Protocol of the Session on May 6, 2010

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Kleingeister!)

Dann stelle ich Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/6339 in der ursprünglichen Fassung zur Abstimmung. Wer diesem Abschnitt zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Ge genstimmen? – Enthaltungen? – Abschnitt II ist mehrheitlich angenommen.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Wirtschaftsministeriums – Den Flächenverbrauch im Land wirksam begrenzen – Drucksache 14/4209

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Wirtschaftsministeriums – Verbindliche Einführung von Baulückenkatastern – ein Beitrag zur Reduzierung des Flächenverbrauchs – Drucksache 14/4287

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung der Anträge unter den Buchstaben a und b je fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wo bei gestaffelte Redezeiten gelten.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Prewo für die Fraktion der SPD, bitte schön.

Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Der Flächenverbrauch ist seit über zehn Jahren in diesem Haus und auch im ganzen Land ein Thema – aber ein Ankündigungsthema. Es ist nichts oder so gut wie nichts erreicht worden, obwohl dessen Eindämmung spätestens seit der Zeit von Umweltminister Müller immer wieder als Ziel formuliert worden ist.

Eigentlich geht es nicht um Flächenverbrauch, sondern um die Zersiedelung unserer Landschaft; es ist also nicht nur ein physisches, sondern auch ein kulturelles Problem. Es geht um die Nutzung bisher freier Landschaftsfläche. Die Zahlen schwanken etwas: Es sind zwischen knapp 8 ha und gut 10 ha Fläche, die pro Tag im Land für bauliche Nutzungen ver braucht werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Nagold!)

Dabei gibt es Marktschwankungen und konjunkturelle Schwankungen – im Moment sind die Baukennzahlen leider wieder am Boden –; deswegen sind diese Zahlen 2009 wahrschein lich etwas zurückgegangen. 2008 waren sie ebenfalls schon stark rückläufig. Wir hatten im Land aber noch immer über 8 ha pro Tag an Flächenverbrauch.

Im Jahr 2009 hatten wir in Baden-Württemberg erstmals seit 22 Jahren wieder einen Bevölkerungsrückgang. In den voran gegangenen Jahren hatte es noch immer einen leichten Zu wachs gegeben; jetzt gibt es erstmalig einen Rückgang. Trotz dem wird der Flächenverbrauch weiter zunehmen.

Im Jahr 2006 hat der damalige Ministerpräsident Oettinger gesagt: So kann es nicht weitergehen. Wenn die Bevölke rungszahl in der Zukunft nicht mehr steigt, dann darf auch der Flächenverbrauch nicht mehr wachsen. Das hat sogar seinen Niederschlag in der Koalitionsvereinbarung gefunden. Die Realität sieht aber ganz anders aus.

Es ist auch leicht nachzuvollziehen, warum es bisher anders läuft. Stellen Sie sich einen Bürgermeister und einen Gemein derat in einer Gemeinde im ländlichen Raum vor, deren Be völkerungszahl bereits zurückgeht. Dieser Bürgermeister soll jetzt keine neuen Flächen auf der grünen Wiese mehr auswei sen. Es gibt aber nach wie vor junge Leute, die aus dem Haus ihrer Eltern ausziehen, selbst Geld verdienen und eine Fami lie gründen. Die wollen auch bauen. Und jetzt soll der Bür germeister zulassen, dass diese jungen Familien abwandern und woanders hingehen. Er soll keinen weiteren Flächenver brauch mehr zulassen.

Das wird er in der Regel nicht tun. Im Gegenteil: Im Moment beobachten wir, dass gerade Gemeinden mit tatsächlicher oder drohender Abwanderung von Bürgern erst recht Flächen auf der grünen Wiese ausweisen, damit sie ein Angebot machen können und sich in dieser ruinösen Konkurrenz zwischen den Gemeinden ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden kön nen. So sieht es in Wirklichkeit aus.

Der Flächenverbrauch hat aber eine noch weit schlimmere Konsequenz, nämlich die, dass in Dörfern, die nicht mehr wachsen und für die auf der grünen Wiese weitere Bauflächen ausgewiesen werden, die Dorfkerne ausbluten. Wir erleben und sehen schon heute über weite Strecken in ländlichen Ge bieten, dass die älteren Häuser in der Mitte der Gemeinden, in den Ortskernen oftmals und immer häufiger leer stehen.

Für die Gemeinde wird das dann immer teurer, denn die Stra ßen werden länger, wenn man immer weiter nach außen hin baut. Auch die Kanäle und Wasserleitungen werden immer länger; die Bevölkerungszahl aber wird dennoch immer ge ringer. Die Dörfer, die keine schönen Ortskerne mehr haben, werden weniger attraktiv. Das ist ein Teufelskreis, der sich da anbahnt. Dagegen muss man wirklich etwas tun.

Was tut die Landesregierung? Die Landesregierung redet nur; sie tut eigentlich gar nichts. Das Wirtschaftsministerium hat Anfang 2009 einen Erlass herausgegeben, sogenannte Hin weise zur Plausibilitätsprüfung der Bauflächenbedarfsnach weise. Davor gab es im Jahr 2007 eine Kabinettsentscheidung, dass man etwas tun müsse. Das Wirtschaftsministerium ist aufgefordert worden, einiges gegen den Flächenverbrauch zu tun. In der Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/4209, heißt es:

Abschließende Aussagen können derzeit noch nicht ge macht werden...

Das war im Jahr 2009. Heute, ein Jahr später, können solche Aussagen noch immer nicht gemacht werden.

Damals ging es lediglich um den Versuch, eine einheitlichere Genehmigungspraxis zu erreichen. Die Hinweise, die das Wirtschaftsministerium herausgegeben hat, sahen aber vor, dass auch dann, wenn in einer Gemeinde überhaupt kein Be völkerungswachstum mehr stattfindet, trotzdem noch jährlich 0,5 % zusätzliche Siedlungsfläche in der freien Landschaft in Anspruch genommen werden kann. Dies bedeutet 5 % mehr Siedlungsfläche im ganzen Land, wenn alle Gemeinden dies zehn Jahre lang so machen.

So geht es gerade weiter. Das ist das Mäuslein gewesen, das geboren wurde, als der Berg in der Regierung zu diesem The ma gekreißt hat. Dazu kommen dann noch der Gewerbebau

und die Verkehrsflächen. Auf diese Weise bekommen wir ei nen täglichen Flächenverbrauch in der Größenordnung von zehn Fußballfeldern.

Was aber ist passiert? Einige Gemeinden haben sich darüber geärgert, haben protestiert, zum Teil auch in den Regionalver bänden und in den Kreistagen. Sofort hat das Wirtschaftsmi nisterium auch diese schwächliche Maßnahme wieder zurück genommen und hat erklärt: „Nein, nein, so war es gar nicht gemeint; das sind nur unverbindliche Hinweise.“ So heißt es denn auch in der Stellungnahme der Regierung zum Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/4287, es handle sich keineswegs um eine Verwaltungsvorschrift.

Dabei war diese Vorschrift bereits wachsweich formuliert. Denn die Genehmigungsbehörden können solche Kriterien anwenden, müssen sie aber nicht anwenden. Auch eine rich tige Verwaltungsvorschrift kann natürlich ein Wort wie „kön nen“ enthalten. Das heißt dann aber für Juristen, dass ein pflichtgemäßes Ermessen auszuüben ist. Das bedeutet „kön nen“. Das heißt, man muss wenigstens Gründe haben, wenn man etwas ablehnen möchte.

Das Wirtschaftsministerium hat dann aber erklärt: „Nein, nein, es ist gar keine Verwaltungsvorschrift, sondern es sind nur Hinweise.“ Was für eine Art von Literatur neuerdings aus dem Wirtschaftsministerium an die Behörden herausgegeben wird, können wir gar nicht mehr einschätzen. Es sind keine Erlas se, keine Verwaltungsvorschriften. Es sind nur irgendwelche unverbindlichen Papiere, also letzten Endes Schall und Rauch.

Das Problem ist schwierig. Wir sagen nicht, dass die Regie rung bei einer leichten Sache nicht auch einmal etwas leistet. Das tut sie manchmal. Die „Steuer-CD“ und ähnliche Dinge, Existenzgründungsförderungen usw. sind eigentlich leichte Probleme.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Aber dies hier ist ein schwieriges Problem und eine Heraus forderung. Da muss man sich wirklich sehr gut und gründlich etwas überlegen. Davon sehen wir leider nichts.

Man kann die Dinge laufen lassen, wie sie sind. Dann sollte man aber nicht ständig ankündigen, man wolle dem Missstand zu Leibe rücken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Man kann natürlich, wie es etwa die Grünen mit dem Baulü ckenkataster und die SPD mit einer Änderung des Landespla nungsgesetzes fordern, scharfe Regulierungen einführen. Da vor scheut die Regierung aber zurück. Das ist eben die Füh rungsschwäche, die wir zurzeit in vielen Bereichen sehen.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Das ist ein falscher Schluss!)

Wir sehen das in fast allen Bereichen, Herr Kollege Fischer. – Oder man kann Regulierungen mit der Stärkung von Ortszentren verbinden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: MELAP!)

MELAP ist viel zu schwach, Herr Kollege Röhm. Man muss sehr viel mehr tun. Man muss einiges im Sanierungsrecht ma

chen. Man muss Umlegungen ermöglichen, man muss wahr scheinlich im Planungsrecht, möglicherweise auch mit Bun desratsinitiativen – das ist übrigens auch in anderen Bundes ländern ein Thema –, aktiv werden.

Man muss also wesentlich mehr tun. Überall dort, wo gute Ortszentren gestaltet sind, bleiben die Dörfer attraktiv, auch was ihre Versorgungsstruktur betrifft. Aber wir sehen bis heu te nicht, dass die Regierung auch nur im Ansatz einen Schritt in diese Richtung machen kann.

Wir schlagen vor, dass die Anträge überwiesen werden, und zwar am besten an den Umweltausschuss – meinetwegen auch an den Wirtschaftsausschuss; aber ich glaube, der Umwelt ausschuss ist hierfür der richtige Ausschuss.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Splett für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Prewo hat von einem Ankündigungsthema gesprochen. Das ist es auch. Über dieses Thema haben wir schon viel geredet, aber es geht nicht wirklich voran.

Ich möchte nicht alles wiederholen, was ich schon das letzte Mal dazu gesagt habe. Ich möchte auch keinen Rundumschlag zum Thema Flächenverbrauch machen, sondern ich möchte auf die beiden Anträge eingehen. Ich schicke nur kurz voraus, dass wir Grünen uns natürlich weiterhin für die Einführung handelbarer Flächenzertifikate einsetzen, weil wir das für das wirksamste Instrument halten – wahrscheinlich ist es sogar das einzig wirksame –, um den Flächenverbrauch tatsächlich landesweit zu begrenzen und zu einer effektiven politischen Steuerung in diesem Bereich zu kommen, die gleichzeitig das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen respektiert.

Heute geht es um zwei Anträge. Der Antrag der SPD fordert eine quantitative Begrenzung des Flächenverbrauchs und will die Zuständigkeit für die Genehmigung von Flächennutzungs plänen bei den Regierungspräsidien bündeln. Beide Anliegen teilen wir; ich komme nachher noch einmal darauf zurück.

Zum Zweiten liegt ein Antrag meiner Fraktion vor, der Punk te aufgreift, die im SPD-Antrag nicht enthalten sind, und der, wie auch der SPD-Antrag, an die Debatte, die wir vor einem Jahr geführt haben, anknüpft.

Uns geht es darum, die Führung von Baulückenkatastern ver bindlich zu machen. Warum? Es ist schon angesprochen wor den: Seit dem letzten Jahr gibt es Hinweise zur Plausibilitäts prüfung der Bauflächenbedarfsnachweise bei der Genehmi gung neuer Baugebiete. Diese sind aber unverbindlich – das kritisieren wir – und laufen ins Leere, wenn Bauflächenpoten ziale nicht sauber ermittelt werden.

Aus unserer Sicht erfordert die Einführung der Hinweise zur Plausibilitätsprüfung daher als nächsten logischen Schritt die verbindliche Erstellung von Baulückenkatastern in den Ge meinden, die einen weiteren Flächenverbrauch planen. Viele Gemeinden erfassen ihre Baulücken schon, also ihre Brach