Natürlich ist die Regierung der Kritik insoweit begegnet, als jetzt Zusatzurlaubstage und der Verzicht auf Versorgungsab schläge bei Dienstunfähigkeit vorgesehen sind. Wir glauben aber – die Erkenntnis ist klar und deutlich –: Die physische und psychische Leistungsfähigkeit nimmt ab 50 Jahren ab. Nicht umsonst findet etwa bei der Feuerwehr die Tauglich keitsuntersuchung – –
Aber weder Sie noch ich sind bei der Feuerwehr und müssen deshalb auch nicht ab dem 50. Lebensjahr jährlich die Taug lichkeitsuntersuchung G 26/3 ablegen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da kann man sich auch fit halten! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)
Eines muss man auch sehen: Nicht nur die Belastbarkeit der betroffenen Beamten wird geschmälert, sondern auch jene von Kolleginnen und Kollegen. Letztlich ginge das auch zulasten der Sicherheit, etwa bei gefährlichen Einsätzen.
Alternative Einsatzmöglichkeiten gibt es nur in geringem Um fang – bei der Feuerwehr nahezu gar nicht, und auch bei der
Polizei ist es sehr schwierig. Es gibt verschiedene Kompro missregelungen, die in dieser Richtung überdacht werden kön nen, etwa die Berücksichtigung von Wechselschichtdiensten z. B. die Gesamtzeiten der geleisteten Dienste in Anrechnung zu bringen oder, wie der Beamtenbund vorgeschlagen hat, für jedes Jahr geleisteten Schicht- oder Wechseldienstes einen Monat früher abschlagsfrei in Pension gehen zu können. Das wären Alternativen. Wenn wir – was wir nicht wollen – zu ei ner Sonderaltersgrenze von 62 Jahren kämen, müsste man die se Alternativen sicher ernsthaft vertiefend diskutieren.
Ein Punkt, der uns sehr wichtig ist, sind die gleichgeschlecht lichen Lebenspartnerschaften. Wir als SPD halten es für drin gend geboten, im Bereich des Familienzuschlags, der Hinter bliebenenpension, der Beihilfe, bei Reise- und Umzugskos ten, bei Trennungsgeld und Sonderurlaub eine Gleichstellung herbeizuführen. Das ist kein Neuland. Ich höre von Ihnen, man müsse in große rechtliche Prüfungen eintreten. Das neh men wir Ihnen einfach nicht ab. Sie wollen nicht.
Andere Bundesländer, auch CDU-geführte Bundesländer, ha ben solche Regelungen in zahlreichen Bereichen schon weit gehend eingeführt. Sie werden nicht ernsthaft glauben, dass diese Regelungen in CDU-geführten Bundesländern nicht ver fassungsrechtlich geprüft wurden
oder gar verfassungswidrig wären. Sie wollen das nicht. Wir meinen daher: Machen Sie diese Gleichstellung. Im Abgeord netengesetz haben wir sie gestern auch beschlossen.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Thomas Oelmay er GRÜNE – Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sehr richtig!)
Sie haben auf die Rechtsprechung verwiesen. Beim Verwal tungsgerichtshof in Mannheim sind Verfahren anhängig. Wir sind auch gespannt, wie diese ausgehen. Orientieren Sie sich an den Regelungen anderer Länder. Das sind kompetente, überzeugende Vorlagen, die Sie auch bei uns in einem Gesetz umsetzen können.
Ein ganz wichtiger Punkt – ich stelle ihn gezielt an den Schluss meiner Bewertung – ist das Landespersonalvertre tungsrecht. Hier wird immer auf das Urteil des Bundesverfas sungsgerichts aus dem Jahr 1995 Bezug genommen, das uns angeblich zwingt, solche rigiden Regelungen, sprich Ein schränkungen, ins Gesetz aufzunehmen. Dem ist nicht so. Die ses Urteil ist in einer Zeit ergangen, in der der öffentliche Dienst noch ganz anders aussah. Damals hatten wir noch lan ge nicht die Formen des öffentlichen Dienstes, die wir heute haben, etwa im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung oder in Gesellschaftsformen wie jener des Privatrechts, in denen die öffentliche Verwaltung weitgehend agiert. Wir haben die Neuen Steuerungsinstrumente und andere Instrumente in der Verwaltung, die ganz andere Mitwirkungs- und Beteiligungs möglichkeiten für Mitarbeiter erfordern. Deshalb ist diese Rechtsprechung nicht mehr zeitgemäß. Man muss sie im Lich te der neueren Entwicklung der Verwaltungsrealität interpre tieren.
Im Übrigen bleibt den Ländern auch Gestaltungsspielraum. Die Oberverwaltungsgerichte in einigen Ländern haben die se Regelungen, die dort unterschiedlich sind, aber noch lan ge nicht so einschränken, wie Sie es vorsehen, durchaus ab gesegnet.
Dabei ist für uns ein wichtiger Punkt das Evokationsrecht, al so das Letztentscheidungsrecht der obersten Dienstbehörde. Aus den letzten Jahren gibt es eigentlich keine Urteile von Ge richten, nach denen eine Entscheidung einer Einigungsstelle einmal gerichtlich angezweifelt worden wäre. Bisher hat das funktioniert.
Aus unserer Sicht ist es im Grunde so, dass die Einführung dieses strikten Evokationsrechts, wie Sie es vorsehen, die Mit bestimmung im Personalbereich letztlich ad absurdum führt. Da machen wir nicht mit.
Zumal wir in manchen Bereichen auch noch die Herabstufung des Beteiligungsniveaus haben, etwa bei Maßnahmen zur He bung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeits ablaufs oder zur Einführung grundsätzlich neuer Arbeitsme thoden. Da gehen wir nach dem Gesetzentwurf der Landesre gierung jetzt von der vollen in die eingeschränkte Mitbestim mung. Eigentlich ist das ein unhaltbarer Zustand. Das Gegen teil müsste der Fall sein. Gerade bei diesen Instrumenten bräuchten wir eine verstärkte Mitwirkung der betroffenen Be diensteten.
Nicht nachvollziehbar ist für uns insbesondere die Auswei tung des Evokationsrechts auf Dienstvereinbarungen. Da schließen unterschiedliche Beteiligte mit unterschiedlichen Interessenlagen einvernehmlich eine Regelung – sprich sie schließen einen Vertrag – aufgrund eines sorgfältig abge stimmten Kompromisses in einem sicherlich nicht immer leichten Verfahren ab, und dann kippt das Evokationsrecht diese Vereinbarung wieder. Das kann so nicht sein. Das wer den wir nicht akzeptieren.
Als Letztes der vierte Punkt, bei dem wir Optimierungsbedarf sehen: Sicher entfällt künftig der Landespersonalausschuss. Herr Minister, das haben Sie auch erwähnt. Wir sehen für den Landespersonalausschuss durchaus eine neue Rolle, etwa wenn wir an die Verlagerung des Laufbahnrechts auf die Fach ressorts denken oder an die Gesundheitsprävention, die auch ressortbezogen durchgeführt werden soll und für die jetzt im Kultusbereich bereits 3 Millionen € zwischen den Beteiligten vereinbart sind. Da sehen wir auch für den Landespersonal ausschuss ein neues Betätigungsfeld. Diesen kann man dann entsprechend mit neuen Aufgaben versehen.
Herr Präsident, ich bin gleich fertig –, den wir bisher geführt haben, auch in den Ausschussberatungen fortsetzen. Wir wer den die Ausschussberatungen entsprechend mit Änderungs anträgen begleiten. Den heute vorliegenden Änderungsantrag der CDU und der FDP/DVP, der einen Prüfauftrag zur recht lichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partner schaften beinhaltet, werden wir ablehnen. Darüber ist die Zeit längst hinweggegangen. Deshalb bedarf es keiner weiteren Prüfung, sondern es bedarf schlicht der Handlung.
(Der Redner fährt das Rednerpult nach unten. – Ver einzelt Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er hat so getan, als ob! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Zumindest länger!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf ist ein wirklich äußerst umfassendes Gesetzeswerk. Es umfasst mit den Begründungen und Stellungnahmen 902 Seiten. Wenn man sich als Parlamentarier die Mühe macht, diese Seiten wenigstens ansatzweise durchzuarbeiten, bedeu tet es Nachtarbeit.
(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Man muss ihn mit ins Bett nehmen! – Zuruf des Abg. Nikolaos Sakel lariou SPD)
Trotzdem will ich mich gleich dem Lob – so muss man es schon ausdrücken – hinsichtlich der Ausarbeitung dieses Ge setzeswerks anschließen. Das gilt natürlich insbesondere für die erste Reihe der Regierungsbank, aber auch für die zwei te. Denn ich denke, die operative Tätigkeit ist nicht viel an ders als bei mir in der Kanzlei. Die operative Tätigkeit wird oft von denjenigen in der zweiten Reihe gemacht. In diesem Fall ist es ganz sicher so. Da muss man sagen: Gemessen an dem, was ich sonst schon an Vorlagen von Gesetzesmaterien hier erlebt habe, lässt das jetzt zumindest von der Qualität her nicht so viel zu wünschen übrig.
Ich will natürlich trotzdem einige Punkte benennen, meine Damen und Herren. Herr Minister, ich will auf drei Zielset zungen eingehen, die Sie genannt haben, die mit dem Reform gesetz verfolgt werden.
Erstens: attraktiver öffentlicher Dienst. Das tragen wir in die ser Allgemeinheit natürlich sofort mit. Das ist gar keine Fra
ge. Wir brauchen gute Leute, wir brauchen motivierte Leute im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg. Es wird in Zu kunft mit dem demografischen Wandel, der auf uns zukommt, schwieriger werden, junge Menschen, die mit Qualität im öf fentlichen Dienst arbeiten wollen, für den öffentlichen Dienst zu gewinnen.
Ich komme nachher noch auf ein paar Punkte zu sprechen, bei denen wir der Auffassung sind, da könnte man mehr tun.
Der zweite Punkt ist die Durchlässigkeit zur Privatwirtschaft. Auch dieses Thema stößt bei uns auf offene Ohren, weil ge rade zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft, auch im Dienstleistungsbereich usw., sehr viele gegenseitige Aus tauschsituationen stattfinden können, die beide Seiten insge samt nach vorn bringen. Gegenüber den starren Regelungen, die es bisher im Beamtenrecht gibt, sind die Auflockerungen, die Sie jetzt in dem Gesetzentwurf vorsehen, sehr begrüßens wert.