Protocol of the Session on December 21, 2011

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Er ist doch da! Guten Morgen, Herr Finanzminister!)

dass das Land Baden-Württemberg nach 2011 auch im Jahr 2012 ohne neue Schulden auskommen wird. Das ist zunächst einmal zu begrüßen. Das ist auch anzuerkennen. Aber das ist auch schon alles, was an guten Nachrichten verbreitet wurde.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Meine Damen und Herren, die ganze finanzpolitische Wahr heit des Haushaltsentwurfs, den Sie vorgelegt haben, ist das nicht. Bei genauer Betrachtung ist die Wahrheit vielmehr der Dreiklang „Konsolidierung verschieben, strukturelle Mehr ausgaben beschließen, Schattenhaushalte anlegen“.

Das Jahr 2011 war ein Boomjahr, das finanzpolitisch von Ih nen nicht genutzt wird. Denn schon die Deckungslücke in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2013 in Höhe von rund 2,5 Milliarden € zeigt, dass Grün-Rot die Hausaufgaben im ersten selbst gestrickten Haushalt 2012 nicht gemacht hat. Grün-Rot lebt im Jahr 2012 von der Substanz: 560 Millionen € alte Kreditermächtigungen, 1 Milliarde € an Resten aus dem Jahr 2011, die Sie im Jahr 2012 verbraten, 400 Millionen € Sanierungsrücklagen aus Steuermehreinnahmen, die Erhö hung des Grunderwerbsteuersatzes. Dies sind die Eckdaten. Sie verschieben damit die Konsolidierung. Sie lassen nicht einmal einen Weg für die Konsolidierung in den nächsten Jah ren erkennen.

Mit dem Nachtragshaushalt 2007/2008 hat die CDU-Frakti on gemeinsam mit der FDP/DVP-Fraktion gezeigt, was in ei nem Boomjahr tatsächlich möglich ist. Denn wir haben im Jahr 2008 nicht nur die Neuverschuldung auf null gesenkt, sondern einen weiteren Versorgungsfonds für die Beamtinnen und Beamten des Landes mit 500 Millionen € bestückt und eine Tilgung der Landesschulden – damals um 250 Millio

nen € – vorgesehen. Damals waren die Einnahmen um 2,3 Milliarden € niedriger als zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Aufgrund der Entscheidungen infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wurde dieser Betrag dann umgewidmet für das Landesinfrastrukturprogramm.

Die Auswirkungen der Krise sind zwischenzeitlich überwun den. Das haben Sie, lieber Herr Dr. Schmid, in der vergange nen Woche in diesem Hohen Haus bereits ausgeführt. Diese Einschätzung teilen wir.

Jetzt müssen aber daraus auch die notwendigen Schlüsse ge zogen werden. Gerade eine Regierung, die sich Nachhaltig keit und soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen schreibt, hätte einen anderen Haushalt vorlegen müssen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wer nachhaltig denkt und handelt, der baut für morgen vor. Er denkt in die Zukunft, und er entscheidet nicht für sich, son dern für die kommenden Generationen. Sie dagegen, Herr Mi nister, nutzen die Gunst der Stunde und geben, der Zeit ange passt, den reichen Weihnachtsonkel. Sie machen großmütige Geschenke. Aber Sie sagen den Menschen dabei nicht, dass die Rechnung für die Geschenke nach dem Fest im Briefkas ten landet.

Wer erfolgreiche Finanzpolitik und eine verantwortungsvol le Haushaltspolitik gestalten will, muss zunächst einmal die Wirklichkeit betrachten. Die finanzpolitische Wirklichkeit hat sich seit 2008 verändert.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Verschlechtert!)

Wir haben eine Schuldenbegrenzungsregel in der Landeshaus haltsordnung, die Sie dazu verpflichtet, die Schulden, die wir im Jahr 2010 aus konjunkturellen Gründen – ich betone das ausdrücklich – aufnehmen mussten, zurückzuführen. Dazu hätten Sie die 2 Milliarden € Steuermehreinnahmen verwen den müssen. Wann wollen Sie die konjunkturell bedingten Schulden tilgen, wenn nicht in einem Boomjahr wie diesem?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Seit dem 1. Januar 2011 gilt die verfassungsrechtliche Schul denbremse für den Bund und die 16 Länder. Die Länder sind verpflichtet, ihre Haushalte so aufzustellen, dass sie ab dem Jahr 2020 bei konjunktureller Normallage keine neuen Schul den machen müssen. Dazu wird Baden-Württemberg jedoch nur dann in der Lage sein, wenn wir bis dahin das strukturel le Defizit abgebaut haben. Nach einer aktuellen Berechnung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsfor schung in Essen liegt das strukturelle Defizit unseres Landes haushalts im Jahr 2011 nicht bei den von Ihnen immer wieder zitierten 2,3 oder 2,4 Milliarden €, die Sie als eine vermeint liche Deckungslücke in der bisherigen mittelfristigen Finanz planung ausgemacht haben, sondern tatsächlich nur bei 1,216 Milliarden €.

Nachhaltige Finanzpolitik heißt aber, dieses Problem nicht bis Weihnachten 2019 aufzuschieben, sondern jetzt mit der Lö sung der Haushaltsprobleme zu beginnen. Aus heutiger Sicht

müssten wir in den Jahren von 2012 bis 2019 Jahr für Jahr 152 Millionen € strukturell im Haushalt einsparen. 152 Millio nen € Jahr für Jahr! Das ist auch durchaus leistbar, aber Sie tun es schlichtweg nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sollten die Steuereinnahmen sich nicht stabilisieren oder gar steigen – im letzten Jahrzehnt lag das durchschnitt liche Wachstum nur bei etwa 1 % pro Jahr –, dann wird die ses strukturelle Defizit auf der Basis des von Ihnen aufgestell ten Haushalts sogar noch ansteigen.

Was machen Sie, statt jetzt zu konsolidieren? Sie erhöhen das strukturelle Defizit des Landes. Ihr Haushalt ist damit das Ge genteil von nachhaltig. Er treibt Baden-Württemberg weiter in die Verschuldung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deshalb ist für die Konsolidierung – die finanzpolitische Wahr heit sieht man an Ihrem Haushaltsentwurf, der von den Re gierungsfraktionen vermutlich auch mehr oder minder so be schlossen werden wird – eine Schuldenbremse in der Landes verfassung unabdingbar, weil Sie sich in der Zukunft nicht an die Regeln der Landeshaushaltsordnung halten werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das haben Sie bereits mit dem Nachtrag für das Jahr 2011 un ter Beweis gestellt.

Die Regierungsfraktionen haben in der Plenardebatte Verhand lungsbereitschaft hinsichtlich der Verankerung einer Schulden bremse in der Landesverfassung geäußert. Das greife ich gern noch einmal auf. Ich bin gern bereit, mit den Regierungsfrak tionen noch einmal eingehend über eine Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung zu sprechen, jedoch nicht nur, um Argumente auszutauschen, sondern mit dem kla ren Ziel, die Schuldenbremse auch in der Verfassung zu ver ankern, aber bitte nicht wachsweich, sondern – analog zu der entsprechenden Regelung, die wir bereits in der LHO haben – knallhart. Dabei darf der Fokus der Diskussion aber nicht darin bestehen, dass die Regierungsfraktionen der CDU-Frak tion wie beim „Kassensturz“ angebliche Versäumnisse in der Vergangenheit andichten

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nicht angebli che! Tatsächliche Versäumnisse!)

und unter Hinweis darauf derzeit eine Schuldenbremse ableh nen. Hierfür ist das Thema zu wichtig.

Die grün-rote Landesregierung kann mit dem Landeshaushalt auf 58 erfolgreiche Jahre, in denen die CDU-Fraktion die Ge schicke des Landes maßgeblich beeinflusst hat, aufbauen.

(Beifall bei der CDU – Oh-Rufe von den Grünen und der SPD – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das glau ben Sie doch selbst nicht! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das kann man auch anders sehen!)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sollten sich dar an erinnern, dass Sie in diesen 58 Jahren ein paarmal an der Regierung beteiligt waren

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das waren die besten Jahre! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Zuruf von der SPD: Das waren gute Jahre!)

und auch ein Stück weit dazu beigetragen haben.

Sie haben also von uns ein wohlbestelltes Feld erhalten. Wür de dies, wie Sie behaupten, nicht stimmen, könnten Sie jetzt nicht so aus dem Vollen schöpfen, wie Sie es tatsächlich tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Betrachten Sie beispielsweise die Finanzlage der Kommunen. Unser Prinzip war immer: Subsidiarität, Stärke von unten nach oben. Sind die Kommunen stark, ist das ganze Land stark.

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Von wem bekommen sie denn Geld? – Zuruf von der SPD: Sie haben nichts dazu beigetragen! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Wir haben im Gegensatz zu vielen anderen Ländern unsere Kommunen auch in fiskalischer Hinsicht respektiert. Das zeigt sich u. a. an dem Konnexitätsprinzip – wer bestellt, bezahlt –, das wir gemeinsam mit Ihnen in der Verfassung verankert ha ben.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Dieses Miteinander von Land und Kommunen darf nicht zer stört werden.

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Wer hat es denn zer stört? – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist gerade auf solide Füße gestellt worden! – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Die traditionell gute Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen darf nicht gefährdet werden. Nicht ohne Grund stehen unsere Städte und Gemeinden im Vergleich der Flä chenländer unter den alten Bundesländern am besten da.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Trotz des schwierigen Umfelds konnten die Kommunen in den vergangenen zehn Jahren – Sie sollten einmal zuhören, wenn ich diese Wahrheiten anspreche, und nicht ständig da zwischenquaken;

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

das nützt auch nichts, weil man Zahlen nicht anschreien kann –

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

in der Summe einen Überschuss von 1,6 Milliarden € erwirt schaften, während das Land im gleichen Zeitraum ein kumu liertes Finanzierungsdefizit von 23,6 Milliarden € hatte.

(Abg. Walter Heiler SPD: Das sind halt gute Bürger meister und Gemeinderäte!)

Die Kommunen sind auch deutlich geringer verschuldet als das Land. Der Schuldenstand der Kommunen einschließlich der Eigenbetriebe liegt derzeit bei 1 187 € je Einwohner, wäh rend der Schuldenstand des Landes bei über 4 000 € je Ein wohner liegt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)