Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in BadenWürttemberg seit Jahren in allen Einrichtungen – in Kranken häusern und auch in Altenpflegeeinrichtungen – einen aktuel len Pflegenotstand.
Dieser Pflegenotstand wird immer gravierender, weil immer mehr Menschen zu versorgen sind und die Arbeitsbedingun gen schlecht sind. Das heißt, es muss dringend etwas passie ren. Wir haben nicht nur einen Pflegenotstand, sondern wir haben in den letzten Jahren zunehmend – das zeigen die vie len Gespräche, die wir mit dem Landespflegerat führen, auch unter Beteiligung Ihres Ministeriums, Herr Staatssekretär – immer wieder gehört, dass es offensichtlich ein riesiges Imageproblem bei der Pflege gibt.
wer Lust hat, den Pflegeberuf zu ergreifen. Es gibt offensicht lich immer weniger Menschen, die bereit sind, das zu tun. Die sem Problem müssen wir in der Tat mit einem Gesetz begeg nen. Das können wir nur tun, indem wir der Pflegeausbildung und der Pflegetätigkeit insgesamt eine viel größere Wertschät zung entgegenbringen, als dies bisher der Fall ist.
In diesem Sinn machen Sie nun einen Versuch, der wirklich ehrenwert ist. Ich teile die Einschätzung meiner Kollegin Alt peter, dass insgesamt viele Fragestellungen aufgegriffen wer den, dass es wirklich auch gute Ansätze gibt, dass Sie insge samt auch dem Anspruch Rechnung tragen, dass Pflege ins gesamt ausdifferenzierter sein muss und dass es damit eine größere Spreizung geben muss, dass es auch eine Möglichkeit für Menschen mit geringerer Qualifikation geben muss, einen Beruf im Bereich der Pflege zu erlernen und begrenzte Tätig keiten auszuführen. Es muss aber auch möglich sein, im Pfle gebereich Karriere zu machen.
Wir glauben, dass es im Gesetz durchaus gute Ansätze gibt und dass es wichtig ist, neue Berufsfelder zu erschließen.
Ich will auf zwei Punkte deutlich eingehen. Der eine ist der Begriff der Alltagshelferin. Es ist in der Tat so, dass wir in all den Jahren einen Strauß zusätzlicher Ausbildungsgänge ge habt haben. Die müssen natürlich jetzt in irgendeiner Weise zusammengefasst werden. Wir haben, gerade was z. B. die Betreuung von Menschen mit Demenz angeht, Alltagsbeglei ter, die speziell ausgebildet werden, um im häuslichen Bereich die Menschen, die demenzkrank sind, zu betreuen, damit sie so lange wie möglich in ihrem häuslichen Bereich bleiben können.
Wie unterscheiden sich diese Alltagsbegleiter aber von den Alltagshelferinnen? Unterscheiden sie sich überhaupt? War
um müssen die einen eine einjährige Ausbildung absolvieren, während die anderen nur eine Ausbildung von 160 Stunden durchlaufen müssen? Warum bekommen die einen 8 € auf die Hand, während die anderen sozialversicherungspflichtig ein gestellt werden? Das alles sind Fragen, die dringend noch ge klärt werden müssen. Es ist wichtig, deutlich zu machen, wo rin die Unterschiede liegen und welche Chancen es jeweils gibt.
Wir sind auch der Meinung, dass es sinnvoll ist, dass die Fra ge der Umlage bei der Altenpflegeausbildung geklärt wird. Das sind durchaus gute Ansätze.
Ein großer Kritikpunkt ist für uns allerdings in der Tat – hie rauf möchte ich noch einmal deutlich hinweisen – die Ausbil dung zum „Mediziner light“. Wir bezeichnen es als „Medizi ner light“, Sie nennen es in Ihrem Gesetzentwurf „Arztassis tent“. Es kann nicht sein, dass wir jetzt noch einmal eine neue Struktur schaffen, die ein Zwischenstadium zwischen einem ausgebildeten Mediziner und einer ausgebildeten Pflegefach kraft darstellt.
Wenn wir wollen, dass Pflege wirklich attraktiv ist und dass es für Pflegefachkräfte die Möglichkeit gibt, Karriere zu ma chen, wenn wir wollen, dass es für Pflegefachkräfte eine hö here Wertschätzung gibt, dann ist es doch wichtig, dass die Menschen, die von ihrer Ausbildung her sowie auch durch ih re praktische Tätigkeit den entsprechenden Hintergrund ha ben, die Chance bekommen, z. B. durch ein anschließendes Studium in ein anspruchsvolleres Aufgabenfeld hineinzukom men und danach, nach dem Erwerb einer gewissen Berufser fahrung, vielleicht noch einmal eine andere Tätigkeit auszu üben. Dies würde dazu beitragen, den Beruf insgesamt attrak tiver zu gestalten, und das wäre sehr viel wichtiger.
Wir sind also entschieden dagegen, das Berufsbild des Arzt assistenten, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, einzuführen. Wir meinen, dass wir stattdessen eine deutliche Aufwertung des Pflegeberufs insgesamt brauchen. Dabei sind wir uns mit dem Landespflegerat durchaus einig, mit dem es im Vorfeld bereits diverse Diskussionen über dieses Thema gab.
Als letzten Punkt möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wir brauchen nur einmal in die Schweiz zu schauen, um festzu stellen, dass deutsche Pflegekräfte dort seit Jahren schon sehr gern eingestellt werden. Deutsche Pflegekräfte gehen gern in die Schweiz, weil die Arbeitsbedingungen dort gut sind, weil die Menschen dort eine hohe Wertschätzung erfahren und gu tes Geld verdienen. Zudem gibt es dort flache Hierarchien.
All diese Punkte müssen wir deshalb auch bei uns aufgreifen. Es geht nicht nur darum, Geld zu verdienen, sondern auch da rum, dass Pflegekräfte in der Schweiz eine enorm hohe Wert schätzung genießen, dass sie im Team zusammenarbeiten und in dem, was sie tun, viel höhere Kompetenzen zugestanden bekommen. Bei diesen Punkten haben wir einen enorm ho hen Nachholbedarf, und dem müssen wir uns stellen.
Wir diskutieren heute über ein Thema, bei dem es nicht um irgendwelche Zukunftsszenarien geht. Vielmehr – das ist von der Kollegin Altpeter schon gesagt worden – sind wir bereits mitten in diesem Szenario. Wenn wir die Realität betrachten, stellen wir fest, dass schon jetzt die Zahl der benötigten Pfle gefachkräfte offensichtlich nicht ausreicht. Deutlich wird ins besondere, dass in einem Graubereich, nämlich im ambulan ten Bereich, die Bevölkerung nach neuen Lösungen sucht, je doch ohne qualitätssichernde Kriterien. Sie wissen sicher, wo rauf ich anspiele. In diesem Graubereich werden Pflegekräf te engagiert, die beispielsweise aus Polen kommen.
Genau in diesem Bereich, in dem wir die Zahl der Pflegekräf te deutlich erhöhen, ja fast verdoppeln müssen – wir haben vorhin die Zahlen gehört –, in dem wir andererseits aber ein großes Interesse daran haben müssen, dass dies im Interesse der zu pflegenden Menschen nicht zulasten der Qualität, also nicht in Richtung einer Billigpflege geschieht,
Die Kritik, man sei zu spät dran, kann ich nicht verstehen. In Baden-Württemberg sind vorbildliche Modellprojekte zu dif ferenzierten neuen Pflegeberufen und Pflegehilfsberufen ge laufen. Ich finde es richtig, dass wir jetzt einmal versuchen, den Beginn zu machen, gesetzgeberisch mit einem Gesamt konzept auf die für Außenstehende möglicherweise verwir rende Vielfalt von unterschiedlichen Modellen und Begriffen zu reagieren. Das kann aber nur ein Anfang sein.
Dieses Konzept hat zwei Seiten. Auf der einen Seite geht es darum, am unteren Ende einen möglichst niedrigschwelligen Einstieg für junge Menschen in diese Pflegeberufe zu schaf fen, also auch für junge Menschen, die nicht einmal einen Hauptschulabschluss geschafft haben. Genau für diese Men schen gibt es passende Modelle; für sie gibt es jetzt das Be rufsbild des Alltagsbetreuers/Servicehelfers, bei dem man be gleitend den Hauptschulabschluss erwerben kann.
Auf der anderen Seite schaffen wir Möglichkeiten nicht nur in der Fort-, sondern auch in der Weiterbildung bis hin zu der jetzt viel diskutierten Möglichkeit, ein Assistent zu werden, der medizinische Dienstleistungen, die an ihn delegiert wer den, vornehmen kann, die Personen mit Pflegeberufen bisher nicht möglich waren.
Das ist durchaus eine richtig kritische Geschichte. Ich bin da zu auch nach wie vor im Gespräch mit dem Landespflegerat. Ich sehe es auch so: Bevor wir irgendein neues Berufsbild schaffen, von dem niemand so richtig weiß, wie es heißen soll,
müssen wir uns das kritisch und auch mit Blick auf weitere Entwicklungen überlegen. Sie schreiben „Arztassistent“ als Bezeichnung. Wir waren uns aber einig, dass die Bezeichnung nicht so lauten soll, weil genau das zu der Missdeutung führt, es gäbe da einen „Arzt light“. Gerade das ist nicht der Fall. Wir wollen vielmehr weitergebildete Pflegefachkräfte, die – immer streng rechtlich gesichert – nur delegierbare Leistun gen erbringen dürfen, die der Arzt zu verantworten hat.
Ich habe mit dem Alltagsbetreuer/Servicehelfer begonnen und bin jetzt bei der weitergebildeten Fachkraft – nicht Arztassis tent –, an die Aufgaben delegiert werden können. In diesem Zusammenhang will ich hier einfach einmal zeigen, wie das Konzept heutzutage aussieht.
Sie müssen gar nicht lesen können, was da drauf steht; aber es ist schon ein bisschen verwirrend. Es fängt nämlich – das ist auch gesagt worden – mit dem Alltagsbegleiter an. Das ist bürgerschaftliches Engagement, aber mit geringer Aufwands entschädigung.
Alltagsbetreuer/Servicehelfer soll in etwa das Gleiche sein. Das heißt, wenn wir junge Menschen für solche Berufe be geistern wollen, dann müssen wir schon einmal ein bisschen Klarheit und Struktur in das Ganze hineinbringen.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Deshalb müssen sozi ale Berufe besser bezahlt werden, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist Sache der Gewerkschaften!)
Das kommt natürlich hinzu: Wenn höhere Qualifikationen gefordert werden, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf das Gehaltsgefüge. Andererseits wissen wir alle auch, dass im Graubereich – eben gerade weil die Leistung sonst nicht mehr bezahlbar ist – unqualifiziertes Personal beschäftigt wird. Deswegen müssen wir letztendlich diesen Spagat be wältigen, nach unten, aber auch nach oben zu differenzieren und damit natürlich auch die Durchstiegsmöglichkeiten in die sen Berufsbildern attraktiv zu machen. Das wird insgesamt hoffentlich der Neigung junger Menschen, diese Berufe zu er greifen, entgegenkommen.
Die Frage der Akademisierung ist immer wieder thematisiert worden. Beide Bereiche werden häufig gegeneinander ausge spielt. Wir brauchen aber auch die helfenden Hände. Das ist genau das, was wir mit den Berufsbildern im Vor- und Um feld der Pflege meinen. Wir sollten das nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir sollten wirklich klarmachen, dass es sich hier um ein Gesamtkonzept handelt,
mit dem wir bei einer immer weiter sinkenden Zahl von jun gen Menschen, die die Schule verlassen, den quantitativen Be darf decken. Es kommen die geburtenschwachen Jahrgänge, die die Auswahl zwischen unterschiedlichen Berufsbildern ha ben werden.
Wir sollten wirklich dafür sorgen, dass der Beruf, sich um Menschen zu kümmern, an Attraktivität zunimmt; denn wenn wir es nicht schaffen, die Anerkennung und die Wertschätzung dieser Berufe ein Stück weit zu verbessern, haben all unsere Gesetze schlicht keinen Wert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf Drucksache 14/6251 zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln (Versorgungslastenteilungs-Staats vertrag) – Drucksache 14/6178