Protocol of the Session on November 25, 2015

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Frau Kollegin Rolland.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Nachdem jetzt viel über die vergangenen Ereignisse an der Hochschule gesprochen wurde, vor allem von der Oppositi on, möchte ich doch noch einmal auf das Wesentliche zurück kommen. Was steht denn eigentlich im Mittelpunkt unserer Hochschulen für angewandte Wissenschaften, insbesondere auch der Hochschulen für öffentliche Verwaltung? Das sind die Studentinnen und Studenten und in diesem besonderen Fall auch die Absolventinnen und Absolventen. Das sind näm lich diejenigen, die in den Behörden in unserem Land Tag für Tag die Gesetze umsetzen, die wir hier im Haus beschließen und erlassen. Deswegen brauchen wir diese Menschen, und deswegen sollten diese Persönlichkeiten heute eigentlich im Mittelpunkt der Fragen nach einer guten Lehre und einem gu ten Lernklima stehen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wollen Sie das abschaffen?)

Ich kann hierüber sehr gut berichten, weil ich selbst Absol ventin einer Hochschule für öffentliche Verwaltung bin und weiß, wie wichtig es ist, dass ein gutes Klima an einer Hoch schule für öffentliche Verwaltung herrscht. Denn das ist die zentrale Einrichtung für die Verwaltung in Baden-Württem berg, für die allgemeine Verwaltung und in diesem Fall auch für die Finanzverwaltung in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Es ist doch ganz klar, es liegt auf der Hand: Diese Hochschu le in Ludwigsburg muss wieder arbeitsfähig werden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nichts sa gen Sie! Nichts sagen Sie zu unserem Antrag!)

Diese Hochschule muss zur Ruhe kommen; sie muss deswe gen zur Ruhe kommen, damit sie neue Strukturen erarbeiten kann und eine neue Führungs- und Diskussionskultur entwi ckeln kann, in deren Rahmen tatsächlich eine gute Lehre und ein gutes Studium möglich sind. Diesen Anforderungen muss die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg so schnell wie möglich wieder gerecht werden, damit am Schluss die Absolventinnen und Absolventen aus Ludwigsburg tat sächlich zu den besten Nachwuchskräften zählen.

Dafür ist dringend eine neue Führung erforderlich. Die der zeit bestehende Hängepartie muss so schnell wie möglich be endet werden. Wir sind dabei aufgefordert – wir auch in die sem Haus –, Hilfestellung zu leisten, damit Lösungen gefun den werden, sodass diese Hochschule wieder auf einen guten Kurs gelangt.

Deswegen gilt für uns: Wir müssen Zukunft gestalten. Die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg muss wieder in die Lage versetzt werden, Zukunft gestalten zu kön nen – durch eine gute Lehre, durch ein gutes Lernklima –, da mit dort tatsächlich die besten Nachwuchskräfte für unser Land hervorgebracht werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Das war keine gute Qualifikation durch diesen Abschluss!)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Bauer.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Ab geordnete! Lassen Sie mich zunächst einmal der FDP/DVPFraktion für diese Aktuelle Debatte danken – die zweite in nerhalb kurzer Zeit, bei der Sie das Thema „Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg“ ins Zen trum stellen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gern!)

Danke auch für den eingängigen Titel dieser Aktuellen Debat te; dieser hat mir große Freude bereitet.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gern! – Zu ruf des Staatssekretärs Jürgen Walter)

Sie schenken mir ja generell über dieses Thema viel Aufmerk samkeit. Der Kollege Schmidt-Eisenlohr hat es bereits kurz angedeutet: Innerhalb von zwei Jahren kamen von Ihnen acht Anträge zu diesem Thema mit insgesamt 65 Fragen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist schlimm, dass man so viel braucht, bis man etwas er fährt!)

Keine dieser Fragen wurde im Wissenschaftsausschuss bera ten; denn auf Ihren Wunsch wurde die Behandlung der ent sprechenden Anträge stets abgesetzt. – Sei es drum; wir dis kutieren das auch gern hier.

Ich möchte nun gern die Gelegenheit zum Anlass nehmen, zu nächst einmal über den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart – eigentlich sind es zwei Beschlüsse – sowie über den weiteren Gang der Dinge in diesem Zusammenhang zu berichten. Im zweiten Teil meiner Rede möchte ich auf den einen oder anderen Vorwurf eingehen, der hier formuliert wur de.

Zunächst zu den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Stutt gart: Das Verwaltungsgericht hat zwei Beschlüsse im einst weiligen Rechtsschutzverfahren gefasst. Dabei handelt es sich also nicht um eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren; es ist, Frau Kollegin Kurtz, kein Urteil gefällt worden, vielmehr ist mit diesen Beschlüssen zum einen die aufschiebende Wir kung der Klage der Rektorin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg gegen die vorzei tige Beendigung ihrer Amtszeit als Rektorin wiederhergestellt worden. Mit diesem Beschluss des Gerichts bleibt die Rekto rin also vorerst im Amt. Das Gericht hat aber gleichzeitig an geordnet, dass sie bis zur abschließenden Entscheidung ihre Dienstgeschäfte nicht wahrnehmen darf.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Das kostet Geld!)

Grund dafür ist, dass auch das Gericht eine Zerrüttung inner halb der Hochschulleitung sieht.

Damit zusammenhängend hat das Verwaltungsgericht zum an deren angeordnet, dass der gewählte Nachfolger der derzeiti gen Rektorin seitens des Wissenschaftsministeriums nicht er nannt werden darf; auch hier gilt die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

Es lohnt sich, sich die Beschlussgründe ein wenig genauer an zuschauen. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus den angeführten Gründen eine Passage:

Zugleich spricht aus Sicht der Kammer viel dafür, dass derzeit eine erneute vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Leitung der Hochschule unter Mitwirkung der An tragstellerin

gemeint ist die Rektorin –

unrealistisch erscheint.... Vielmehr ist eine „Zerrüttung“ innerhalb der Hochschulleitung auch für die Kammer un streitig. Daher erscheint die Wiederaufnahme ihres Am tes durch die Antragstellerin zum jetzigen Zeitpunkt un tunlich.

Die Auffassung des Gerichts deckt sich also, was die Tiefe des Konflikts angeht, mit der Einschätzung, die auch die externe Kommission formuliert hat. Auch das Ministerium teilt genau diese Auffassung schon seit geraumer Zeit.

Das Gericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein wichti ger Grund für die Beendigung des Amtes bereits mit der Er reichung der entsprechenden Mehrheiten in Hochschulrat und Senat gegeben ist.

Es ist Ihnen wahrscheinlich bekannt: Der Beschluss im Hoch schulrat im Januar 2015 war einstimmig gefällt worden. Der Beschluss des Senats, ebenfalls im Januar dieses Jahres, fiel mit sehr deutlicher Mehrheit, nämlich mit 17 Stimmen bei ins gesamt 19 Stimmberechtigten, aus.

Nach dieser Abwahl durch die beiden Hochschulgremien mit deutlichen Voten hat das Wissenschaftsministerium den so fortigen Vollzug der Beendigung der Amtszeit der Rektorin angeordnet. Das Gericht hat den sofortigen Vollzug bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgesetzt und damit die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart legt das Ministerium nun Beschwerde ein. Das Gericht hatte den Beschluss in seinem Verfahren zum einstweiligen Rechts schutz im Wesentlichen mit formalen Mängeln begründet. Ins besondere hätte nach Auffassung des Gerichts nicht nur bei der Abstimmung, also beim Abwahlvorgang selbst, die Hoch schulöffentlichkeit hergestellt werden müssen, sondern auch die vorausgehende Aussprache zur Abwahl hätte hochschul öffentlich stattfinden sollen.

Das Wissenschaftsministerium vertritt hier eine andere Auf fassung. Dabei ist es übrigens, Frau Kollegin Kurtz, nicht so, dass ein Blick ins Gesetzblatt genügen würde; zu diesem The ma steht nämlich nichts im Gesetzblatt. Vielmehr geht es um eine Interpretation dessen, was im Gesetz steht. Die geforder te Hochschulöffentlichkeit steht nach meiner Auffassung im Konflikt mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten der Per son des Rektors bzw. der Rektorin.

Eine Herstellung von Hochschulöffentlichkeit bei der Aus sprache im Senat und im Hochschulrat hätte die konkrete Ge fahr zur Folge gehabt, dass einzelne Vorgänge und Details über die bisherigen Handlungen und das bisherige Vorgehen der Person unkommentiert in die Öffentlichkeit geraten wür den. In der Konsequenz wäre es zu einer öffentlichen Demon tage der Rektorin gekommen. Das wäre kaum zu verhindern gewesen, wenn man diese Geschichten hochschulöffentlich diskutiert hätte. Deswegen war es auch die Pflicht der Hoch schule, eine Vorverurteilung durch diese Art des Vorgehens zu verhindern.

Das Wissenschaftsministerium hält für ein Abwahlverfahren die gleichen Grundsätze für anwendbar wie bei einer Wahl. Auch dort wird die eigentliche Wahl hochschulöffentlich durch geführt, die Aussprache hingegen grundsätzlich nicht.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: So ist es!)

Das dient dem Ziel, die Persönlichkeitsrechte aller beteiligten Kandidatinnen und Kandidaten zu schützen.

Deswegen hat die Entscheidung, inwieweit die Wahl bzw. die Abwahl von Rektorinnen und Rektoren an Hochschulen in klusive der Personalaussprache komplett hochschulöffentlich sein muss oder nicht, für mich den Charakter einer Grundsatz frage, weil sie sich auch auf alle anderen Rektoren- und Prä sidentenwahlen an unseren Hochschulen auswirkt. Deswegen werde ich Beschwerde gegen diesen Beschluss des Verwal tungsgerichts einlegen und bitte um juristische Klärung die ser Angelegenheit.

Lassen Sie mich jetzt etwas zu den weiteren Vorwürfen sagen.

Bei der letzten Aktuellen Debatte zur Wissenschaftspolitik am 15. April dieses Jahres, beantragt von der CDU – vielleicht kam diese für die FDP/DVP ein wenig überraschend –, haben Sie mir noch vorgeworfen, ich sei untätig gewesen, ich sei zö gerlich, mein Verhalten sei unterlassene Hilfeleistung.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das stimmt auch!)

Sie riefen damals nach einer starken Ministerin, die durch greift und die Ordnung schafft. Zu diesem Zeitpunkt kannten Sie interessanterweise aber bereits den zusammenfassenden Bericht der externen Kommission; der lag Ihnen schon seit zwei Monaten vor. Zu diesem Zeitpunkt kannten Sie auch die Akten; denn es gab komplette Akteneinsicht im Ministerium, und Sie konnten sich einen vertieften Eindruck verschaffen

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

über die Vorgeschichte zu den Prozessen in der Hochschule.

Wie passt dieser Vorwurf zu dem, was Sie mir heute vorwer fen, und dem Bild, das Sie heute von mir malen? Sie fragen ja jetzt, warum Ministerin Bauer alle Mittel recht gewesen sei en, die Rektorin als Hauptsündenbock abzustempeln und los zuwerden. Ich glaube, es wäre gut, Sie würden sich einmal entscheiden, welche Art von Kritik Sie üben und welchen Vor wurf Sie mir machen.

Aber ich will mich jetzt zu dem aktuellen Vorwurf äußern, auch auf die Gefahr hin, dass Sie mir morgen vielleicht wie der das Gegenteil vorwerfen und eine Drehung um 180 Grad machen. Noch einmal also zu der Frage nach der angeblichen Bereitschaft der Ministerin, gegen alle Widerstände Fakten zu schaffen und alle zu übergehen.

Die Führungs- und Vertrauenskrise an der Hochschule ist im März 2014 durch die Resolution der erweiterten Fakultätsvor stände der Fakultäten I und II der Hochschule evident gewor den. In der Folge, wenige Monate später, nachdem auch noch viele Gespräche und Sondersitzungen stattgefunden haben, lag dem Senat in seiner Sitzung im Juni 2014 ein Antrag zur Beschlussfassung über eine vorzeitige Beendigung der Amts zeit der Rektorin vor, und dieser Beschluss verpasste knapp die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Damals stimmten von 19 Stimmberechtigten zwölf für die Abwahl bei drei Enthal tungen und einer ungültigen Stimme.

In derselben Zeit bekräftigte der Hochschulrat zwei Mal – im Juli und im August des Jahres 2014 – jeweils einstimmig sei ne Auffassung, dass er eine Zusammenarbeit mit der Rekto rin für nicht mehr möglich halte.