Protocol of the Session on July 28, 2010

Wenn es eine Ministerverantwortung gibt, dann kann sich ein Minister aus diesem Thema nicht nach dem Motto „Ich lasse ihn einmal werkeln“ herausreden. Seine eigenen Beamten ha ben in Dutzenden von Fällen widerlegt, dass es überhaupt möglich ist, dass es sinnvoll ist. Nichts ist geschehen. Er hat es laufen lassen. Das hat zu Verzögerungen und zum Schaden für das Land Baden-Württemberg geführt. Deshalb ist der Ent lassungsantrag berechtigt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Niemand hat etwas dagegen, wenn man regionale, wenn man lokale, wenn man wirtschaftliche Interessen auch von badenwürttembergischen Unternehmen verfolgt. Wem sagen Sie das? Das ist überhaupt keine Frage. In diesem Fall jedoch lie fen die Firmeninteressen den Landesinteressen diametral ent gegen. Das ist durch Dutzende von Vermerken in den Minis terien, durch Stellungnahmen der Gewässerdirektionen aus Berlin und aus Stuttgart, von überall her belegt. Es gab nur ei nen Einzigen, der das angehalten hat. Dieser Einzelne hatte die Deckung seines Ministers. Deshalb trägt der Minister die Verantwortung für das Fehlverhalten von Herrn Fleischer zu 100 % mit. Deshalb muss er dafür geradestehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Ich erteile für die Frak tion GRÜNE Frau Abg. Mielich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hauk, Sie haben bei dieser Debatte gerade grandios am Thema vorbei gesprochen. Wenn Sie sagen, ich hätte einen Besinnungsauf satz gehalten, so muss ich sagen: „Sechs, setzen!“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: Sechs plus, mit Rücksicht auf die Eltern! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Um Himmels willen!)

Denn Sie haben sich sozusagen an den lokalen Interessen des Kollegen Fleischer abgearbeitet. Sie haben das wunderbar blu mig dargestellt. Ich glaube, dass sich niemand von uns hier hinstellt und nicht gleichzeitig auch die lokalen Interessen sei nes Wahlkreises vertritt.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Er hat etwas an deres gesagt! Sie haben überhaupt keinen Wahlkreis! – Unruhe)

Ich habe einen Wahlkreis, im Übrigen denselben Wahlkreis wie Herr Fleischer. – Aber das Ganze muss in das Bemühen um das Wohl des Landes eingebettet sein. Darum muss es letztlich gehen; denn wir sind Landtagsabgeordnete, und wir sind hier nicht in einem Gemeinderat oder im Kreistag. Das ist der große Unterschied. Das sollte man auch wirklich deut lich machen.

Heute geht es nicht um das Fehlverhalten des ehemaligen Staatssekretärs Fleischer.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Lassen Sie uns doch abstimmen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber ihr redet doch ständig davon!)

Heute geht es um die Verantwortung des Finanzministers Stä chele. Nach wie vor ist überhaupt nicht erklärbar, wieso, wenn drei Ministerien beteiligt sind – das Innenministerium, das Verkehrsministerium und das Finanzministerium –, beim In nen- und Verkehrsministerium jeweils auf Ministerebene kom muniziert worden ist und der Finanzminister dabei überhaupt nicht vorkam. Es gibt keinen einzigen Briefvermerk, Herr Stä chele.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das ist doch genau das Problem: Sie sagen nicht nur, Sie kä men darin nicht vor, sondern Sie sagen auch, Sie hätten von all dem nichts gewusst. Das kann nicht sein. Sie tragen die po litische Verantwortung für das Handeln Ihres Staatssekretärs. Letztendlich sind Sie der Chef. Als Chef haben Sie den Hut auf. Deswegen müssen Sie die Verantwortung für diesen Vor gang übernehmen, und darum fordern wir Ihre Entlassung.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da zieht es einem die Socken aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Da mit kommen wir zur Abstimmung über den Entlassungsan trag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Druck sache 14/6726, mit folgendem Wortlaut:

Der Landtag wolle beschließen,

gemäß Artikel 56 der Landesverfassung den Ministerprä sidenten aufzufordern, Herrn Willi Stächele MdL aus der Landesregierung zu entlassen.

Nach Artikel 56 der Landesverfassung muss der Ministerprä sident einem dahin gehenden Ersuchen entsprechen, wenn der

Beschluss mit zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags ge fasst wird. Dies bedeutet, dass dem Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE mindestens 93 Mitglieder des Landtags zustimmen müssen. Andernfalls ist der Antrag er folglos.

Wer dem Antrag auf Entlassung zustimmen möchte, den bit te ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

(Beifall bei der CDU)

Tagesordnungspunkt 5 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite und Dritte Beratung des Gesetzentwurfs der Lan desregierung – Gesetz über die Feststellung eines Nach trags zum Staatshaushaltsplan von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2010 und 2011 – Drucksache 14/6580

Beschlussempfehlungen und Berichte des Finanzausschus ses – Drucksachen 14/6660, 14/6661

Berichterstatter: Abg. Klaus Herrmann

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion der CDU darf ich Herrn Abg. Groh das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Wenn wir heute in zweiter und drit ter Lesung...

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf um Ruhe bitten.

... den ersten Nachtrag zum Dop pelhaushalt 2010/2011 verabschieden, dann dürfen wir uns in erster Linie bei unserem Finanzminister Willi Stächele für die se herausragende Haushaltsfortschreibung bedanken. Wer in heutiger Zeit die Nettokreditaufnahme um 50 Millionen € ab senken kann, 40 Millionen € für strukturelle Verbesserungen bei den Landesbediensteten veranschlagen kann und darüber hinaus dem Landtag, also uns, den notwendigen Spielraum für wichtige politische Handlungsfelder lässt – ich denke da bei z. B. an die Empfehlungen des Sonderausschusses „Win nenden“ –, der hat unser aller Lob verdient. Daher gleich zu Anfang volle Zustimmung der CDU-Fraktion zu diesem Haus halt.

Meine Damen und Herren, das Jahr 2010 lässt uns nach den bisherigen Entwicklungen auf ein neues Wachstum hoffen. Das sagen vor allem auch die Wirtschaftsforschungsinstitute. Die konjunkturelle Erholung in Deutschland setzt sich gefes tigt fort. Der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Leistung dürfte im zweiten Quartal dieses Jahres merklich stärker aus fallen als im ersten Quartal.

Diese Besserungstendenzen am Arbeitsmarkt setzten sich in den letzten Monaten bereits verstärkt fort. Die anhaltende kon

junkturelle Erholung, gestützt durch zusätzliche Impulse aus einer kräftigen Frühjahrsbelebung, wirkte sich zunehmend auf den Arbeitsmarkt aus. Dies bekommt insbesondere BadenWürttemberg wohltuend zu spüren.

Auch wenn in vielen Branchen und Unternehmen die Lage noch immer angespannt ist, drehen sich weitere wichtige Vor zeichen der Wirtschaft wieder von minus nach plus. Es wird sich zeigen: So, wie Baden-Württemberg mit seiner starken Export-, Investitionsgüter- und Hightechwirtschaft besonders hart von der weltweiten Abwärtsbewegung betroffen war, so wird es von der jetzt einsetzenden Belebung auch wieder schneller als andere nach oben getragen.

Je Einwohner exportierte Baden-Württemberg im Jahr 2009 weltweit Güter im Wert von 12 000 €, Deutschland insgesamt exportierte im Vergleich dazu Güter im Wert von 8 000 € je Einwohner. An der Höhe der Exportquote – dem Anteil des Exportvolumens am Bruttoinlandsprodukt –, die 38 % beträgt, wird die hohe Exportintensität des Landes deutlich sichtbar. Auch hier wieder ein Vergleich: Deutschlandweit beträgt die Exportquote 27 %. Ich bin fest davon überzeugt: Baden-Würt temberg wird auch nach der Krise nicht Opfer, sondern Ge stalter und Gewinner des Strukturwandels sein. Unsere Un ternehmen haben die Zukunftsmärkte fest im Blick. Sie sind Weltspitze, wenn es um die Entwicklung und Optimierung neuer technologischer Trends und Möglichkeiten geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten der Krise und der Veränderungen tragen wir erst recht Mitverantwortung für Ar beitsplätze und Umsätze unserer Unternehmen. Auf diesem Weg in die Zukunft hat unsere Wirtschaft auch die volle Un terstützung der Landespolitik. In Baden-Württemberg ist die Gefahr einer Firmenpleite seit vielen Jahren am niedrigsten. Bezogen auf 10 000 Unternehmen hat Baden-Württemberg im Jahr 2009 mit gerade einmal 65 Unternehmen die gerings te Insolvenzrate unter den Bundesländern. Im Durchschnitt lag diese Insolvenzrate bei 94 Unternehmen.

Mit unserem Landesinfrastrukturprogramm und mit dem mas siv ausgeweiteten Landesbürgschaftsrahmen haben wir vie len Unternehmen im Tiefpunkt der Krise wertvolle Überbrü ckungshilfe leisten können. Gerade zur Unterstützung unse rer Unternehmen bei der Überwindung der Finanzkrise brau chen wir die Banken in Baden-Württemberg und einen star ken Finanzplatz Stuttgart. Wir werden daher alles tun, damit den Banken nicht durch zusätzliche Abgaben notwendiges Ka pital abgezogen wird, das dann für die Kundenfinanzierung nicht mehr zur Verfügung stehen würde.

Grundlegende Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die Haftung und die Verantwortung, müssen wieder stärker das Handeln der Finanzakteure bestimmen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Tho mas Oelmayer GRÜNE: Einsamer Beifall!)

Meine Damen und Herren, eine besondere Belastung für Ba den-Württemberg ist der Länderfinanzausgleich. Ohne diesen stünde Baden-Württemberg schuldenfrei da. Auch für die Jah re 2010 und 2011 müssten keine Schulden aufgenommen wer den; im Gegenteil: Ohne Zinsbelastung könnte das Land so gar in Krisenzeiten Rücklagen in Milliardenhöhe bilden. Ba den-Württemberg ist nämlich das einzige Land, das immer in

den Länderfinanzausgleich einbezahlt hat. Kein anderes Land hat mehr in den Länderfinanzausgleich einbezahlt. Seit 1950 sind dies immerhin 46,5 Milliarden €. Die Gesamtverschul dung des Landes Baden-Württemberg am Kreditmarkt ist nicht höher.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg saniert sich nicht zulasten seiner Kommunen. Baden-Württemberg wird weiterhin der starke Partner der Kommunen sein und de ren Interessen auch beim Bund vertreten. Auch in Zeiten der Krise sorgt Baden-Württemberg für eine gute und solide Fi nanzausstattung seiner Kommunen. Die Gemeinden in Ba den-Württemberg haben die niedrigste Pro-Kopf-Verschul dung aller Kommunen in Deutschland.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Ja!)

Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten: Auch darauf, lieber Herr Kretschmann, hätten Sie bei Ihrer Haushaltsrede, bei der Sie einen Vergleich zu Nordrhein-Westfalen zogen, eingehen sollen, ja, im Sinne unseres Landes meine ich, sogar eingehen müssen. Schade, dass Sie dazu nicht in der Lage sind.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Gerade in Krisenzeiten sind Investitionen in Bildung Investi tionen in die Zukunft. Dies zahlt sich in Baden-Württemberg schon jetzt aus. Im Bereich der beruflichen Bildung belegt Ba den-Württemberg im Bildungsmonitor Platz 1. Bei der ge meinsamen Beschulung von behinderten und nicht behinder ten Kindern ist das Land mit Bayern und Bremen Vorreiter. Das Bildungshaus für Drei- bis Zehnjährige ist bundesweit einmalig. Dies gilt auch für das Projekt „Singen – Bewegen – Sprechen“. Der Orientierungsplan findet bundesweit hohe Beachtung. Beim PISA-Länderranking belegen wir Spitzen plätze.