Protocol of the Session on October 28, 2015

oder 40 %, wie dies vor einigen Monaten noch der Fall war. Vor dem Hintergrund, dass es sich wahrscheinlich um über 118 000 Flüchtlinge handelt, die wir bislang aufgenommen haben, sind 15 % immer noch sehr viel.

Deswegen kann ich jetzt keine Garantie geben, dass die Men schen wirklich drei bis sechs Monate dableiben. Viele legen auch Rechtsmittel ein. Das wurde schon vorher in der Plenar sitzung thematisiert. Gerade von den Personen aus sicheren Herkunftsländern legen viele Einspruch ein, möglicherweise um das Verfahren zu verlängern und den Aufenthalt in Deutsch land zu verlängern, möglicherweise auch deshalb, weil sie glauben, berechtigte Asylgründe zu haben und diese auch vor Gericht vortragen zu können.

Was die Einzelfragen und Details zur Gesundheitskarte an geht, bin ich gern bereit, Ihnen dies schriftlich zu beantwor ten, weil ich Ihnen das jetzt nicht ad hoc beantworten kann.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Danke!)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Lucha.

Frau Präsidentin! Frau Mi nisterin, wie beurteilen Sie die Erkenntnisse aus Hamburg und Bremen, wo durch die Einführung der Gesundheitskarte je weils Verwaltungskosten in Millionenhöhe eingespart wur den, obwohl dort deutlich weniger Flüchtlinge über die Ge sundheitskarte versorgt werden, als dies z. B. in Baden-Würt temberg der Fall sein wird?

Das Bremer Mo dell oder auch das Hamburger Modell werden gern als Bei spiele genommen. Das taugt aber für ein großes Flächenland wie Baden-Württemberg nicht wirklich viel,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Aha! – Abg. Karl Zim mermann CDU: So ist es! – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Sehr ehrlich, Frau Ministerin!)

weil dort jeweils nur ein Stadtstaat mit nur einem Leistungs träger die Abmachungen trifft. In Baden-Württemberg sind es mehrere Krankenkassen und mehrere Kommunen, und hier müssen eben andere Dinge zusammengefügt werden, und das ist nicht so einfach.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Über diese Brücke ist er selbst gestürzt!)

Deswegen hat es hier länger gedauert, und deswegen wurden von uns auch die entsprechenden Bedenken vorgetragen.

Das Wort für die Frakti on der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Reith.

Frau Ministerin, zu welchem Zeitpunkt im Verfahren soll die Gesundheitskarte ausgegeben werden und wo soll sie ausgegeben werden, schon in den be darfsorientierten Einrichtungen oder in den Landeserstaufnah mestellen?

Nach unserer Pla nung nicht in der Erstaufnahme, sondern erst in der vorläufi gen Unterbringung. In der Erstaufnahme gibt es eine ärztliche Versorgung. In den meisten Erstaufnahmestellen gibt es me

dizinisches Personal und auch eine Rundumbetreuung durch Ärzte. Insofern planen wir den Einsatz der Gesundheitskarte nicht in der Erstaufnahme – auch mit Blick auf mögliche PullEffekte, die auch thematisiert wurden –, sondern in der vor läufigen Unterbringung, wenn Flüchtlinge auf längere Zeit bleiben werden.

Das Wort für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abg. Klein.

Frau Ministerin Öney, täglich kom men ca. 1 000 Flüchtlinge nach Baden-Württemberg. Am Drehkreuz Heidelberg wollen Sie 600 pro Tag registrieren; im Moment sind es etwa halb so viele. Wo sollen die restlichen Flüchtlinge registriert werden? Oder baut sich hier irgendwo ein Stau auf, und wie wollen Sie diesen Stau abarbeiten?

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Warum wird am Drehkreuz Heidelberg nur eine Registrierung, aber keine erkennungsdienstliche Erfassung durchgeführt?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist der größ te Witz!)

Mir wird aus diesen Einrichtungen in Heidelberg und Mann heim berichtet, dass das Land Baden-Württemberg seine Zu sagen hinsichtlich der Zahl der Sozialarbeiter und der Polizei beamten nicht einhält. Dazu möchte ich nachfragen: Ist das der Fall und gegebenenfalls in welcher Größenordnung?

Wenn Sie es selbst nicht beantworten können, wäre ich für ei ne schriftliche Antwort dankbar.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Für das BAMF ist immer noch der Bund zuständig! – Gegen ruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Was den Einsatz der Sozialarbeiter angeht, liegen wir in der Tat noch unter dem Schlüssel – wobei die Flüchtlinge in der Einrichtung in Hei delberg nicht länger bleiben. Sie bleiben dort zwei, drei Tage, werden dort erfasst. Sie werden dort auch erkennungsdienst lich behandelt.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Durch den Bund!)

Dort finden auch die Gesundheitskontrollen statt, und der An trag wird dort gestellt. Alle diese Schritte sollen in Heidelberg passieren.

Was den Einsatz von Polizei angeht, kann ich Ihnen jetzt kei ne Antwort geben. Was Sozialarbeiter angeht, haben Sie recht: Da liegen wir noch unter dem Schlüssel. Das hat einfach auch damit zu tun, dass es zu wenig Sozialarbeiter gibt. Einige Städte helfen uns mit Sozialarbeitern aus. Parallel dazu schreibt das RP Karlsruhe Stellen aus und versucht – oder die Wohlfahrtsverbände versuchen dies –, Sozialarbeiter zu ge winnen, die dann in den Erstaufnahmeeinrichtungen zum Ein satz kommen sollen.

Die Zahl der Sozialarbeiter in Heidelberg wurde aufgestockt. Inzwischen sind es einige. Ich habe die genaue Zahl jetzt nicht im Kopf, kann sie Ihnen aber gern noch schriftlich mitteilen.

Was die Polizei angeht, würde ich Sie bitten, Kontakt zum In nenminister aufzunehmen.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Die Zeit für Thema 1 ist abgelaufen, die 30 Mi nuten sind um. Ich danke Ihnen.

Ich rufe nun das zweite Thema, beantragt von der Fraktion GRÜNE, auf:

H a n d b u c h f ü r d i e e h r e n a m t l i c h e F l ü c h t l i n g s h i l f e i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g

Ich darf das Wort Herrn Abg. Lucha erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin! „Willkommen!“ Die Frankfurter Buchmesse ist zu Ende, und ein Büchlein hat eine Auflage, nach der sich viele Auto ren die Finger schlecken würden. Unser „Handbuch für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe in Baden-Württemberg“ ist jetzt auf dem Markt, wenn auch schon wieder vergriffen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Wen wollen Sie jetzt fra gen? – Weitere Zurufe – Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Abg. Lucha.

Herr Mack, Sie können schon dazwischenrufen, aber Sie bringen mich bloß ganz kurz aus der Ruhe, und dann komme ich schon wieder zum Thema zu rück.

Ich möchte gern von Frau Staatsrätin Erler wissen: Können Sie uns erläutern, wie das Handbuch entstanden ist und wel che inhaltlichen Ziele es verfolgt? Wir wissen ja, dass es sehr viele Tausend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gibt – ei ne Zahl, die wir uns, glaube ich, so nie vorgestellt hätten. Stimmt es, dass Sie, wie wir einigen wenigen Zeitungsarti keln entnehmen können, in diesem Handbuch Tipps geben, wie Abschiebungen illegal hinausgezögert werden können, und dass Sie nun deshalb das Handbuch einstampfen, obwohl mir gesagt wurde, dass es wieder eine zigtausendfache Nach frage nach neuen Exemplaren gibt?

Herzlichen Dank. – Für die Landesregierung darf ich das Wort Frau Staatsrätin Erler geben.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Abg. Lucha, Sie fragten, wie das Handbuch entstanden ist. Ich möchte es erläutern.

Im letzten Jahr, als der erste Flüchtlingsgipfel geplant wurde, habe ich mich entschlossen, das Thema „Unterstützung der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe“ anzupacken. Wir haben da mals alle Akteure zusammengerufen, die es im Bereich der Betreuung von Flüchtlingen im Land gibt, also die Liga, ak tive Kommunen, die Kirchen, die verschiedenen Asylarbeits kreise, eben alle, die da praktisch involviert sind.

Damals wurde dann sehr rasch deutlich, dass neben den an deren Unterstützungen – lokale Bündnisse usw. – ein leicht verständliches Handbuch etwas war, was sich alle wünschten. Es gibt ja schon verschiedene Handreichungen, die allerdings häufig zu fachspezifisch sind, um für die ehrenamtlichen Hel fer zu taugen. Das ist der Hintergrund.

Wichtig für den Erfolg, denke ich, ist auch Folgendes – damit komme ich auf die letzte Frage zurück –: Wir haben natürlich vor über einem Jahr selbst nicht damit gerechnet, dass eine so starke Nachfrage bestehen würde. Der Erfolg liegt vielleicht darin, dass es verschenkt wird, aber vor allem darin, dass sich herumspricht, dass dieses Buch sehr genau die Bedürfnisse anspricht, sehr praxisorientiert und sehr verständlich ist und den gesamten Ablauf darstellt. Deswegen hat es eben eine so starke Nachfrage gefunden.

Wir haben das Ganze partizipativ gemacht. Alle Inhalte, die da drinstehen, haben wir zwar am Schluss von einem Dienst leister aufschreiben lassen, aber ich selbst war in all diesen Foren, und es haben alle beigesteuert, was sie meinten. So sind die Inhalte dann auch generiert worden.

Werden wir das Handbuch wieder einstampfen, weil das Kir chenasyl erwähnt ist und weil es entsprechende Hinweise gibt? Dazu möchte ich zunächst einmal sagen: Ich war in der Tat fassungslos, als ich dieses Argument zum ersten Mal ge hört habe. Die Forderung, ein Buch zurückzuziehen und aus dem Verkehr zu nehmen, das ist ja schon eine ziemlich safti ge Forderung in einem Land, in dem es bedenkliche Traditi onen in dieser Hinsicht gibt.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das ist kein Buch! – Zu ruf von der CDU: Na, na, na!)

Ich möchte Ihnen jetzt doch den Absatz kurz vorlesen, um den es da geht, der das Kirchenasyl betrifft. Wörtlich heißt es – Zitat –:

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, ein organisatorischer Zusammenschluss der Kir chenasylbewegung in Deutschland, gestattet Flüchtlin gen Kirchenasyl, wenn begründete Zweifel an einer ge fahrlosen Rückkehr bestehen.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Was soll das?)

Aktuell gibt es bundesweit 291 Kirchenasyle mit mindes tens 488 Personen,...

Ich möchte ergänzen: Es gibt in Baden-Württemberg vier.