Kollege Schmiedel ist wiederholt als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Das war nun nicht das erste Mal.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber er gibt sich wenigstens Mühe! – Zuruf des Ministers Reinhold Gall – Unruhe)
Er hat die Muskeln dick aufgepumpt und gesagt, es gebe in diesem Haushalt keine neuen Stellen. Was kam am Ende he raus? Das war nur ein kleiner zweistelliger Betrag, und ganz versteckt wurden noch einmal 100 Stellen geschaffen, und zwar in Bereichen, in denen man durch Umschichtungen viel hätte erreichen können. Meine sehr verehrten Damen und Her ren, so sieht das Regierungshandeln derzeit aus.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Thomas Blenke CDU: Was hat man vor der Wahl noch gesagt?)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wahr ist eines: Der größte Ausgabenfaktor – ich spreche nicht von Belastung – sind im Land in der Tat die Personalkosten. Aber dabei ist ers tens zu berücksichtigen, dass der Anteil der Personalkosten am Gesamthaushalt im Vergleich zu vor zehn Jahren um zwei Prozentpunkte gefallen ist. Zweitens ist anzuerkennen, dass der Dienstleister Land auch Personal braucht.
Eine Verwaltung muss funktionieren. Sie wird aber nicht da durch funktionieren, dass man den Personalkörper ständig weiter aufbläht – 300 neue Stellen im Jahr 2011, jetzt gibt es weitere 100 Stellen im kommenden Haushalt – und damit strukturell in eine Größenordnung von knapp 30 Millionen € – 30 Millionen €! – kommt. Wenn Sie diese Stellenvermeh rung nicht vorgenommen hätten, wäre der strukturelle Spar beitrag der Beamten obsolet geworden. Sie haben allein durch die Stellenvermehrung dafür gesorgt, dass der Haushalt wei ter aufgebläht wurde. Meine Damen und Herren, anstatt den Beamten an den Geldbeutel zu gehen, hätten Sie auf diese Stellenvermehrung verzichten sollen. Damit hätten Sie auch sozial gerecht gehandelt.
Der unionsgeführten Regierung ist es in der Vergangenheit immer wieder gelungen, die in der mittelfristigen Finanzpla
nung ausgewiesene Deckungslücke bei der nachfolgenden Haushaltsaufstellung durch Einsparmaßnahmen zum größten Teil zu schließen. Die in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesene Lücke war immer Auftrag und Mahnung für den künftigen Haushaltsgesetzgeber, aber auch ein Planungs instrument. Sie, Herr Finanzminister, haben mit Ihrer Presse mitteilung vom 4. Oktober 2011 erkennen lassen, dass Sie die ses Planungsinstrument vollkommen verkennen. Sie haben die Planeingaben der Ressorts zu diesem Zeitpunkt tatsäch lich als gegebenes Faktum anerkannt, und damit haben Sie es versäumt, der wichtigsten Aufgabe eines Finanzministers nachzukommen. Anstatt Führung zu zeigen, haben Sie eine Politik wie im Metzgerladen zugelassen nach dem Motto: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Diese Ziel- und Planlosigkeit, diese Orientierungs- und Kon zeptlosigkeit zieht sich durch den ganzen Haushalt. Ich könn te jetzt Beispiele aus allen Ministerien aufführen, will aber nur einige wenige Positionen nennen.
Werfen wir einen Blick in den Haushalt des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Mit der Kürzung um rund 20 % in dem für die Landwirte zentralen MEKAProgramm zeigt sich deutlich, dass es dem Landwirtschafts minister auch nicht im Ansatz gelungen ist, eine tragfähige Lösung für unsere bäuerlichen Betriebe zu finden.
Unsere Betriebe werden sich offenbar daran gewöhnen müs sen, dass die neue Landesregierung nicht in der Lage ist, für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen,
obwohl man weiß, dass durchaus eine Kofinanzierung durch die EU vorhanden ist und Mittel hätten umgeschichtet wer den können.
Meine Damen und Herren, Sie kürzen die Mittel für das Ent wicklungsprogramm Ländlicher Raum von 50 Millionen € auf 40 Millionen € und belegen diese nun knapper werdenden Mittel zusätzlich mit der Vorgabe, dass faktisch nur noch Pro jekte zum Zuge kommen, die dem Klimaschutz dienen. Sie verstärken damit die Disparität zwischen Städten und ländli chen Räumen. Die Stärke Baden-Württembergs war und ist es, dass sich Städte und ländliche Räume gleichermaßen wirt schaftlich und sozial entwickeln. Sie sollten alles dafür tun, dass die Disparität nicht größer, sondern kleiner wird. Mit Ih ren Ansätzen machen Sie genau das Gegenteil.
Ein anderes Beispiel für den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Man muss hier an den etwas peinlichen Auf tritt des Ministerpräsidenten beim Gemeindetag Baden-Würt temberg erinnern.
Die SPD ist mit der Ankündigung gestartet, man werde die Investitionsförderung der Krankenhäuser verdoppeln, sprich von 350 Millionen € auf 700 Millionen € erhöhen. Die Grü nen haben immerhin noch angekündigt: „700 Millionen € wer den es nicht sein, aber 600 Millionen € wollen wir schon wa gen.“
Im Mai hat Ministerin Altpeter noch verkündet, dass der In vestitionsstau bis zum Jahr 2016 vollständig abgebaut werde. Was kam heraus, meine sehr verehrten Damen und Herren? Linke Tasche, rechte Tasche: Sie haben die kommunale Inves titionspauschale um 45 Millionen € gekürzt, das heißt, den Kommunen Geld entzogen, und damit die Krankenhausfinan zierung um 45 Millionen € erhöht. Seriöse Politik für die Kommunen sieht anders aus.
Ein weiterer, kleiner Ansatz, der aber für das Thema „An spruch und Wirklichkeit“ bezeichnend ist: Landeszentrale für politische Bildung. Herr Kollege Sckerl, Sie haben hier noch vor wenigen Wochen getönt – wohlgemerkt: getönt! –: „Wir werden die Mittel aufstocken.“ Ein Blick in den Haushalt of fenbart, dass die Landeszentrale Kürzungen hinnehmen muss – von derzeit 1,199 Millionen € auf 847 000 €. Das ist ein Mi nus von 352 000 €.
Meine Damen und Herren, die Regierung bläht sich selbst auf und schafft neue Stellen, aber auch ein neues Ministerium. Im Haushalt des Integrationsministeriums sind jetzt Mittel für ei nen Auftrag veranschlagt, mit dem die Einstellung der Auf nahmegesellschaft zur Integration erforscht werden soll.
Wir hier Lebenden sind die Aufnahmegesellschaft. Es geht darum, wie die Aufnahmegesellschaft über die Integration denkt. Das ist jetzt ganz neu. Es wird ein Ministerium geschaf fen, weil man dies für notwendig hält, und dann fragt man sich, welche Aufgaben dieses Ministerium haben soll. Nichts anderes verbirgt sich dahinter.
Das waren einige Beispiele, die ich einfach einmal nennen wollte. Sie unternehmen nichts, um das strukturelle Defizit abzubauen. Das wäre aber notwendig, damit Sie spätestens ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen, wie Sie es ange kündigt haben, Herr Finanzminister und Herr Ministerpräsi dent. In der mittelfristigen Finanzplanung, die Sie selbst auf gestellt haben, zeigt sich aber für das nächste Jahr ein Defizit
von 2,5 Milliarden €, und man kann nicht davon ausgehen, dass die Steuereinnahmen weiter so sprudeln wie derzeit.
Das Grundgesetz sieht ab 2011 verschärfte Regelungen vor. Der von Ihnen oft angekündigte Finanzplan 2020 liegt nach einem Dreivierteljahr – nach einem Dreivierteljahr intensiver Arbeit, sollte man meinen – noch immer nicht vor, und es gibt auch keine Perspektive bis zum Jahr 2020. Die einzige Pers pektive ist: strukturelle Mehrausgaben im Landeshaushalt, strukturelle Mindereinnahmen – Stichwort Studiengebühren –, Aufblähung insgesamt, aber keine Konsolidierungsschritte.
Meine Damen und Herren, das von mir bereits erwähnte Gut achten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschafts forschung stellt fest, dass Baden-Württemberg mit seiner jet zigen strukturellen Verschuldung – Nachtrag 2011 – mittler weile vom dritten auf den vierten Platz abgerutscht ist. Inzwi schen machen uns nicht nur Sachsen und Bayern vor, wie man Haushaltspolitik betreibt, sondern das macht uns, seit GrünRot in Baden-Württemberg regiert, auch Mecklenburg-Vor pommern vor. Diese drei Länder haben einen geringeren struk turellen Konsolidierungsbedarf pro Einwohner als BadenWürttemberg.
Das ist doch erstaunlich. Erstaunlich ist aber auch, wie Sie, Herr Finanzminister, eine Deckungslücke in die letzte von der CDU verantwortete mittelfristige Finanzplanung hineininter pretieren. Die mittelfristige Finanzplanung 2010 bis 2014 vom Februar dieses Jahres weist auf den ersten Blick zugegebener maßen eine große Deckungslücke von rund 2,4 Milliarden € aus. Das ist Ihre stete Begründung, wenn Sie ins Land hinaus gehen und behaupten, das sei alles nicht durchfinanziert, und das sei alles so schwierig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die damalige mit telfristige Finanzplanung, die Willi Stächele vorgelegt hat, ging für das Jahr 2012 noch von Gesamteinnahmen von 34 Milliarden € aus. Der aktuelle Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 weist aber Gesamteinnahmen von 38,8 Milliarden € aus. Das sind nahezu 5 Milliarden € mehr. Jetzt dürfen Sie die Mathematik bemühen. Falls Sie aus Baden-Württemberg stammen, ist Ihnen das möglich. Wenn Sie aus NordrheinWestfalen kommen und eine Einheitsschule besucht haben, wird es etwas schwieriger.
Ja, am Rechnen fehlt es. Herr Kollege Schmiedel kann es. Er bemüht dann einen Taschenrechner. Das ist okay.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und Sie machen das im Kopf? – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ihr könnt vor allem eines: arrogant sein!)
Herr Kollege Sckerl, gemach, gemach. Sie sind Kurpfälzer. Wenn Sie nicht gerade in Hessen auf der Schule waren, wird das mit dem Rechnen schon geklappt haben.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Geht es um Koch, oder um wen geht es jetzt? – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)
Der Haushalt 2012 wächst im Vergleich zum Haushalt 2011 um 5 %. Sie sind uns aber eine Erklärung schuldig geblieben, was Sie mit dem Wachstum machen. Sie nutzen dieses Wachs tum nicht für eine strukturelle Entschuldung, sondern Sie nut zen dieses Wachstum, um die strukturellen Ausgaben weiter zu erhöhen. Meine Damen und Herren, wir fordern Sie daher auf, die mittelfristige Finanzplanung zu verstetigen, und zwar in Richtung Konsolidierung, und dabei nicht einfach weiter planlos zu wirtschaften, sondern die Einsparmöglichkeiten zu nutzen, die sich ohne Qualitätsverluste realisieren lassen.
Kommen wir zum Bereich der Bildungspolitik. Künftig sollen 300 Pädagogische Assistenten fest angestellt werden. Daneben heben Sie die Ausgaben für die Krankheitsvertretungen an und verzichten komplett auf die demografische Rendite von 3 300 frei werdenden Lehrerstellen. Jetzt könnte man meinen, im In teresse der Qualitätssteigerung an unseren Schulen sei das in Ordnung – das muss man ja sagen. Ich persönlich meine, die Qualität ist in Ordnung, sie kann weiter gesteigert werden. Aber ein Stück weit werden Sie in den nächsten Jahren letztendlich auch den Personalbereich an den Schulen angehen müssen, da mit die demografische Rendite, die ja vorhanden ist, zumindest in Teilen zur Konsolidierung genutzt werden kann.