Protocol of the Session on December 14, 2011

Gegenwind hat jemand anders, Herr Kollege Nemeth. Ich will Ihnen einmal eine Überschrift zitieren:

Wirtschaft beklagt... Rangelei um Energiepolitik – Kam mern und Industrie verlangen bessere Abstimmung für Umsetzung der Energiewende

Dies war gestern in der FAZ zu lesen. Das Wort „Berliner“ habe ich weggelassen. Eigentlich lautet die Überschrift: „Wirtschaft beklagt Berliner Rangelei um Energiepolitik“. Dort führt das Chaos zwischen Bundesumweltministerium und Bundeswirtschaftsministerium dazu, dass diese Minis terien getrennte Termine mit der Wirtschaft, getrennte An hörungen machen müssen. Dort wird nicht an einem Strang gezogen.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das ist fast wie hier bei Grün-Rot!)

Ich sage Ihnen: Die Wirtschaft hier in Baden-Württemberg ist sehr froh, dass wir hier, was die Energiewende betrifft, ge meinsam an einem Strang ziehen, und zwar gemeinsam mit der Wirtschaft. Das dürfte Ihnen nicht entgangen sein, wenn Sie nach diesem Meeting, das wir auf Einladung des Minis terpräsidenten gehabt haben, die Presse gelesen haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Paul Nemeth CDU: Kaffeekränzchen!)

Wir haben in der vergangenen Woche eine Studie vorgestellt, Herr Kollege Nemeth, und zwar den Bericht über den Strom- und Gasmarkt in Baden-Württemberg. Wenn Sie hinein schauen, können Sie auch einige Ausführungen zu der Strom preisentwicklung in Baden-Württemberg lesen. Ich will Ihnen einmal inhaltlich aus diesem Bericht zitieren. Laut dem Gutachter – der Gutachter ist das Institut für Energie in Leipzig – sind im innerdeutschen Vergleich die Strompreis angebote für Haushalte in Baden-Württemberg weiterhin – jetzt gut zuhören! – als günstig einzuordnen. Bei einer Aus wahl des günstigsten Strompreisangebots des jeweiligen Grundversorgers läge die finanzielle Belastung des Durch schnittshaushalts bei etwa 2,06 % der Kaufkraft.

... Mit diesem Anteil hat Baden-Württemberg gemeinsam mit den Haushalten in Bayern, Hamburg und Hessen den niedrigsten Anteil im Bundesländervergleich.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Unser Erfolg! Genau!)

Ich möchte Sie einfach bitten, mit dieser Panikmache auf zuhören, dass die Energiewende hier zu Strompreisexplo sionen führen würde. Es wird sie nicht umsonst geben. Aber es wird auch keine Strompreisexplosion geben, sondern wir werden sehr genau darauf schauen,

(Abg. Paul Nemeth CDU: Er schmückt sich mit frem den Federn!)

dass es einen Dreiklang zwischen Wirtschaftlichkeit, Umwelt verträglichkeit und Versorgungssicherheit geben wird.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Und gesellschaftliche Ak zeptanz!)

Da können Sie bei uns wirklich sicher sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wenig Rückenwind hat es gegeben, was die Ergebnisse der Klimakonferenz vorige Woche in Durban betrifft. Wenn man die Klimaproblematik so ernst nimmt, wie sie ist, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die globale Temperatur in den ver gangenen 100 Jahren schon um 0,7 Grad angestiegen ist und

sich die Wissenschaft einig ist, dass die Obergrenze eigentlich bei einer Zunahme von 2 Grad liegen sollte, wir jedoch bis zum Jahr 2050 global eine Minderung der CO2-Emissionen bzw. der Treibhausgase um 50 % und in den Industrieländern um 90 % benötigen, um dieses Ziel zu erreichen, dann ist natürlich das Ergebnis – es lautet: „Wir einigen uns im Jahr 2011 darauf, uns bis zum Jahr 2015 zusammenzusetzen und über ein Abkommen zu verhandeln, das 2020 in Kraft treten soll und dessen Rechtsverbindlichkeit eigentlich noch offen ist“ – nun wirklich nicht als Rückenwind gegen den Klimawan del zu begreifen.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Mehr, als Herr Trittin er reicht hat! Der hat doch außer Dosenpfand nichts hin bekommen!)

Herr Nemeth, jetzt lassen Sie doch einfach einmal diese bil lige Polemik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Man müsste doch eigentlich ein Interesse daran haben, dass man hier in dieser Frage gemeinsam an einem Strang zieht. Da muss man doch einfach einmal feststellen: Das, was bei dem Klimagipfel herausgekommen ist, kann nicht im Interes se unseres Landes und auch nicht im Interesse der europäischen Staaten sein,

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

die bei diesem Thema in den letzten Jahren vorangegangen sind. Ist es so schwer, das einfach einmal festzustellen? Ich habe den Eindruck, jetzt macht er einen auf Fundi.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das ist die Politik des Ge hörtwerdens! Also bitte! Ein Zwischenruf darf ja wohl noch erlaubt sein!)

Jetzt sage ich noch, von wem ich Gegenwind habe. Gegen wind haben wir von jemandem aus Berlin, nämlich vom Bundeswirtschaftsminister.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Der ist ja nicht mehr lange da! Ein paar Stunden noch!)

Warum? Wenn man sich die Situation einmal anschaut, stellt man fest, dass der Ausbau der Fotovoltaik in Baden-Württem berg in den letzten Jahren ein gutes Stück vorangekommen ist. Wir hatten Ende des vergangenen Jahres ein Ausbauniveau von 2,7 GW. Allein im letzten Jahr hatten wir einen Zubau um 1 000 MW. Jetzt kommt Ihr Bundeswirtschaftsminister und will bundesweit einen Deckel von 1 000 MW – sprich so viel, wie wir allein in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr zugebaut haben – einführen. So macht man sich zum Toten gräber einer Zukunftsbranche – nichts anderes.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE)

Ende dieses Jahres werden dank des „atmenden Deckels“, der mittlerweile im EEG verankert ist, die Vergütungen abgesenkt, Herr Kollege Nemeth. Im vergangenen Jahr hat doch Ihr Bundesumweltminister gemeinsam mit der Branche den

„atmenden Deckel“ eingeführt. Das ist ein richtiges Instru ment. Was besagt es? Je mehr zugebaut wird, desto höher ist die Absenkung. Das finde ich völlig richtig. Jetzt wird der Deckel Ende dieses Jahres um 15 % abgesenkt. Wenn noch mehr zugebaut worden wäre, wäre er um 20 % abgesenkt wor den. Das heißt, die Branche muss insgesamt eine jährliche Effizienzrendite von etwa 15 bis 20 % bringen – Jahr für Jahr. Das bekommen sie hin. Nennen Sie mir eine Branche außer dieser, die dies hinbekommt.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Die Computerbranche!)

Ja, auch die Computerbranche der Vergangenheit. Da haben Sie recht. Aber trotzdem ist es erst einmal eine riesige Her ausforderung. Sie bekommt es hin.

Schauen Sie sich einmal die Entwicklung bis Mitte dieses Jahrzehnts an: Die Entwicklung sieht so aus, dass wir jetzt, Ende dieses Jahres, ein Vergütungsniveau erreicht haben, bei dem es sich nicht mehr lohnt, Strom einzuspeisen und den Stadtwerken oder der EnBW zu liefern. Die Leute werden ver stärkt in die Eigennutzung gehen, weil der Strompreis, den sie zahlen, höher ist als die Vergütung, die sie bekommen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hätte man schon lange machen müssen! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gab es am Anfang schon einmal!)

Ja. – Das ist das Niveau, auf dem wir Ende dieses Jahres sein werden. In den kommenden Jahren wird es weiter herun tergehen. Wenn Sie mit Leuten aus der Branche, dem Ma schinenbau, reden – das habe ich in letzter Zeit öfter gemacht, z. B. mit Vertretern der centrotherm photovoltaics AG, der Manz AG, der RENA GmbH in Freiburg –, mit den Leuten, die die Maschinen bauen, um die Module herzustellen, bekom men Sie gesagt, dass wir Mitte dieses Jahrzehnts bei den Stromgestehungskosten auf einem Preisniveau von 10, 11, 12 Cent pro Kilowattstunde sein werden. In einer solchen Phase wollen Sie diese Entwicklung abwürgen. Ich meine, da muss man schon ziemlich verbohrt sein.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Stimmt doch gar nicht! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Um auch das noch einmal zu sagen: Wir haben 6 000 bis 7 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich, bei den Maschinenbauun ternehmen in Baden-Württemberg, die die Anlagen, die Ma schinen zur Fertigung der Module herstellen. Die chinesischen Module werden mit baden-württembergischen Maschinen ge baut, um es einmal so platt zu sagen. Dann wollen Sie hinge hen und die Vergütung bei uns mit dem 1 000-MW-Deckel abwürgen. Wer so agiert, schadet dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg – um das einmal klar und deutlich zu sa gen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Gegenwind habe ich von Herrn Kollegen Rösler in Berlin auch an einer anderen Front, nämlich bei der Energieeffizienz richtlinie, die EU-Kommissar Oettinger vorgelegt hat.

(Zuruf von der CDU: Guter Mann!)

Herr Oettinger hat mit dem Vorschlag, den er gemacht hat, völlig recht. Warum? Die EU hat sich – später auch unter der

deutschen Präsidentschaft – in den Jahren 2005, 2006 das Ziel gesetzt, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 % zu senken. Das ist ein völlig richtiges Ziel. Herr Oet tinger hat zu Beginn dieses Jahres festgestellt, dass wir, wenn wir auf der bisherigen Linie weitermachen, wenn wir bei dem bleiben, was bisher an Maßnahmen ergriffen wurde, im Jahr 2020 bei 10 % landen. Also ist es doch völlig richtig, dass er sagt: Da schaue ich nicht zu, sondern überlege, wie ich einen Rahmen setze, damit wir das Ziel der Reduktion um 20 % er reichen.

Was passiert in Berlin? Es gibt heftigen Widerstand aus dem Bundeswirtschaftsministerium – heftigen Widerstand. Was wollen Sie denn? Wenn Sie jemandem Rückenwind geben wollen, dann müssen Sie einmal Ihrem eigenen Wirtschafts minister Rückenwind geben

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie auch!)

und nicht uns; er hat es wirklich nötiger.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach den Gesprächen, die wir in den letzten Wochen mit der Industrie, mit den Umwelt verbänden geführt haben, nach den Entwicklungen, die wir im Bereich der erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg sehen, und nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe – auch in den Gesprächen mit Kommunalvertretern –, bin ich guter Dinge, dass wir in der Koalition sehr gut aufgestellt sind, was die Energiewende in Baden-Württemberg betrifft.

Noch einmal: Wir werden dafür sorgen, dass es einen Drei klang aus Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungssi cherheit und Wirtschaftlichkeit gibt. Was ich mir wünschen würde, wäre ein wenig mehr Unterstützung aus der Opposi tion für diese eigentlich klaren Dinge, die wir hier auf den Weg gebracht haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD – Glocke des Präsiden ten)

Herr Minister, es gibt noch eine Rei he von Zwischenfragen, die Sie an den Schluss verwiesen ha ben. Es gibt Zwischenfragen der Kollegen Zimmermann, Röhm und Glück.