Protocol of the Session on July 28, 2010

Es gab über all die Jahre hinweg einen lebhaften Briefverkehr und viele Treffen. All das brachte kein Ergebnis. Alle Treffen wurden mit vorläufigen Absprachen und Zwischenschritten, die dann wieder zurückgeführt wurden, beendet. Drei Minis terien waren beteiligt: das Innen-, das Umwelt- und das Fi nanzministerium. Von den Briefverkehren aus dem Innen- und dem Umweltministerium sind zahlreiche Vermerke in den Ak ten, die wir eingesehen haben, dokumentiert.

Einzig das Finanzministerium schweigt. Kein einziger Brief findet sich in den Unterlagen, keine Mail und keine Telefon notiz. Die beiden anderen Ministerien kommunizieren auf Mi nisterebene mit dem Finanzstaatssekretär. Der Finanzminis ter weiß von nichts – und dies vor dem Hintergrund der öf fentlich immer wieder dokumentierten Zusammenarbeit der Herren Fleischer und Stächele, eng verbunden auch durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur Region.

Es gab viele gemeinsam besuchte Ortstermine und viele ge meinsam besuchte Weinfeste.

(Unruhe bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was ist da getrunken worden? Ist da Kieseler de getrunken worden? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Wasser!)

Niemals ist dabei über die Initiative des Staatssekretärs ge sprochen worden. Nie wurde über die kontroverse Einschät zung mit den anderen Ministern gesprochen. Das kann ich kaum glauben.

Dennoch – das steht fest – sind keine schriftlichen Belege vor handen. Was heißt das aber? Ist jemand nicht verantwortlich – obwohl er an höchster Stelle Verantwortung trägt –, weil er etwas nicht gewusst hat? Nein, natürlich nicht. Zur Verant wortung gehört an erster Stelle, informiert zu sein. Informa tionen begründen das notwendige Handeln. Finanzminister Stächele hat sich nicht gekümmert. Er hat den Kopf in den Sand gesteckt und seinen Staatssekretär gewähren lassen.

Herr Minister, Sie haben zugelassen, dass Ihr Staatssekretär das Heft des Handelns in die eigenen Hände nahm und sich über Jahre hinweg mit seiner Hinhaltepolitik durchsetzen

konnte. Sie haben zugelassen, dass Ihr Staatssekretär den Bun desverkehrsminister in die Warteschleife schickte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wie geht das?)

Sie haben zugelassen, dass er unverfroren die örtlichen Kies unternehmen protegiert hat.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt hört es aber langsam auf!)

Sie haben zugelassen, dass dem Land durch Verschleppung und Verzögerung der längst fälligen Entscheidung ein finan zieller Schaden von 750 000 € entstanden ist.

Damit sind Sie weder Ihrer Ressortverantwortung gerecht ge worden noch Ihrer Führungsaufgabe als Vorgesetzter des zu rückgetretenen Staatssekretärs Fleischer. Sie haben schlicht und einfach Ihren Job nicht gemacht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Heiterkeit bei Abge ordneten der CDU)

Wir müssen Ihre Entlassung fordern, weil Sie keine Verant wortung übernehmen wollten, weil Sie offensichtlich einfach nicht regieren wollen. Die Entlassung aus dem Amt zeichnet diese Wahrnehmung der Ressortverantwortung nach. Wir hof fen, damit ein Zeichen zu setzen, damit sich derartige Vorgän ge nicht wiederholen.

Ich will es dabei aber nicht belassen. Denn so verheerend das Nichtwirken des Finanzministers in dieser Affäre gewesen ist und so berechtigt seine Entlassung aus dem Amt ist: Die „Kies-Affäre“ und das Handeln der unterschiedlichen Akteu re der Regierung Mappus ist auch ein Lehrstück über das Sys tem CDU in Baden-Württemberg.

(Unruhe bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eijeijei!)

Längst sind für Sie die Grenzen zwischen Land und Partei ver schwommen. Nach 50 Jahren Regierungstätigkeit glauben Sie wirklich daran, dass CDU und Baden-Württemberg ein und dasselbe sind.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Transparenz, klare Kompetenzen, Zuständigkeiten und Ver antwortlichkeiten,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

selbst die Grundsätze eines geordneten Regierungshandelns sind Ihnen komplett abhandengekommen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Diese Partei versteht sich als „Regierung auf immer“ und ist zu einem eigenen System innerhalb des Landes geworden, zu einer Regierungspartei, die nach eigenen Regeln agiert.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: So ein Schmarrn! – Abg. Peter Hauk CDU: Das müssen selbst Sie ab lesen, weil Sie das sonst nicht hinbekommen! – Hei terkeit bei Abgeordneten der CDU)

Nur deshalb konnten sowohl Fleischer als auch Stächele so agieren. Sie haben nichts anderes getan, als sich im System CDU zu bewegen. Sie sind Ausdruck einer CDU, die sich durch viel zu langes Regieren verselbstständigt hat und sich gewissermaßen als Staat im Staate versteht.

Herr Fleischer ist nicht mehr in der Regierung. Wir beantra gen die Entlassung von Finanzminister Stächele. Vor allem aber wird es höchste Zeit, dass diese Regierung nach viel zu langer Zeit abgelöst wird. Wir werden alles dafür tun, dass dies am 27. März 2011 passiert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Viel Erfolg! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gott schütze Baden-Württem berg!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hauk das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Es mutet schon etwas seltsam an,

(Abg. Thomas Knapp SPD: Was?)

dass ein Thema vonseiten von Grün und Rot zunächst einmal monatelang behandelt wurde, dann abgeschlossen wurde und dann kurz vor der Sommerpause auf einmal ein Pamphlet

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Paukenschlag! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ein Abschluss bericht, kein Pamphlet!)

mit dem Namen „Abschlussbericht“ ganz dramatisch hier in diesem Haus durch die Gänge flattert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nur der Vollständigkeit halber einiges festhalten.

Erstens: Herr Kollege Fleischer ist nicht zurückgetreten,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wurde! – Abg. Reinhold Gall SPD: Flucht!)

sondern Kollege Fleischer hat im Zuge der Regierungsneubil dung erklärt, dass er für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung steht.

(Lachen bei der SPD und den Grünen – Abg. Rein hold Gall SPD: Er verlässt das sinkende Schiff! Er ist auf der Flucht! – Unruhe)

Das zum einen.

Zum Zweiten erwarte ich von einem engagierten Abgeordne ten, dass er sich für die Interessen seines Landes, für die In teressen unseres Landes Baden-Württemberg einsetzt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Ich erwarte aber auch die tiefe Kenntnis über die Wirtschafts region, aus der er kommt.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: „Kies 21“!)

Ich erwarte auch, dass er diese Interessen seiner Region als Lobbyist im besten Sinn des Wortes entsprechend vertritt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nicht gegen die Interessen des Landes!)

Ich weiß, Herr Kollege Schmiedel, vor allem aber auch Herr Kollege Kretschmann,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Nicht gegen die Interes sen des Landes!)

dass Sie sich nicht aus den Wahlkreisen heraus definieren. Das ist der große Unterschied.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Abg. Reinhold Gall SPD: Lächer lich!)

Es mag auch deshalb so sein, Frau Kollegin Mielich, dass wir jetzt über 50 Jahre hinweg den Ministerpräsidenten stellen, weil wir eben in unseren Wahlkreisen den Menschen verhaf tet sind, den Menschen nah sind, aber damit auch die wirt schaftlichen Interessen entsprechend vertreten.