Protocol of the Session on May 6, 2010

(Abg. Werner Raab CDU: Das ist eine Überregulie rung, die Sie wollen!)

Genau das schafft dieses Gesetz nicht. Der Status quo wird festgeschrieben. Es wird sozusagen eine Regelung für große Einrichtungen gemacht. Es wird in keiner Weise den neuen Anforderungen Rechnung getragen. Es wird vor allem – ge rade dann, wenn es um die Versorgung von Menschen mit Be hinderungen geht – überhaupt keine Rücksicht darauf genom men, dass wir die Verpflichtung haben, die UN-Behinderten rechtskonvention umzusetzen. Diese UN-Konvention bein haltet, dass jeder Mensch mit Behinderungen ein Recht dar auf hat, selbst zu entscheiden, wo und wie er leben will. All dies wird nicht berücksichtigt.

(Abg. Werner Raab CDU: Das ändert doch das Ge setz nicht!)

Wir haben versucht, an zwei zentralen Punkten Änderungs vorschläge zu machen. Wir werden diese Änderungsanträge erneut einbringen, weil wir glauben, dass dieses Gesetz damit deutlich besser würde.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll das Wort.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Jetzt spricht wieder ein Fachmann!)

Herr Präsident, verehrte Kol leginnen und Kollegen! Das Gesetz, das wir heute in zweiter Lesung beraten und auch verabschieden werden, betrifft ver mutlich mehr Menschen in diesem Land sehr viel direkter in ihrer Lebenswirklichkeit als das, worüber wir zuvor unter gro ßem Getöse debattiert haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber deshalb wollten wir, dass ihr ein ordentliches Gesetz auf den Tisch legt, und das habt ihr nicht gemacht!)

Auch das Interesse, stelle ich fest, ist umgekehrt proportional zum Ausmaß der Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit.

Worum geht es? Wir machen ein Gesetz für den Fall, dass Menschen in eine bedrohliche – in der Regel existenziell be drohliche – Situation kommen, nämlich in die Situation, sich in die Obhut einer stationären Einrichtung begeben zu müs sen, und wir machen das Gesetz für deren Angehörige. Wir wollen damit Sicherheit schaffen; wir wollen, dass die Men schen in diesem Land sicher sein können, dass der Staat ein waches Auge darauf hat, dass Standards eingehalten werden und dass das Recht dessen, der diese Einrichtungen nutzt, ge wahrt bleibt. Wir alle wollen sicher sein können, dass die Wür de des Menschen in allen Bereichen gewahrt bleibt. Das ist ein hoher Anspruch; das ist völlig klar. Das jedoch so umzu setzen, dass wir einerseits Schutzwirkungen entfalten, ande rerseits jedoch nicht bevormunden, ist die Kunst, die in die sem Gesetz entfaltet werden musste.

Ich respektiere, Frau Mielich, dass Sie sagen, das Gesetz sei auf einen zu engen Heimbegriff zugeschnitten. Sie wollen dies auch auf ambulante Formen, auf alle Dienste ausgedehnt wis sen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber das steht nicht im Gesetz!)

Das widerspricht jedoch genau der Idee: Wir wollen kleine, flexible Formen, wie sie sich bei den Menschen draußen ent wickeln, nicht durch starre gesetzliche Vorgaben behindern,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU – Abg. Dr. Klaus Schü le CDU: So ist es!)

sondern wir wollen die Möglichkeit der Flexibilisierung be lassen, ohne jedoch die Standards zu gefährden.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist eine eigenarti ge Interpretation von Gesetzen! Ein Gesetz soll re geln!)

Das ist keine eigenartige Interpretation, sondern es war auch schon bei der ersten Beratung dieses Landesheimgesetzes die Frage, ab welcher Größe eine Einrichtung überhaupt ein Heim ist. Sehen Sie doch einfach einmal, dass Menschen, die sich irgendwo eine Wohnung in einer WG nehmen – es gibt im mer häufiger altengerechte WGs –, nicht zulassen möchten,

dass der Staat ständig regelnd in ihr privates Wohnumfeld ein greift. Das ist einfach Realität; das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Übrigens wird auch in der Pflege wie überall Bürokratieab bau gefordert. Je umfänglicher ein Gesetz ist, umso mehr Bü rokratie folgt natürlich daraus.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Wir müssen also auch daran denken, möglichst Bürokratie ab zubauen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Freiheit à la FDP!)

In einem habe ich Frau Altpeter bereits zu Beginn zugestimmt: Auch ich war der Meinung, dass das Heimvertragsrecht ein heitlich auf Bundesebene zu regeln ist. Das führt jetzt zu Bü rokratieabbau, weil unsere staatlichen Heimaufsichten diesen Teil jetzt nicht mehr kontrollieren müssen. Insofern ist es auch ein Bürokratieabbaugesetz, das wir jetzt auf den Weg bringen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Trotzdem – über dieses Thema haben wir auch im Ausschuss diskutiert – besteht weiterhin die Frage nach der Qualität. Für die Menschen ist es eine ganz wichtige Frage, wie Qualität definiert wird. Dass da Unterschiede bestehen, bitte ich ein fach noch einmal wahrzunehmen. Es ist klar, dass die Pflege versicherung, der MDK, mehr die Prozess- und Ergebnisqua lität zu prüfen hat

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber dann macht doch ein ordentliches Gesetz!)

und der Staat für die Strukturqualität zuständig ist. Wir kön nen nicht auf eines von beiden verzichten.

Aber was wir können – da bin ich dem Kollegen Raab sehr dankbar; er hat es in seiner Rede noch einmal herausgearbei tet –, ist Folgendes: Wir können vermeiden, dass unnötige Doppelkontrollen stattfinden. Da ist die Realität bereits viel weiter, als Sie es hier teilweise vermitteln. Lesen Sie einmal im Antrag und in der dazu ergangenen Stellungnahme nach: Es gibt in Baden-Württemberg die Kooperationsvereinbarung zwischen MDK und der staatlichen Heimaufsicht,

(Abg. Werner Raab CDU: So ist es!)

dass man sich die Ergebnisse wechselseitig zur Verfügung stellt, um Doppelkontrollen zu vermeiden.

Zum Thema Heimmitwirkung möchte ich noch etwas sagen, ebenso wie zu der Frage: Ist es richtig, dass wir hier eine ein heitliche Ermächtigungsgrundlage schaffen, wonach die De tails über Verordnungen zu regeln sind? Als Parlamentarier muss ich sagen: Das ist nicht immer so schön.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Genau!)

Denn dadurch wird es natürlich exekutivlastig. Aber ich bitte den Staatssekretär, die Zusage, die er zumindest uns gemacht hat und die er bei den bisherigen Verordnungen übrigens ent sprechend eingehalten hat, nämlich dass das Parlament durch aus sehr intensiv bei dem Erlass dieser Verordnungen betei ligt wird, hier gleich noch einmal deutlich zu formulieren.

Denn das hat natürlich den Vorteil, dass man schneller auf sich verändernde Bedingungen – die es in diesem Bereich gibt – reagieren kann, als wenn jedes Mal eine Gesetzesnovellierung erforderlich ist.

Im Rahmen der Heimmitwirkung geht es auch noch einmal um das Thema Angehörigen- bzw. Betreuerbeirat. Wir sollten nicht so tun, als würde damit eine Möglichkeit weggenom men. Vielmehr haben wir die klare Stufung: Heimbeirat, Für sprechergremium, Heimfürsprecher. Auch das ist jetzt unbü rokratischer geregelt, damit schneller dafür gesorgt werden kann, dass man dort, wo ein Heimbeirat nicht gebildet wer den kann, unbürokratischer vorgehen kann, dass man die Er satzgremien wie ein Fürsprechergremium und die Heimfür sprecher schneller bestellen kann. Auch das liegt im Interes se derer, die in unseren Heimen wirklich für Qualität sorgen.

Denn Gesetze sind das eine. Das Wichtige ist aber, dass sich diese Einrichtungen öffnen, dass sie Teil des Gemeinwesens sind, dass bürgerschaftlich Engagierte in Orts-, Kreis- und Se niorenräten in diesen Heimen sozusagen stellvertretend für die gesamte Gesellschaft Mitwirkung – nicht Kontrolle, son dern Mitwirkung – ausüben. Das ist für mich der beste Beleg dafür, dass Qualität und Menschenwürde in unseren stationä ren Einrichtungen wirklich garantiert sind.

Deswegen herzlichen Dank allen, die sich hier bürgerschaft lich engagieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Staatssekretär Hillebrand das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Eigentlich wollte ich es relativ kurz machen, aber jetzt sehe ich mich doch genötigt, auf einiges einzugehen, was hier vorgetragen wurde.

Als wir vor zwei Jahren hier in diesem Hohen Haus das Lan desheimgesetz beschlossen haben, waren wir bundesweit Vor reiter. Uns war es wichtig, eigenständige Regelungen für Ba den-Württemberg zu finden. Ich denke, wir haben mit dem Heimgesetz in Baden-Württemberg eine sehr ausgewogene Lösung gefunden.

Liebe Frau Mielich, wir haben vom Bundesheimgesetz das beibehalten, was sich bewährt hat. Wir haben aber auch die Veränderungen vorgenommen, die notwendig waren. So gibt es für die Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige und die Wohngruppen für Behinderte flexible Regelungen und die not wendige Rechtssicherheit.

Mit unserer Landesheimbauverordnung haben wir die Anfor derungen an kleine Versorgungsformen deutlich flexibilisiert. Frau Ministerin Dr. Stolz und mir war es immer ein Anliegen, uns für wohnortnahe Versorgungsformen einzusetzen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich denke, darin sind wir alle uns in diesem Hohen Haus einig –: Auch in einer klein räumigen Versorgung muss die Betreuungs- und Pflegequali tät stimmen.

(Abg. Werner Raab CDU: So ist es!)

Durch das Landesheimgesetz haben wir aber noch mehr be wirkt. Wir haben den Schutz der Bewohner durch jetzt grund sätzlich unangemeldete Überprüfungen durch die Heimauf sicht gewährleistet. Wir haben die Pflegequalität durch die Festschreibung der Fachkraftquote von 50 % im Gesetz gesi chert. Die Qualitätssicherung in den Heimen haben wir durch die Verpflichtung zu einem Beschwerdemanagement gestärkt. Wir haben das Heimrecht von überflüssiger Bürokratie ent lastet, und wir haben vor allem – ich komme noch darauf – ein schlankes und praxisnahes Gesetz geschaffen, das ohne alle Übergangsschwierigkeiten sofort von allen angewandt werden konnte.

So konnten, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Heimauf sichten und auch die Einrichtungsträger ihre volle Energie den eigentlichen Aufgaben widmen, anstatt sich mit dem Studium vollständig neuer Regelungen zu befassen und Auslegungs fragen zu wälzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Landesheimgesetz ist jetzt zwei Jahre in Kraft, und ich freue mich, sagen zu können: Es ist ein gutes Gesetz.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)