Protocol of the Session on July 28, 2010

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5:

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE – Entlassung des Ministers für Finanzen Herrn Willi Stä chele MdL – Drucksache 14/6726

dringlich gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 3 GeschO

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein solcher Antrag bedarf nach § 56 unserer Geschäftsordnung der Unterstützung durch ein Viertel der Mitglieder des Landtags oder durch zwei Frak tionen.

Nachdem der vorliegende Antrag Drucksache 14/6726 von zwei Fraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion GRÜ NE, eingebracht wurde, sind die formalen Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieses Antrags erfüllt.

Die Fraktionen sind übereingekommen, für die Begründung eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorzusehen.

Wer wünscht das Wort zur Begründung des Antrags? – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Schmiedel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der offizielle Abschlussbericht zur „CDU-Kies-Affäre“ weist zweifelsfrei nach, dass der Abgeordnete Fleischer im Rahmen seiner Ab geordnetentätigkeit auch im Auftrag der Kies- und Schotter industrie tätig wurde.

Diese Tätigkeit im Auftrag der Kies- und Schotterindustrie wurde von allen seitherigen Umweltministern des Landes, be ginnend bei Umweltminister Schaufler über Müller bis hin zu Mappus, unterstützt –

(Zuruf des Abg. Jochen Karl Kübler CDU)

mit unterschiedlicher Intensität, aber immer so, dass man zu sammensaß und zusammen besprach, was man tun könnte, um die in der Heimatregion Fleischers

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Herrn Fleischers! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

angesiedelte Kiesindustrie zu unterstützen. Insofern war allen bekannt, dass Herr Fleischer im Rahmen seiner Abgeordne tentätigkeit auch die Kies- und Schotterindustrie vertrat.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

Sogar die Ministerien waren informiert; das weisen die Akten nach. Deshalb zitiere ich aus einem Brief vom 10. Februar 2003, in dem sich Herr Fleischer bei Umweltminister Müller beschwert, dass man doch wisse – jetzt wörtlich –,

dass ich im Auftrag der ISTE einzuschalten sei und als Abgeordneter federführend tätig bin und keine Gesprä che an mir vorbeilaufen dürfen.

Im gleichen Schreiben heißt es weiter unten:

... dass schließlich allen Mitarbeitern und Dienststellen bekannt ist, dass ich in den letzten Jahren zugleich im Auf trag der ISTE bei Gesprächen auf Fachebene dabei sein muss.

Das, was er für sich reklamiert, dass nichts an ihm vorbeige hen darf, auch nicht fachliche Gespräche zwischen den Äm tern, wird respektiert.

Sorry, das war ein Ver sehen. Das waren aber untergeordnete Chargen, die da mitei nander gesprochen haben. Das wird künftig berücksichtigt. Der Abgeordnete Fleischer ist im Rahmen seiner Auftragsar beit für die Kies- und Schotterindustrie überall dabei.

Dass jemand, der – sogar aktenkundig im Ministerium hinter legt –, wenn er aus seiner Abgeordnetenrolle ins Regierungs amt kommt, im Finanzministerium als Staatssekretär tätig ist, ausgerechnet federführend mit dem Thema Hochwasserschutz und der Umsetzung des Hochwasserschutzes in Baden-Würt temberg beauftragt wird, dann plötzlich neutral sein soll, das kann doch überhaupt niemand annehmen. Wir hätten erwar tet – jeder in diesem Haus hätte das eigentlich erwarten müs sen –, dass jemand, der einer solchen Verpflichtung unterliegt, Regierungsgeschäfte nicht neutral wahrnehmen kann, sondern dass im Gegenteil ein anderer mit diesem Thema beauftragt

werden kann. Aber noch heute wird es von Ihnen als selbst verständlich betrachtet, dass Herr Fleischer als Staatssekretär federführend im Finanzministerium für dieses Thema zustän dig war und das Projekt über Jahre blockiert hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es ist heute nicht der Tag, an dem man das ganze Thema in aller Breite aufarbeiten kann.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Schade! – Weitere Zurufe)

Heute geht es darum, ob es in einem Ministerium in BadenWürttemberg eine Ministerverantwortung gibt oder ob es die se nicht gibt. Es kann doch nicht wahr sein, dass der Minis terpräsident des Landes Baden-Württemberg auf den Streit zwischen dem Umweltministerium und dem Finanzministe rium, der aktenkundig in Berlin geführt wurde, weil die Vor gänge nicht vorankamen, durch einen Brandbrief aus Berlin aufmerksam gemacht wird, in dem es sinngemäß heißt: Jetzt wird es aber Zeit, dass ihr in die Puschen kommt und dass wir einen Staatsvertrag unterzeichnen, damit der Hochwasser schutz in Baden-Württemberg vorankommt und wir die Ge schiebemenge zur Verfügung haben.

Der Ministerpräsident erklärt, erst durch diesen Brief aus Ber lin habe er erfahren, welche Zwistigkeiten zwischen dem Um weltministerium und dem Finanzministerium vorhanden sei en, was dazu geführt habe, dass im Kabinett nicht darüber ent schieden worden sei.

Wenn dem so ist, dass der Ministerpräsident nichts davon er fährt, dann muss man sich schon fragen: Wer ist denn der Nächstzuständige, der davon erfahren muss? Das ist doch der zuständige Minister. Ein Staatssekretär hat doch keine eigen ständige Verantwortung für das Haus, sondern diese hat noch immer der Minister. Der Minister leistet hier einen Amtseid, in dem er schwört, seine Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Eben!)

Seine Pflichten zu erfüllen heißt, sich um die Themen zu küm mern. Dabei geht es nicht um eine Kleinigkeit, sondern es geht um eine Kiesmenge von 50 Millionen t, also bei 30 € pro Ton ne um ein Milliardengeschäft. Da kann man doch nicht ein fach sagen: „Das hat mich nie erreicht; ich war nie zuständig; ich musste mich nie darum kümmern, weil man mir nie etwas vorgelegt hat.“ Man kann doch nicht alles einem Staatssekre tär überlassen, von dem man wusste, dass er Aktien in diesem Geschäft hat, sich selbst heraushalten und sich dann wundern, dass nichts zustande kommt und sagen: „Ich aber wasche mei ne Hände in Unschuld, weil ich ja nie damit befasst war.“

Wir erwarten von einem Minister in Baden-Württemberg, dass er sich aus eigenem Antrieb um die wesentlichen Themen kümmert und sich hinterher nicht herausredet nach dem Mot to: Ich habe ja gar nichts gewusst, also habe ich nichts falsch gemacht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Herr Ministerpräsident, wir werfen Ihnen im Zusammenhang mit der „Kies-Affäre“ kein Fehlverhalten vor. Sie haben sich

an den Gesprächen beteiligt. Das ist zunächst überhaupt nicht verwerflich.

(Heiterkeit bei der CDU und des Ministerpräsidenten Stefan Mappus – Zuruf von der CDU: Oh! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist aber gütig, Herr Schmiedel!)

Sagen wir es einmal so: Wenn jemand sagt, er sei als Abge ordneter gleichzeitig im Auftrag von ISTE tätig, und ein Mi nister nach dem anderen einen Staatssekretär zu Gesprächen führt, dann ist schon ein „Gschmäckle“ dabei. Das will ich schon sagen. Aber das betrifft jetzt nicht ihn.

Herr Mappus, Sie haben darauf hingewiesen, dass Recht und Gesetz einzuhalten sind, dass eine andere Lösung nicht mög lich ist. Das alles ist okay. Insofern können Sie heute aus die ser Affäre unbeschadet hervorgehen. Wenn Sie aber weiterhin behaupten, da sei nichts gewesen, es gebe keinen Grund zu handeln, es sei alles richtig und ordentlich gelaufen, dann bleibt diese „Kies- und Schotter-Affäre“ auch an Ihnen hän gen. Deshalb empfehlen wir, unserem Antrag zuzustimmen und Herrn Stächele heute von seinen Amtspflichten zu entbin den.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen bei der CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Thomas Knapp SPD: Keine andere Chance!)

Für die zweite antrag stellende Fraktion, die Fraktion GRÜNE, erhält Frau Abg. Mielich das Wort.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele Akteure am Ober rhein sind all die Jahre mit der „Kies-Politik“ und mit der „Kies-Affäre“ befasst gewesen. Viele Leute, die politische Verantwortung vor Ort tragen, waren damit beschäftigt.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

Viele Jahre lang lief diese kontroverse Debatte über das Für und Wider des Integrierten Rheinprogramms. Dabei spielte natürlich jedes Mal die Verwertung des anfallenden Kieses ei ne zentrale Rolle. Das alles wurde öffentlich diskutiert.

Alle zuständigen Minister waren am Oberrhein, haben Ge spräche immer mit demselben Ergebnis geführt: Wir nehmen die Sorgen der Bevölkerung zur Kenntnis, wir werden sie in unserem Herzen bewegen und anschließend entscheiden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! So ist es! Ge nau! Das haben Sie schön gesagt!)

Dabei wurde vonseiten des ehemaligen Staatssekretärs Flei scher deutlich formuliert, dass es nur unter ganz bestimmten Bedingungen zur Auskiesung kommen würde, nämlich dass der 90-m-Streifen nur als Gesamtlos, das heißt als Ganzes, an die Kiesunternehmen verteilt werden kann und dass etwaige Nachteile für die Gemeinden durch andere Ausschreibungs modalitäten durch das Land ausgeglichen werden müssen. Das bedeutet unterm Strich eine exklusive Behandlung der gesam ten regionalen Kiesindustrie.

Herr Fleischer hat diese Forderung, die er aus politischen Zu sagen von den früheren Umweltministern Schaufler und Mül ler ableitete, auch mündlich öffentlich und immer massiv und mit Nachdruck vertreten, nie heimlich. Alle Umweltminister kannten Fleischers Forderung. Alle wussten, dass die Zusa gen nicht rechtsverbindlich waren. Alle wiesen darauf hin, dass eine Umsetzung der Zusagen 1 : 1, wie dies von Fleischer gewünscht wurde, rechtlich nicht möglich war. Minister Mül ler machte dazu Randbemerkungen auf Vermerken, Herr Map pus ließ eine Wirtschaftlichkeitsanalyse erstellen, und Frau Gönner ließ sich briefen, wie man die Forderung Fleischers argumentativ kontern konnte.

Aber alle ließen Fleischer gewähren. Frau Gönner duldete so gar, dass er ihre Kabinettsvorlage blockierte,

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)

und lotete mit dem ehemaligen Staatssekretär Fleischer Ver ständigungsversuche aus, obwohl die Geschäftsordnung der Landesregierung in § 5 vorschreibt, dass dies Aufgabe des Mi nisters ist.

Es gab über all die Jahre hinweg einen lebhaften Briefverkehr und viele Treffen. All das brachte kein Ergebnis. Alle Treffen wurden mit vorläufigen Absprachen und Zwischenschritten, die dann wieder zurückgeführt wurden, beendet. Drei Minis terien waren beteiligt: das Innen-, das Umwelt- und das Fi nanzministerium. Von den Briefverkehren aus dem Innen- und dem Umweltministerium sind zahlreiche Vermerke in den Ak ten, die wir eingesehen haben, dokumentiert.