Protocol of the Session on February 5, 2015

Herr Kollege Wolf, auch wir haben sehr großes Interesse da ran, dass nicht nur bei dieser Debatte, sondern bei der Haltung des Landtags in dieser gesamten Frage „Islam, Muslime, fried liches Zusammenleben“ eine hohe Gemeinsamkeit besteht – und zwar nicht nur heute, sondern immer –, eine hohe Ge meinsamkeit, die sich nach draußen überträgt

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

und die den Leuten auch das sichere Gefühl verleiht: Wir mei nen das, was wir sagen, und wir setzen es dann anschließend auch um.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Aber gestatten Sie mir mit allem Respekt vor Ihrer Person:

(Zuruf von der CDU: Das gestatten wir nicht!)

Es sind nach Ihren Ausführungen bei uns heute doch noch Zweifel übrig geblieben.

(Unruhe bei der CDU – Abg. Helmut Rau CDU: Das sagt der Richtige!)

Ich gestehe Ihnen gern zu, dass Sie ein klares Bekenntnis zur Religionsfreiheit, zu all diesen Fragen abgelegt haben. Nur ein ganz einfacher Satz

(Abg. Heribert Rech CDU: Hör einfach auf! Einfach aufhören!)

kam Ihnen dann doch nicht über die Lippen. Sie haben gesagt, im Islam gebe es auch Suren, die zur Gewalt aufrufen und die mit unseren Werten nicht übereinstimmen. Das ist zweifels ohne richtig. Aber das kann doch im Ergebnis,

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

glaube ich, nicht heißen, dass wir diesen Satz: „Muslime, ihr gehört zu uns und eure Religion auch“ dann doch nicht sagen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das war so eine gute Debatte!)

Ich finde, das ist ein untrennbarer Satz: „Muslime, ihr gehört zu Baden-Württemberg und eure Religion auch.“ Dieses ein deutige Ja ist die Voraussetzung dafür, dass wir anschließend überhaupt glaubwürdig und überzeugend mit ihnen diskutie ren können. Wir müssen ja diskutieren. Das ist die Vorausset zung, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Helmut Rau CDU: Das gibt es doch nicht! – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sie zäumen das Pferd von hinten auf, lieber Kollege! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

und das ohne jedes Überheblichkeitsgefühl, sondern auf Au genhöhe mit allem Verständnis für Ängste und Fragen. Das gilt für die einheimische Bevölkerung ebenso wie für die Men schen muslimischen Glaubens,

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

die zu uns gekommen sind.

Es gibt draußen gerade nach den letzten Wochen die Erwar tungshaltung an uns, etwas zu hören: Wie seht ihr das jetzt ei gentlich mit uns?

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Sind wir willkommen? Stehen wir unter Generalverdacht? Seht ihr in uns potenzielle Terroristen, oder wie geht das ge meinsam weiter?

Mir persönlich wird diese Frage zu Hause sehr, sehr oft ge stellt. Ich bin als aktiver evangelischer Christ in einem sehr intensiven interreligiösen Dialog, gerade auch mit den Mo scheevereinen. Da kommen diese Fragen. Ich sehe den Wunsch nach Akzeptanz, aber auch die Bereitschaft, unsere Werte mit zuleben, mitzuvertreten, Demokratie zu verteidigen.

(Abg. Heribert Rech CDU: Was haben Sie denn an zubieten?)

Die vergangenen Wochen waren, glaube ich, ein hervorragen des Beispiel in diesem Land. Seit den Anschlägen von Paris haben auch in Baden-Württemberg Tausende von Muslimen an unserer Seite für demokratische Werte mitdemonstriert. Ich glaube, sie haben damit deutlich gemacht: Sie gehören zu uns, sie wollen hier leben, sie integrieren sich hier. Wir sollten ih nen, meine Damen und Herren, im besten Sinn diese Aner kennung nicht verwehren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dann gibt es Fragen. Es gibt Fragen der Bürgerinnen und Bür ger in unserem Land – auch ich kenne die Umfragen und neh me sie sehr ernst –, und es gibt Fragen der Muslime. Es gibt eine Stimmungslage in diesem Land. Dieser müssen wir nach beiden Seiten gerecht werden. Wir müssen ausgewogen dis kutieren; wir dürfen nicht überziehen.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Deswegen kann man es nicht auf einen Satz reduzieren! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das hat die Frau Kanzlerin gemacht!)

Wir dürfen – da haben Sie recht – Integration nicht infrage stellen. Ich finde, wir stellen die gelungenen Beispiele von In tegration gerade von Menschen muslimischen Glaubens viel zu selten in den Mittelpunkt. Schauen wir uns doch einmal in der Landespolitik um. Drei herausragende Muslima fallen mir ein: Muhterem Aras, Bilkay Öney und Tülay Schmid, Frau en, die für andere muslimische Frauen herausragende Leitbil

der, Vorbilder für gelungene Integration sein können. Mit sol chen Beispielen müssen wir in unserer Gesellschaft arbeiten. Die müssen zu Wort kommen, die müssen anderen muslimi schen Frauen Mut machen.

(Mehrere Abgeordnete der CDU verlassen den Ple narsaal. – Abg. Helmut Rau CDU: Sie sind nicht zu ertragen, Herr Kollege Sckerl! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die gehen raus!)

Ich finde, das ist eine ganz wichtige Aufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dann müssen wir selbstverständlich kritische Diskussionen führen. Nichts ist in diesem Zusammenhang selbstverständ lich. Die Frage „Wie hältst du es mit dem staatlichen Gewalt monopol, mit der Anerkennung der Demokratie?“ gehört na türlich dazu. Natürlich zeigen wir gemeinsam klare Kante ge gen Fundamentalismus, Salafismus und Islamismus. Das ist auch völlig klar, und das erwarten wir auch von den friedlie benden Muslimen. Aber wir dürfen unser Bekenntnis, dass sie zu uns gehören, nicht an solche Fragen knüpfen. Wir dürfen nicht sagen: Aber erst einmal musst du dich jetzt distanzieren und dich klar erklären, und dann darfst du dich hier frei auf halten.

Nein, wir müssen ihnen das sichere Gefühl geben: Wir wis sen, ihr seid in eurer übergroßen Mehrheit friedlich, gute Bür gerinnen und Bürger, die sich längst integriert haben. Dieje nigen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung infrage stellen, sind eine Minderheit, gegen die wir uns ge meinsam wenden. Darum geht es, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich finde, alle Argumente sind auf unserer Seite. Nicht die is lamische Religion oder irgendeine Spielart ist unser Gegner oder Widerpart. In der islamischen Religion finde ich all die se negativen Eigenschaften, gegen die wir uns wenden, nicht. Was ist denn ein Dschihadist? Ein Dschihadist ist kein Reli gionsführer. Ein Dschihadist ist jemand, der Macht ausüben will, der andere Menschen unterdrücken will. Er ist einer von denjenigen, die jetzt im arabischen Raum kämpfen, um Ge lände zu gewinnen, aber er ist kein Religionsführer, er hat in der Regel kein religiöses Charisma.

Aber religiöse Unkenntnis bei jungen Menschen führt offen sichtlich dazu, dass eine Verführung zum Dschihadismus mög lich ist. Das ist ein Riesenproblem, das uns enorm herausfor dert. Da müssen wir deutlich mehr tun, als wir bisher getan haben – Stichwort „Islamischer Religionsunterricht gegen re ligiöse Unkenntnis“.

(Abg. Matthias Pröfrock CDU: Was ist denn der Dschihad?)

Wir müssen da deutlich mehr tun, als nur ein Antiterrorpro gramm aufzulegen, wie wir es heute Morgen diskutiert haben. Da muss auch in unserem Land im Bereich der Prävention ge genüber jungen muslimischen Menschen viel passieren, über haupt keine Frage.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Aber die Anziehungskraft ist nicht unbedingt eine religiöse, sondern eine machtpolitische. Dies findet im arabischen Raum statt und übt dennoch Anziehungskraft bei uns aus.

Es geht aber auch um die Verächtlichmachung unserer Frei heit. Warum findet diese bei jungen Menschen Unterstützung? Ich finde, wir haben doch überlegene Werte zu verteidigen. Es darf nicht sein, dass nur der, der unterdrückt, seine Werte durchsetzt. Wir könnten Ihnen Tausende von Beispielen er zählen. Der Ministerpräsident hat das Beispiel der Peitschen hiebe in Saudi-Arabien genannt. Bei uns ist dies völlig unvor stellbar. Ich glaube, dass wir den jungen Menschen einen fas zinierenden Wert entgegenhalten können.

Das gilt auch für viele, viele andere Bereiche. Das gilt letzt endlich auch für Mohammed-Karikaturen. Warum werden die se denn von den Islamisten als bedrohlich empfunden? Sie wissen ganz genau, dass die Aufklärung damals damit begann, die göttliche Totalherrschaft infrage zu stellen.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Hat Ihre Rede auch ein Fazit? – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

In diesem Zusammenhang gibt es also eine ganze Vielzahl von Aufgaben, denen wir uns stellen müssen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das muss aber, wie gesagt, gemeinsam mit den Muslimen ge schehen. Die Voraussetzung dafür, dass dies gelingt, ist, zu sa gen: „Ihr gehört zu uns, ohne Punkt und Komma. Wir machen keine Vorbedingungen. Der Islam gehört zu Baden-Württem berg, so wie ihr zu Baden-Württemberg gehört.“

Da kommt es selbstverständlich auf Zungenschläge und auf Zwischentöne an, Herr Wolf. Ich hätte von Ihnen heute schon gern gehört, was es nun mit den Weihnachtsmärkten bzw. Wintermärkten

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Allerdings! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Genau!)

und den Sonne-Mond-und-Sterne-Umzügen auf sich hat. Ich finde, das ist eine Art von Zwischenton,