Protocol of the Session on October 1, 2015

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Hinderer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ganz kurz zum Herrn Kollegen Löffler.

(Abg. Walter Heiler SPD: Lohnt sich nicht!)

Ich weiß nicht, was Sie mit Ihren Einlassungen zum Arbeits markt in Fernost und im Mittleren Osten bezwecken wollen, ob Sie uns ins arbeitsmarktpolitische Mittelalter zurückfüh ren wollen oder was der Sinn ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Aber eine Erinnerung sei mir doch erlaubt. Es handelt sich beim Mindestlohngesetz keinesfalls um ein grün-rotes Gesetz des Landes Baden-Württemberg, sondern um ein Bundesge setz, und Koalitionspartner sind da die CDU/CSU und die SPD. Insofern haben Sie das mit beschlossen.

Herr Reith, es ist richtig, dass, wenn ein Gesetz eine gewisse Zeit in Kraft ist, einmal ein Blick darauf geworfen werden soll, dass es überprüft werden soll. Das machen wir auch. Was ist passiert seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1. Januar 2015? Bundesweit profitieren 3,7 Millionen Be

schäftigte, die vorher im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, vom Mindestlohn. 87 % – das ergab eine aktuelle Umfrage in der Bevölkerung – stehen hinter dem Mindestlohn.

Blicken wir einmal auf die Entwicklungen in unserem Bun desland – ich sage nicht, ursächlich hierfür sei allein der Min destlohn; ursächlich ist vielmehr vor allem unsere tolle kon junkturelle Situation –: Bei uns in Baden-Württemberg ging die Zahl der Arbeitslosen zurück, und zwar um fast 4 000 ge genüber dem Vorjahresmonat. Die Zahl der freien Stellen ist gegenüber dem Vorjahresmonat um über 10 000 angestiegen. Insbesondere ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be schäftigten um 2,1 % angestiegen – Nebenbemerkung: im Gastgewerbe um 5,5 %.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Aha!)

Wer die Presselandschaft gestern und heute mit Blick auf die Auswertung der Arbeitsmarktzahlen für den Monat Septem ber anschaut, weiß, wie die Schlagzeilen lauten: „Arbeits markt in Bestform“.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Aha!)

Aktuell ist da vielleicht schon der Ärger der FDP zu spüren – der Ärger über ihren eigenen wirtschaftspolitischen Sachver stand. Schauen wir einmal auf die letzte Aktuelle Debatte zum Thema Mindestlohn. Herr Fraktionsvorsitzender Rülke, am 27. März 2014 sagten Sie – ich zitiere –:

Wer aber zu hohe Löhne

zur Erinnerung: es ging um 8,50 € –

verordnet, der vernichtet Arbeitsplätze. Und genau das wird die Folge dieser populistischen und verantwortungs losen Politik sein.

So viel zu den wirtschaftspolitischen Prognosen der FDP.

Was eingetreten ist – das ist richtig; es ist bereits angespro chen worden –: Die Zahl der Minijobs ging zurück, und zwar um 3,2 % seit September letzten Jahres. Hierzu zwei Anmer kungen: Auf den ersten Blick ist dies eine positive Entwick lung. Wenn es ein Umwandlungseffekt ist – der Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver hältnisse weist darauf hin –, dann ist es gut, wenn geringfügi ge Beschäftigung zugunsten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zurückgeht. Denn geringfügige Beschäftigung ist eine der Hauptursachen für Altersarmut, und zwar aufgrund der fehlenden Beitragszahlungen.

Zweite Anmerkung – darauf muss man noch einmal schau en –: Es muss noch einmal evaluiert werden, in welchen Be reichen die Minijobs weggefallen sind. Betrifft dies diejeni gen, die ausschließlich von Minijobs leben müssen – was so gut wie nicht möglich ist –, oder betrifft es Beschäftigte, die einen Minijob als Zweit- oder Drittjob haben, Rentner, Stu denten und andere? Dieses Thema muss in der weiteren Eva luation sicher noch einmal genau angeschaut werden.

Auch das „Bürokratiemonster“ wurde wieder angesprochen. Ich zeige es Ihnen einmal. Sie können aber ruhig sitzen blei ben; es beißt nicht, es ist auch nicht gefährlich. Es sieht in et wa so aus:

(Der Redner hält eine Tabelle hoch.)

Als Überschrift steht dort „Stundenzettel“, die Spalten lauten „Datum“, „Beginn“, „Ende“ und „Arbeitszeit“. Ich habe sol che Stundenzettel übrigens vor 35 Jahren während meiner Schreinerlehre auch schon ausgefüllt.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Wie machen Sie das bei den Subunternehmern?)

Für diejenigen, denen dies zu kompliziert ist und die technik begeistert sind, gibt es dies sogar als kostenlose App beim BMAS.

(Der Redner hält einen weiteren Ausdruck hoch.)

So viel zum Thema „Bürokratiemonster“.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Wie ist das bei den Subunternehmern?)

Die Hauptkritik geht in Richtung Arbeitszeitgesetz. Dieses Gesetz ist am 1. Juli 1994, also vor 20 Jahren, in Kraft getre ten. Pflegen wir einmal ein bisschen die Erinnerungskultur: Schwarz-gelbe Bundesregierung, der Bundesminister hieß Günter Rexrodt. In den letzten 20 Jahren gab es einige Bun deswirtschaftsminister von der FDP. Wenn diese Minister in diesen 20 Jahren so viel Energie darauf verwendet hätten, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu gewährleisten, dann wä re heute beim Thema Mindestlohn schon viel Dampf aus dem Kessel genommen.

Letztes Stichwort: Thema Kontrollen. In Baden-Württemberg haben seit Anfang dieses Jahres 2 706 Arbeitgeberüberprü fungen stattgefunden. Es gab lediglich 55 Ordnungswidrig keiten.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Aha!)

Das heißt, die Arbeitgeber bei uns im Land gehen in aller Re gel sehr verantwortlich mit dem Thema um. Das verdient ein Lob, und da wird überhaupt niemand unter Generalverdacht gestellt; das ist nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Insofern: Das Mindestlohngesetz im Bund und das Tariftreue gesetz im Land sind wesentliche Pfeiler für das Konzept „Gu te Arbeit“: mehr Lohn, mehr Beschäftigte, mehr Gerechtig keit. Der Mindestlohn wirkt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Sozialministerin Altpeter.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist so, und es bleibt dabei: Der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 € ist ein Meilenstein in der Sozialpolitik; denn er ist getragen vom Grundgedanken der Gerechtigkeit, und er hat die Inten tion, es arbeitenden Menschen zu ermöglichen, von ihrem ehr lich verdienten Geld leben zu können. Das ist nichts anderes als recht und billig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb – auch das ist eine logische Konsequenz – haben fast 87 % der deutschen Bevölkerung die Einführung eines gesetz lichen Mindestlohns unterstützt. Im Übrigen, sehr geehrte Herren von der FDP/DVP-Fraktion, wird der gesetzliche Min destlohn auch in Ihrer Partei mehrheitlich unterstützt, näm lich von 63 % der Mitglieder.

Lieber Herr Kollege Löffler, auch wenn Sie versuchen, mit Ihren doch sehr poetischen Reisebeschreibungen zu übertün chen, dass auch Ihre Fraktion im Deutschen Bundestag maß geblich an der Einführung des Mindestlohns beteiligt war,

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

sollten Sie an dieser Stelle – trotz aller schönen Beschreibun gen der fremden Länder – doch nicht vergessen, dass auch 79 % Ihrer Parteimitglieder den gesetzlichen Mindestlohn richtig finden. Ich meine, heute ist es hier im Landtag von Ba den-Württemberg nicht an der Zeit, so zu tun, als würde man in Berlin von einer anderen Koalition regiert, einer Koalition, mit der man absolut nichts zu tun hat. Das, lieber Herr Löff ler, ist nicht gerade redlich.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich schätze den Fleiß derjenigen, die entsprechende Anfragen verfassen, und ich schätze die Gedanken, die dahinterstehen. Aber entgegen aller diesbezüglicher Annahmen hat kein Ab bau von Arbeitsplätzen stattgefunden. Die monatlichen Ar beitsmarktstatistiken belegen eindrucksvoll, dass die sozial versicherungspflichtige Beschäftigung nicht abgenommen, sondern sogar zugenommen hat. Rückläufige Zahlen – da mö gen Sie recht haben, lieber Kollege von der FDP – findet man allenfalls bei den Minijobs, und das ist auch gut so; denn Mi nijobs führen nicht nur zu einem nicht auskömmlichen Le bensunterhalt, sondern sie führen in der Folge vor allem zu nicht auskömmlichen Renten und damit auf direktem Weg in die Grundsicherung. Das aber kann nicht unser Anliegen sein.

Was mich auch wundert, ist, mit welcher Vehemenz, mit wel cher Sicherheit Sie hier unter die Leute bringen, das gesamte Handwerk und die gesamte Industrie seien gegen den Min destlohn und wir würden ihnen Dinge vorschreiben, die bar jeder Notwendigkeit sind. Ich empfehle Ihnen einfach, sich noch einmal mit den entsprechenden Personen ins Benehmen zu setzen, mit dem Handwerk zu reden, mit der Industrie zu reden. So sagte der Vizepräsident des Deutschen Handwerks kammertags, Klaus Feuler, bereits Ende April im „Handels blatt“, von einem Bürokratiemonster könne beim Mindestlohn keine Rede sein, und so sagt der zuvor von Frau Lindlohr zi tierte Präsident der Handwerkskammer und der Innung: „Wir sind froh über die Einführung des Mindestlohns, denn er ga rantiert auch uns als Arbeitgebern Sicherheit.“

Auch wenn Sie dies von uns nicht zur Kenntnis nehmen wol len – das kann ich zu einem gewissen Teil vielleicht sogar noch verstehen –, wäre es, finde ich, doch angebracht, dass Sie wenigstens die Aussagen derer zur Kenntnis nehmen, die Sie vorher als Zeugen gegen den Mindestlohn angeführt hat ten. Das wäre dann wenigstens noch fair und anständig.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Nun zum Thema Bürokratiemonster: Der Begriff „Bürokra tiemonster“ verursacht bei uns allen Vorstellungen von meter

dicken Aufzeichnungen, die minutiös geführt werden müssen, die die Menschen noch mehr beschäftigen als die eigentliche Arbeit. Das vermittelt der Begriff „Bürokratiemonster“.

Wenn man sich das einmal genauer anschaut, dann stellt man fest, dass es die Aufzeichnungspflichten und die gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeitszeit sind, die aufgrund des Min destlohns in den Fokus gerückt sind. Aufzeichnungspflichten müssen sein; denn sonst könnte ein Mindestlohn weder über prüft noch durchgesetzt werden. Wer sich also heute gegen die Aufzeichnungspflichten positioniert, der sollte lieber Klar text reden und sagen, dass er keinen Mindestlohn will. Das wäre ein ehrlicher Beitrag zur Debatte.

Die Aufzeichnungspflichten dienen nicht dazu, den redlichen Arbeitgeber zu drangsalieren und zu quälen, sondern dazu – das ist durchaus eine staatliche Aufgabe –, die unredlichen Ar beitgeber herauszufischen. Wenn Sie sich das von Ihnen Bü rokratiemonster genannte Papier einmal anschauen, dann stel len Sie fest, dass es sich um ein solches DIN-A-4-Papier han delt.