetzt sehr wohl neue Stellen im Haushalt bekom men – Sie werden das heute hoffentlich beschließen –, Stel len, die auf Aufgaben beruhen, die wir uns nicht selbst ge wählt haben. Der Haushalt des Justizministeriums – Kollege Stoch hat es zutreffend gesagt – ist kein Programmhaushalt, bei dem man sagen kann: „Jetzt geben wir einige Millionen Euro weniger aus“ oder: „Wir beantragen einige Millionen Euro mehr.“ Bei uns geht es immer um Stellen. Die Stellen, die wir jetzt hinzubekommen, beruhen auf Mehraufgaben, die uns insbesondere vom Bund auferlegt wurden, etwa bei der Besetzungsreduktion – hier geht es um immerhin 14 Stellen – und bei der Sicherungsverwahrung – hier geht es um 16 Stel len.

Ich glaube, diese Stellen werden jetzt auch zu Recht ausge wiesen, weil wir den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen müssen. Wir müssen bei der Sicherungsver wahrung das Abstandsgebot und das Therapiegebot berück sichtigen. Wir sind da in Freiburg auf einem guten Weg. Ich danke allen, die dort vor Ort sehr engagiert arbeiten. Ich wer de auch von den Kolleginnen und Kollegen im Bund benei det, dass wir in Baden-Württemberg auf dem Weg in eine ver fassungsrechtlich konforme Sicherungsunterbringung schon so weit sind. Dabei bedanke ich mich auch für die Unterstüt zung durch den Landtag. Wir können in Baden-Württemberg darauf auch zu Recht stolz sein.