Protocol of the Session on December 7, 2011

Vergessen wir in der heutigen Debatte nicht, dass die Länder – das wurde zwar schon gesagt, aber ich möchte es gern wie derholen – bereits seit dem 1. Januar 2011 verpflichtet sind, die Technik anzuschaffen und vorzuhalten, falls ein Richter die elektronische Überwachung anordnet. Deshalb ist es sinn voll, nicht in jedem Land teure eigene Überwachungsstellen einzurichten. Eines jedoch ist ganz wichtig: Funktionsfähig keit und Datensicherheit sind zwingende Voraussetzungen für diese neue Technik.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eine Bemerkung zur Gemeinsamen Überwachungsstelle hinzufügen. Reibungslos funktionieren muss nicht nur die Entgegennahme, sondern auch die schnelle und gute Bewertung einer Systemmeldung. Die Ermittlung der Ursache sowie die Unterrichtung der Po lizei und der Bewährungshelfer müssen sich nahtlos in die Re aktionskette einbinden. Die Überprüfung des Aufenthaltsorts einer verurteilten Person ergibt sich bei einer Systemmeldung von selbst.

Die im Staatsvertrag niedergelegten datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind ein wichtiger Bestandteil der Vereinba rung. Klar ist für uns, dass die Daten auch unbedingt vor dem Zugriff unbefugter Dritter geschützt werden müssen.

Unsere Fraktion kann dem Gesetzentwurf zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die FDP/DVP-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Das erstaunt insofern nicht, als es, glaube ich, nicht übertrieben ist, wenn ich sage, dass die gesetzliche Regelung, die es ermöglicht, im Rahmen der Führungsaufsicht die elektronische Fußfessel anzuwen den, auf einen Brief zurückgeht, den ich im Zuge der Diskus sion um die Neuordnung der Sicherungsverwahrung an Frau Leutheusser-Schnarrenberger geschrieben habe.

Ich rufe in Erinnerung, dass wir im Bereich der Sicherungs verwahrung unser deutsches Recht aufgrund von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein Stück zu rücknehmen mussten – ich lege Wert auf die Feststellung, dass das Bundesverfassungsgericht bis zu diesem Zeitpunkt unser Recht für gut befunden hatte –, wodurch in gewisser Weise Schutzlücken entstanden sind. Sie wissen es noch: Wir muss ten gefährliche Täter entlassen. Das ist natürlich eine Diskus sion, die die Menschen jederzeit bewegt und in der man im mer wieder die Erfahrung macht, dass die Menschen es nicht verstehen, wenn als gefährlich erkannte Täter wieder in die Situation kommen, dass sie neue Taten begehen können.

Nun gibt es dazu von den Menschen einfache und weitrei chende Vorschläge, die aber vom Rechtsstaat nicht gedeckt

sind. Oft trifft man auf die Vorstellung, man könnte solche Tä ter nach Belieben und beliebig lang einsperren. Aber so ist es nicht. Die Herausforderung ist etwas komplizierter. Wir ken nen Beispiele aus anderen Ländern. Ich kenne sie mehr oder weniger auch nur aus der Zeitung. Die Amerikaner haben z. B. Sexualstraftätern ein Schild mit der Aufschrift „Hier wohnt ein verurteilter Sexualstraftäter“ in den Garten gestellt. Das hat dann dort zu Lynchjustiz, Suiziden und Ähnlichem ge führt. Dieser Weg verbietet sich von selbst.

Auf der anderen Seite: Wenn jemand, von dem man eigent lich weiß, dass er gefährlich ist, zum wiederholten Mal ein Delikt begeht, versteht das die Bevölkerung nicht. Diese Er fahrung habe ich mehrfach gemacht. Das ist für mich auch hundertprozentig nachvollziehbar.

Deswegen ist es eine gute Idee, von dieser technischen Mög lichkeit Gebrauch zu machen und im Rahmen der Führungs aufsicht bestimmte Täter im Auge zu behalten. Es geht dar um, dass man den Behörden die Möglichkeit eröffnet, be stimmte Täter im Auge zu behalten.

Auch wenn gelegentlich eingewandt wird, eine Fußfessel ver hindere ein neues Delikt nicht unmittelbar, darf man nicht un terschätzen, dass die Fußfessel zu einer nahezu hundertpro zentigen Aufklärungswahrscheinlichkeit führt. Insofern wis sen die meisten Täter, dass ein weiteres Delikt, solange sie die Fußfessel tragen, mit praktisch hundertprozentiger Sicherheit aufgeklärt wird.

Hier in Baden-Württemberg hatten wir diese Technik übrigens schon aufgrund des Versuchs, der damit in der Tat nicht direkt etwas zu tun hat. Im Grunde genommen hatten wir aber schon Erfahrungen mit dem Thema Fußfessel. Das Ganze geschieht jetzt länderübergreifend von Hessen aus. Wo es passiert, ist eigentlich egal: Man hätte das in Baden-Württemberg genau so in den Griff bekommen.

Die Kosten sind als Argument genannt worden. Es gibt über die Kosten hinaus noch ein weiteres, inhaltliches Argument: Die Täter kennen manchmal keine Landesgrenze. Hätte man landeseigene Systeme entwickelt, hätten wir sofort wieder die Frage gehabt: Sind die Systeme kompatibel? Was ist, wenn ein Täter über die Landesgrenze geht? Schon aus diesem Grund ist es höchst sinnvoll, ländereinheitlich vorzugehen. Es geht um ein richtiges, maßvolles Vorhaben im Sinne des Rechts staats und im Sinne der Vermeidung möglicher künftiger Op fer.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Justizminister Stickelberger das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über die breite Zu stimmung aus allen Fraktionen zu diesem Ratifizierungsge setz. Ich habe den Staatsvertrag im August unterzeichnet. Mittlerweile sind ihm 14 Bundesländer beigetreten. Die bei den Länder, deren Beitritt noch aussteht – Berlin und Bran denburg –, haben signalisiert, dass sie sich diesem Staatsver trag anschließen. Es ist auch gut, dass die Länder gemeinsam

vorgehen. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir es mit einem Problem zu tun haben, das sich zumindest bundesweit stellt.

Worum geht es bei diesem Staatsvertrag? Es geht darum, dass wir gefährliche Straftäter, die schon in Haft waren, die aus der Haft oder aus der Sicherungsunterbringung entlassen werden, weiterhin überwachen können, was ihren Aufenthaltsort an geht. Dabei geht es um Täter, die schwere Straftaten began gen haben, insbesondere Gewaltdelikte und Sexualdelikte. Ziel ist es, die Bevölkerung vor weiteren Gewalttaten zu schützen und insbesondere Fälle von Kindesmissbrauch und Delikte an Kindern einzuschränken. Das ist die Zielrichtung dieses Gesetzes.

Mit der elektronischen Überwachung ist es uns möglich, den Aufenthalt zu kontrollieren und damit, wie zu Recht gesagt wurde, das Entdeckungsrisiko zu steigern. Das heißt, wer im Rahmen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung eine Fußfessel trägt, läuft eben Gefahr, schnell entdeckt zu wer den. Damit erhöht sich das Risiko für den Straftäter. Wir leis ten damit einen Beitrag zur Vermeidung weiterer Straftaten.

Diesem Ratifizierungsgesetz kann man nur zustimmen, oder man kann es ablehnen. Sie alle haben signalisiert, dass Sie ihm zustimmen.

Es gibt für eine Evaluierung im Rahmen des Staatsvertrags, Herr Zimmermann, keinen Raum. Aber wir in Baden-Würt temberg sind natürlich bereit und interessiert, zu überwachen, wie sich das Ganze in der Praxis darstellt, und wir werden auch darüber berichten.

Es sind die Themen Missbrauch und Datenschutz angespro chen worden. Wir werden strikt auf die Einhaltung der Daten schutzbestimmungen achten. Die entsprechenden Vorkehrun gen sind auch im Staatsvertrag getroffen.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist angesprochen worden: Wir werden die Ermächtigungsgrundlage für die elektronische Überwachung nicht ausdehnen. Sie, Herr Kollege Filius, ha ben zu Recht darauf hingewiesen. Wir werden das Ganze sehr eingeschränkt anwenden. Ich habe auch dem zuständigen Aus schuss und den Fraktionen immer erklärt: Mehr machen wir da nicht. Die Überwachung gilt Tätern, die schwere Strafta ten begangen haben.

In diesem Zusammenhang ist auch immer die Fußfessel er wähnt worden, die in Baden-Württemberg im Modellversuch erprobt wird. Diese hat mit der elektronischen Aufenthalts überwachung, um die es heute geht, eigentlich nichts zu tun. Dort geht um einen Modellversuch, bei dem erprobt wird, in wieweit man Ersatzfreiheitsstrafen vermeidet, also Hafttage vermeidet, indem man die elektronische Fußfessel anlegt. Da geht es im Wesentlichen um leichtere Straftaten, die „nur“ mit einer Geldstrafe geahndet wurden und bei denen nur bei Un einbringlichkeit der Geldstrafe die Haft vorgesehen ist. Die sen Modellversuch haben wir von den Regierungsfraktionen immer sehr kritisch gesehen. Wir werden ihn evaluieren, im nächsten Jahr dem Landtag darüber berichten, und dann wer den wir entscheiden, ob der Versuch weitergeführt wird oder nicht.

Für heute bin ich froh, dass wir dieses Gesetz so verabschie den können. Ich glaube, wir leisten damit einen Beitrag zu

mehr Sicherheit. Wir sollten uns aber nicht täuschen, indem wir meinen, wir könnten damit völlige Sicherheit und völli gen Schutz vor Straftaten erreichen. Das ist illusorisch. Es ist, wie zu Recht gesagt worden ist, ein Baustein in einer Sicher heitsarchitektur, den wir aber jetzt zielstrebig angehen. Wir müssen das auch tun, denn der Bundesgesetzgeber lässt im Rahmen der Führungsaufsicht die elektronische Aufenthalts überwachung zu. Das heißt, die Gerichte können sie anord nen. Dann können wir in Baden-Württemberg nicht hinterher hinken und sagen: „Wir machen das nicht, wir können das nicht“, sondern wir müssen die Voraussetzungen dafür schaf fen. Mit dieser Verbundlösung in den Bundesländern haben wir, glaube ich, eine sachgerechte und auch kostengünstige Lösung geschaffen.

Bei den Fraktionen bedanke ich mich für die konstruktive Be gleitung im parlamentarischen Verfahren. Herzlichen Dank für Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine Wort meldungen mehr vor.

Wir kommen deshalb zur A b s t i m m u n g. Abstim mungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 15/923. Der Ständige Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Wer Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Artikel 1 ein stimmig angenommen worden.

Ich rufe auf

Artikel 2

Wer Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Artikel 2 ein stimmig zugestimmt.

Die Einleitung

lautet: „Der Landtag hat am 7. Dezember 2011 das folgende Gesetz beschlossen:“.

Die Überschrift

lautet: „Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Einrichtung ei ner Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“. – Sie stimmen der Überschrift zu.

Wir kommen zur

S c h l u s s a b s t i m m u n g

Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Gesetz wur de einstimmig zugestimmt.

Damit ist Tagesordnungspunkt 10 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ar beit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren zu der Mitteilung der Landesregierung vom 25. Oktober 2011