Protocol of the Session on July 28, 2010

Die spannendste Erfolgsgeschichte im Kampf gegen die Kri se schreibt aber der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg. Hier haben wir alle gemeinsam etwas ganz Erstaunliches geschafft: Nach dem härtesten Rückschlag, den die Weltwirtschaft in 80 Jahren erlitten hat, liegt die Arbeitslosenquote in Baden-Würt temberg heute bei 4,7 %. Das ist der tiefste Wert seit Januar 2009. Die Quote liegt damit auf Vorkrisenniveau.

Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in dem die Arbeitslosigkeit im Juni im fünften Monat in Folge gesunken ist. Kein anderes Bundesland in Deutschland hat in diesem Jahr eine so günstige Entwicklung genommen wie BadenWürttemberg.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber nicht wegen der Landesregierung! – Gegenruf: Doch!)

Die Zahl der offenen Stellen steigt wieder spürbar an. Der An teil der Kurzarbeit ist landesweit in den ersten fünf Monaten des Jahres 2010 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vor jahrs um rund 90 % zurückgegangen. Einige Unternehmen wie ZF in Friedrichshafen verzichten wegen der guten Auf tragslage auf geplante Stellenstreichungen.

(Ministerpräsident Stefan Mappus)

Und – was mir besonders am Herzen liegt – die Jugendarbeits losenquote liegt aktuell bei 3,2 %, also so niedrig wie vor der Krise im Juni 2008.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, das zeigt: Gerade die Talente und Chancen junger Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt Fuß fas sen wollen und die motiviert ins Leben starten, werden nicht zu leichten Opfern der Krise. Das ist für mich eine besonders wichtige und besonders ermutigende Feststellung.

Wir können mit Recht sagen: Die schwerste Wirtschaftskrise seit der Gründung des Landes bleibt in Baden-Württemberg ohne dauerhafte negative Folgen für den Arbeitsmarkt. Das ist keine Selbstverständlichkeit; denn wenn man einmal über die Landesgrenzen hinausblickt, so zeigt sich folgendes Bild: EU-weit stieg die Arbeitslosenquote von 6,9 % vor der Krise auf 9,6 % im Mai dieses Jahres. Großbritannien erlitt im glei chen Zeitraum einen Anstieg der Arbeitslosenquote von rund 5 % auf zuletzt knapp 8 %. In den USA hat sich die Arbeits losenquote von 5 % im April 2008 auf 9,7 % im Sommer die ses Jahres sogar fast verdoppelt.

Ich bin deshalb dankbar für jede Stelle in Baden-Württem berg, die nicht gestrichen wird, und für jeden einzelnen Ar beitsplatz, der gesichert werden konnte. Ich bin dankbar für jede Familie, die ihr Einkommen behalten hat, die bei allen Unsicherheiten und Einschränkungen weiter die Raten für das Haus und die Beiträge für die Sportvereine der Kinder bezah len konnte. Ich bin weiter dankbar für jeden Betrieb, in dem flexible Lösungen gefunden wurden, um die Krise zu über brücken.

Meine Damen und Herren, auf das, was Betriebsräte, Unter nehmen und Beschäftigte in diesen Monaten zusammen ge leistet und erreicht haben, können wir stolz sein. Ich möchte vor allem den Tarifpartnern, die in der Krise unglaublich ver antwortungsvoll vorangegangen sind, am heutigen Tag ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Unternehmen haben sich vorbildlich verhalten. Die Firma Trumpf hat allein im November und im Dezember 2009 am Stammsitz Ditzingen und im Werk Hettingen auf der Schwä bischen Alb rund 24 000 Stunden für Qualifizierungsmaßnah men in der Krise aufgewendet. So konnte die technologische Spitzenstellung in der Krise behauptet werden.

Arbeitgeber und Gewerkschaften haben in gemeinsamer Ver antwortung Beschäftigung gesichert, wirtschaftliche Substanz erhalten und vor allem wertvolles Know-how bewahrt.

Meine Damen und Herren, das ist unser baden-württembergi sches Modell echter Sozialpartnerschaft, ein Wert, der weiter trägt als kurzfristiges Kostendenken und glänzende Quartals zahlen. Dieser Wert gehört zum Stammkapital unserer Er folgsbilanz in Baden-Württemberg. Wir wissen, was wir dar an haben.

Richtig ist auch – auch das darf einmal gesagt werden –: Die Politik in Bund und Land war im Kampf gegen die Krise er folgreich und hat vieles richtig gemacht. Das neue „Wirt

schaftswunder“, wie die Zeitungen jetzt titeln, hat durchaus ganz konkrete Ursachen, und diese liegen nicht zuletzt in gu ten politischen Entscheidungen.

Nach einer Studie von Ernst & Young bewerten internationa le Industriemanager die deutsche Politik im Kampf gegen die Krise besonders positiv. Das ist in erster Linie das Verdienst der Bundesregierung, namentlich von Bundeskanzlerin An gela Merkel,

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Ursula Haußmann: Oje!)

und nicht zuletzt auch der verantwortungsvollen Zusammen arbeit in der Großen Koalition und in der jetzigen christlichliberalen Koalition.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho mas Knapp SPD: Die Liebesheirat! – Abg. Reinhold Gall SPD: Die zweite Halbzeit war wichtiger! Da war die FDP dabei! Das war das Problem!)

Mit der Kurzarbeit haben wir Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet. Mit den Konjunkturpaketen von Bund und Land ha ben wir Aufträge für Handwerk und Industrie gesichert und in unsere Infrastruktur investiert.

Meine Damen und Herren, mit der Entlastung von Millionen Familien haben wir in der Krise die Kaufkraft gestärkt und den Konsum gefördert. Eine vierköpfige Familie mit Durch schnittsverdienst hat in diesem Jahr 1 062 € mehr in der Ta sche als im Jahr 2009.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist Sozialpolitik! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Libe rale Sozialpolitik! – Unruhe)

Dabei war mir besonders wichtig – das darf man vielleicht auch einmal sagen –, gemeinsam mit der SPD in der Großen Koalition in den überfälligen Abbau der kalten Progression eingestiegen zu sein.

(Vereinzelt Beifall)

Meine Damen und Herren, wir wollen dies, sobald es geht, fortsetzen, auch wenn sich der abhandengekommene Partner in der Zwischenzeit daran nicht mehr erinnern will.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wir werden diesen Kurs fortsetzen, weil er richtig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Mit dem Doppelhaushalt 2010/2011 ist es trotz der Krise ge lungen, die Ausgaben zu verstetigen. Wir haben bewusst nicht in die Krise hinein gespart, womit wir Krisenfolgen verschärft hätten, sondern wir haben die Ansätze fortgeschrieben und da mit die wirtschaftliche Situation stabilisiert. Nicht zuletzt ha ben wir mit staatlichen Bürgschaften und Eigenkapitalpro grammen dafür gesorgt, dass die Unternehmen nicht in eine Kreditklemme geraten.

Das Krisenmanagement in Deutschland gilt mittlerweile rund um den Globus als mustergültig. Die Welt beneidet uns um

diese Politik, mit der wir den Kampf gegen die Krise gut be standen haben.

Aber, meine Damen und Herren, jetzt geht es darum, Wachs tum, Wohlstand und Arbeitsplätze in Baden-Württemberg langfristig zu sichern. Wir haben dafür die Voraussetzungen und die Potenziale, eine sehr gute Forschungs- und Innovati onslandschaft und die breite Verankerung von wachstumsstar ken Zukunftsbranchen überall im Land.

Als ersten Schritt müssen wir aber zunächst die Finanzierung des Aufschwungs sichern. Die Unternehmen brauchen jetzt viel frisches Geld, um einzukaufen, um ihre Lager aufzufül len, um ihren steigenden Forderungsbestand zu finanzieren.

Umfragen zufolge sagt nur eines von fünf nicht börsennotier ten Unternehmen in Deutschland, dass es zurzeit keine Finan zierungsengpässe gebe. Um dem zu begegnen, habe ich als eine der ersten Entscheidungen meiner Regierung ein Sofort programm gestartet, mit dem wir die Kreditversorgung des Mittelstands in Baden-Württemberg gerade im anziehenden Aufschwung wirksam sichern.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da greift aber niemand zu! – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Diese Angebote kommen bei der Wirtschaft an, werden nach gefragt und helfen. So hat die Nachfrage nach Eigenkapital finanzierungen aus dem L-EA Mittelstandsfonds im Jahr 2010 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs deutlich zu genommen. Das Antragsvolumen ist von 150 Millionen € auf knapp 200 Millionen € angestiegen. Deshalb haben wir das Volumen dieses Fonds im März von 350 Millionen € auf 500 Millionen € erhöht.

Aber wir müssen gemeinsam mit der Wirtschaft auch die Fra ge stellen, wo und wie wir in den nächsten zehn Jahren einen substanziellen Wachstumsgewinn erreichen können, damit Ba den-Württemberg weiter spitze bleibt.

Unsere Unternehmen haben viel Erfahrung damit, sich neue Geschäftsfelder zu erarbeiten, den technologischen Wandel zu gestalten und Innovationsentwicklungen anzuführen. Bei spiele dafür gibt es in allen Bereichen und Regionen. Vor we nigen Tagen war ich bei der Groz-Beckert-Gruppe in AlbstadtEbingen. Das Unternehmen kommt aus der klassischen Tex tilindustrie auf der Schwäbischen Alb. Aus der Stricknadelfa brik von einst hat sich ein Hightechhersteller von Präzisions teilen entwickelt, die u. a. zum Aufbau komplexer Multichip module in der Mikroelektronik benötigt werden. 70 Millio nen € hat Groz-Beckert in der Krise am Stammsitz Albstadt in ein neues Technologiezentrum investiert.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Respekt!)

Im Nachbarort Lautlingen wird gerade eine besonders filigra ne Brücke über die Bundesstraße 463 geschlagen. Sie wird aber nicht von Stahl, sondern von einer neuartigen textilen Bewehrung getragen. Darin, meine Damen und Herren, steckt innovatives Know-how von Groz-Beckert.

Erfolgs- und Innovationsgeschichten wie diese markieren un seren einzigartigen Baden-Württemberg-Weg. Diese beson dere Fähigkeit müssen wir in den nächsten Jahren noch stär ker nutzen, um auf Dauer unseren Stammplatz als Spielma

cher in der immer dynamischeren Aufstellung des globalen Wettbewerbsgeschehens zu behaupten.

Die Fußballweltmeisterschaft, meine Damen und Herren, hat gezeigt: Nur wer heute ständig in Bewegung bleibt, erarbei tet sich auch Chancen für die Zukunft. Gerade wenn wir eine Gesellschaft mit einer starken Mitte bleiben wollen, eine Ge sellschaft, in der Chancen und Wohlstand für alle erreichbar bleiben, dann müssen wir diejenigen sein, die Bewegung ins Spiel bringen und die die entscheidenden Pässe spielen.

Diese Beweglichkeit, diese Mobilität, durchaus in einem um fassenden gesellschaftlichen Sinn, sehe ich als Schlüsselbe griff und als Schlüsselaufgabe für die Politik der nächsten Jah re an.

Mobilität in der Wirtschaft heißt: Wir werden uns noch stär ker, als wir es ohnehin tun, auf neue Wachstumsbranchen und Wachstumsmärkte zubewegen müssen.

Ich habe in meiner Regierungserklärung am 10. März ange kündigt, ein grundlegendes Expertengutachten zu den zukünf tigen Wachstumschancen des Landes erstellen zu lassen. Die ses Gutachten von McKinsey und vom Institut für Angewand te Wirtschaftsforschung Tübingen liegt seit letzter Woche vor. Vier große Wachstumsfelder sind es, die in den kommenden Jahren ein dauerhaftes überdurchschnittliches Wachstumspo tenzial versprechen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Hört, hört!)

Diese vier Wachstumskerne bestehen aus den Themenfeldern „Nachhaltige Mobilität und automobile Zukunft“, „Umwelt technik und Ressourceneffizienz“, „Gesundheit und Pflege“ sowie „IT-Dienstleistungen und -Systeme“.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Sagen wir doch! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Alles grün!)