Protocol of the Session on July 28, 2010

Sie haben die Diagnosefähigkeit angesprochen. Sie haben ge sagt, die Lehrkräfte müssten Brücken zur frühkindlichen Bil dung und zu den weiterführenden Schulen schlagen können. Wir wissen, dass die interkulturelle Kompetenz ganz wichtig ist und in Zukunft sogar noch wichtiger sein wird. Wir brau chen noch mehr Medienkompetenz, auch in den Grundschu len; Sprachkompetenz sowieso, Projektkompetenz – was es da alles an komplizierten Begriffen gibt.

Sie haben auch gesagt, dass die angehenden Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft zwei Semester in die Praxis gehen.

Wenn man das alles jetzt hört, fragt man sich: Haben die jun gen Leute genügend Zeit, um all das zu lernen und um ihren Beruf wirklich profund anzugehen? Könnten Sie vielleicht et was dazu sagen, ob das alles in diese acht Semester hinein passt?

Danke schön.

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident, sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich darf eine kleine Berichtigung vornehmen. Ich habe vorhin da von gesprochen, dass im ersten Semester ein zweiwöchiges Orientierungspraktikum stattfindet und dann im dritten oder vierten Semester ein ganzes Praxissemester, sodass es sich nicht einfach addiert, sondern dass es ein Praxissemester plus einige verpflichtende Wochen gibt. Ich hoffe, darüber hinaus gibt es auch freiwillige Praxiswochen.

Sie haben angesprochen, dass sich das Lehramt heutzutage in einem Fadenkreuz von Qualifikationsanforderungen befindet und die Erwartungen an die Ausübung der Tätigkeit in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Sie haben Kompetenz bereiche angesprochen. Ich glaube, hieraus resultiert unmit telbar die Notwendigkeit der Verlängerung des Studiums auf acht Semester und im Bereich der Sonderpädagogik auf neun Semester.

Aber ich will gleichzeitig hinzufügen: Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass die Erwartungen und die Anfor derungen, die sich an Schule richten, nicht ins Unermessliche gesteigert werden können. Wir können uns nicht als heimli che Agenda vornehmen, das Studium dann demnächst auf neun, zehn, elf oder zwölf Semester zu verlängern. Das heißt, dass wir einerseits die gestiegenen Anforderungen anerken nen und abbilden und die Lehrer dafür ordentlich ausbilden müssen, auf der anderen Seite aber auch Grenzen von Schu le immer wieder deutlich machen müssen – nicht, dass uns die Interessenten am Lehramtsstudiengang noch verloren gehen, weil sie sich im Fadenkreuz der Erwartungen ein bisschen überfordert sehen.

Vielen Dank, Frau Mi nisterin. – Ich sehe keine weiteren Fragen.

Wir kommen jetzt zum zweiten Teil der Regierungsbefragung. Ich darf für die Fraktion GRÜNE Herrn Kollegen Oelmayer für die zu stellende Frage das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Die Bewährungs- und Gerichtshilfe ist u. a. mit der Intention der Kostenreduzierung auf einen freien Trä ger übertragen worden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! Das ist auch gut so!)

Die Erwirtschaftung einer Effizienzrendite – Kollege Kluck, wenn Sie wissen, was das ist – von 10 bis 15 % war die Ziel vorgabe dieser Übertragung.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Laut Denkschrift des Rechnungshofs – gerade veröffentlicht – führt diese Vergabelösung, also die Übertragung der Bewäh rungs- und Gerichtshilfe des Landes auf einen freien Träger, in den nächsten zehn Jahren zu Mehrkosten von immerhin 46,8 Millionen €.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aber auch zu mehr Qualität! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaub lich!)

Fakt ist, dass das Justizministerium mit der Übertragung die erstrebten Wirtschaftlichkeitsvorteile offensichtlich nicht re alisiert hat.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Abwarten!)

Da stellen sich zwei Fragen.

Die erste Frage ist: Was veranlasste das Justizministerium, bei einem Projekt mit einem Finanzvolumen von 250 Millionen €, keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nach § 7 der Landes haushaltsordnung durchzuführen und Hinweise des Rech nungshofs nicht zu beachten?

Die zweite Frage ist: Beabsichtigen Sie, Herr Minister, auf grund dieser jetzt mit der Denkschrift des Rechnungshofs vor liegenden Fakten – ich kenne Ihre Antwort –

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Warum fra gen Sie dann?)

in Anbetracht dieser Mehrkosten für das Land der Empfeh lung des Rechnungshofs zu folgen und den Vertrag mit der NEUSTART gGmbH zum 31. Dezember 2011 zu kündigen?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nein! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenn das so wichtig ist, wo ist dann der Rechnungshof? Er müsste eigent lich hier sein! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Durch ihre Abwesenheit konterkarieren sie das!)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Justizminister Professor Dr. Goll das Wort.

Herr Präsident, wie lange darf ich denn reden?

Sie haben jeweils fünf Minuten pro Antwort Zeit. Genauso wie das Parlament drei Minuten lang fragen darf, dürfen Sie immer fünf Minuten lang darauf antworten, aber nicht mehr.

Dann wären das also zehn Minuten.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt aber langsam los!)

Ich freue mich, dazu etwas sagen zu können. Ich versuche auch, es in zehn Minuten zu tun, obwohl es natürlich ein wich tiges Handlungsfeld des Landes ist.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sie haben nur fünf Minuten!)

Fünf Minuten pro Frage; es sind doch zwei Fragen.

Herr Minister, dann muss ich es klarstellen: Pro Wortmeldung sind immer fünf Mi nuten Zeit für die Antwort der Regierung, egal, ob es nun ei ne, zwei, drei oder vier Fragen sind. So ist die Regelung bis her.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir können der FDP die Regelung ja zustellen, damit die wissen, wie es geht, nach einem Jahr!)

Bitte, Herr Minister.

Jetzt läuft die Zeit allerdings schon, bevor ich irgendetwas gesagt habe.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Vielleicht geht es dafür schneller! – Zurufe – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Ruhe da hinten!)

Ich sage vorweg: Ich glaube, dass jeder, der bereit ist, einzu sehen, was mit der Bewährungshilfe in diesem Land passie ren muss, am Ende meine Meinung teilt, dass wir bei Weitem den günstigsten Weg eingeschlagen haben.

Ich nenne jetzt erst einmal die Überschriften. Der Ansatz des Rechnungshofs ist für mich nicht nur schief, sondern er ist für mich als Minister, der für ein bestimmtes Feld verantwortlich ist – in diesem Fall für die Bewährungshilfe –, fast eine Zu mutung. Der Rechnungshof – das wird nicht einmal abgestrit

ten – leugnet seinerseits und ignoriert jeden Reformbedarf in der Bewährungshilfe.

Versetzen wir uns zurück in das Jahr 2004. Da musste man überlegen: Wie soll es mit der Bewährungshilfe weitergehen? Entweder war sie zukünftig beim Staat anzusiedeln oder bei einem freien Träger. Aber klar war: So, wie es war, konnte es nicht weitergehen. Das ist bundesweit anerkannt. Die Bewäh rungshilfe war in einem reformbedürftigen Zustand, sie war personell am Absaufen. Aber der Rechnungshof nimmt die tatsächlichen Kosten des Jahres 2004 als Maßstab – was für mich eigentlich unmöglich und irgendwo auch unredlich ist. Aber selbst bei diesem Vergleich schneiden wir nicht einmal schlecht ab.

Was damals schlecht war und was heute viel besser ist, kann ich Ihnen gern nachher ausführlicher schildern.

Zweitens: Der Rechnungshof ignoriert eine tatsächliche Ent wicklung. Wir haben eine Zunahme der Unterstellungen al lein von 2009 bis 2010 um 20 %. Wie hätten wir diese Stei gerung denn abfangen wollen, wenn dies beim Land verblie ben wäre? Der freie Träger fängt dies sehr gut ab, und zwar im Rahmen der vorhergesagten Kosten.

Jetzt komme ich zum dritten Punkt: Selbst wenn man den An satz des Rechnungshofs teilt – der Vergleich ist jedoch un möglich, weil nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden dür fen –, stimmt die Rechnung nach unserer Meinung nicht. So erreichen wir bei den Sachkosten bald den Punkt, an dem deutlich wird, dass die Lösung durch den freien Träger billi ger ist als die durch das Land. In der ersten Phase haben wir dem Träger zwar mehr bezahlt, als wir faktisch an Sachkos ten gehabt hätten, weil ja Investitionen anfielen, aber in der zweiten Phase bekommt er weniger, als diese Aufgabe bei uns an Kosten verursachen würde.

Woher kommen die Unterschiede in der Rechnung? Diese Un terschiede kommen natürlich dadurch zustande, dass Gemein kosten – allgemeine Kosten, die in der Verwaltung anfallen – auf das Gebiet der Bewährungshilfe umgelegt werden müs sen. Das kann man natürlich so oder so rechnen. Da gibt es einen bestimmten Spielraum. Aber – Verzeihung – wir haben unsere Rechnung, dass beispielsweise 2004 die Bewährungs hilfe das Land 4,9 Millionen € gekostet hat – das ist nicht die Welt –, gemeinsam mit dem Finanzministerium gemacht und dies gründlich geprüft. Deswegen halte ich die Zahl schon für belastbar.

Aber man kann die Landeskosten natürlich auch künstlich he runterrechnen. Wie man das macht, sieht man z. B. beim Per sonal. Der Rechnungshof sagt: Da waren acht Personalstel len, die Aufgaben im Rahmen von „Schwitzen statt Sitzen“ übernommen haben. „Schwitzen statt Sitzen“ ist aber nicht auf den freien Träger übergegangen. Nach dieser Rechnung wäre die Landeslösung um acht Stellen billiger gewesen. Aber wie realistisch ist das denn? Die acht Leute sind doch da. Sie sind jetzt beim freien Träger und arbeiten für den Täter-Op fer-Ausgleich, und zwar sehr erfolgreich. Aber diese Leute hätte man natürlich auch behalten können; sie sind ja Beam te. So kann ich ein staatliches Modell künstlich gutrechnen. Wie das passiert ist, das hat uns schon irritiert.

Eigentlich müsste es jeder begreifen: Es geht um Personal kosten, es geht um Sachkosten, und es geht um Raumkosten,

um Kosten für Gebäude. Die Personalkosten können nicht steigen, weil wir immer weniger Personal haben. Wir zahlen hierfür einen Ausgleich. Aber es kann eben nicht mehr wer den. Bei den Sachkosten sind wir der gut begründeten Auffas sung, dass diese schon jetzt unter die Ausgaben sinken, die beim Land entstanden wären.

Bezüglich der Raumkosten gibt es auch noch etwas Interes santes zu erzählen. Als wir verhandelt haben, kam der freie Träger auf mich zu und sagte: „Hört einmal, wir werden jetzt genötigt, in Räumlichkeiten des Landes einzuziehen.“ Das ist richtig; das Finanzministerium hat unsere Rechnungen immer kontrolliert, und das FM hatte ein auch für mich begreifliches Interesse, dass wir vorhandene Liegenschaften des Landes nutzen. Der Geschäftsführer des freien Trägers hat dabei je doch betont: „Uns wird hier eine teurere Lösung aufgezwun gen. Wir wollen an dieser Stelle nur sagen, dass es, wenn wir selbst so hätten vorgehen dürfen, wie wir wollten, billiger ge wesen wäre.“

Ich bin auch der Meinung, dass es sinnvoll ist, Liegenschaf ten des Landes zu nutzen. Aber wenn der freie Träger zu Recht sagt, das sei aufwendiger, dann müssen wir auch das zur Kenntnis nehmen. Wir haben dafür einen Vorteil: Die Liegen schaften sind genutzt. Aber dass gerade an dieser Stelle der Rechnungshof hinterher einhakt und sagt, die Raumkosten seien höher gewesen, ist eigentlich auch nicht in Ordnung.

(Beifall bei der FDP/DVP)